25
Mai
2008

Duft des Orients

In letzter Zeit kaufe ich wieder öfter beim Türken an der Tagblattstrasse ein. Das hat verschiedene Gründe:

1) Der Türke führt den ehemaligen Tante-Emma-Laden neben unserem Geschäft. Er läuft nicht gerade blendend. Mir aber ist es ein Anliegen, dass der Laden erhalten bleibt, damit ich für den Kauf meiner Reiswaffeln und Dörrfrüchte nicht einen zehnminütigen Fussmarsch unternehmen muss.

2) Der Ladeninhaber (nennen wir ihn Onkel Erkan) hat mir bereits ein türkisches Wort beigebracht: "teşekkür" (danke). Ich spekuliere darauf, dass ich noch mehr Chancen bekomme, ihm ein paar Türkisch-Vokabeln zu entlocken, bevor wir nach Istanbul fliegen.

3) Das Sortiment von Onkel Erkan unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht wohltuend vom immergleichen Angebot von Coop und Migros. Es gibt dort zum Beispiel das hier:

(Quelle: www.yiyelim.com)

Überhaupt stehen Linsen und Kichererbsen bei Onkel Erkan hoch im Kurs. Zudem hat er Honig der Marke Buram, und die Rosinen sind von "Le Dragon". Neulich bekam ich dort sogar den Kreuzkümmel, den ich in unserem Quartiercööpli vergebens gesucht hatte (das Datum auf dem Glas ist zwar bald abgelaufen, macht aber nichts). Und manchmal hat Onkel Erkan plötzlich ein ganzes Gestell voller Shampoos der Marke Regina Hair fit (Made in Germany) zu einem absoluten Schnäppchenpreis von Franken 2.15 oder so. Oder ein Palett voller in eine zwei dicke Plastikplanen eingeschlagenes WC-Papier, ebenfalls zu einem Schnäppchenpreis.

WC-Papier brauchte ich am Freitag und griff beherzt unter die obere Plastikplane, um mir eine Zehnerpackung zu verschaffen. Schon als ich noch griff, säuselte mir ein leiser Duft entgegen, süsslich, nach Räucherstäbchen oder so. "Das muss dieser blöde Plastik sein", sagte sich die Frogg unbesorgt, ging zur Kasse, zahlte und begab sich ins Büro, wo sie ihre Käufe unter dem Schreibtisch verstaute. Man will ja nicht, dass die Kollegen sehen, dass man WC-Papier gekauft hat.

Es war ein warmer Tag, fast sommerlich, und plötzliche wehten ganze Schwaden dieses süsslichen Geruchs unter meinem Schreibtisch hervor. Sandelholz? Rosenwasser? Yasmin? Alles zusammen? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur: Die Computer im Büro surrten, die Luft um uns wurde immer wärmer und feuchter, der exotische Geruch immer dicker. Kollege Pokerface und ich, zu zweit im Büro, wähnten uns im Hamam, und ich bekam nur schon von dem seltsamen Duft Juckreiz wie von einer alten Wolldecke. Bald konnte ich mich nicht mehr selber betrügen: Der Duft strömte zweifelsfrei aus dem Toilettenpapier unter meinem Schreibtisch.

Ich studierte das Paket und stellte fest: Es war in einer slawischen Sprache beschriftet. Und: Das Papier war eindeutig die Quelle des orientalischen Duftes. "Was soll ich jetzt damit machen?!" seufzte die Frogg, keine Freundin parfümierten Toilettenpapiers und allergischen Reizen gegenüber ausgesprochen sensibel. Nun, es war ganz einfach: Ich vergass das Paket nach einem turbulenten Freitagabend im Büro.

Mein armer Kollege Bartholomäus hat Sonntagsdienst an meinem Schreibtisch und wird nicht wissen, wie ihm geschieht!
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Journal einer Kussbereiten

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