im meniere-land

14
Apr
2008

Wurm am Ohr

Seit ein paar Tagen klemme ich mir wieder mein Hörgerät ins Ohr, wenn ich unter die Leute gehe: Mein linkes Ohr schwächelt wie seit einem Jahr* nicht mehr.

Das Ding sieht ungefähr so aus:

(Bild von www.gbiu.de)

Nein, das stimmt natürlich nicht. Das behauptet die Frogg nur, weil sie es nicht mag und deshalb abfällig "den Engerling" nennt. In Wirklichkeit ist es ein Designerteil und sieht genau so aus:


(Bild: uk.designagenda.dk)

Und ich hätte allen Grund, es zu mögen. Denn eigentlich fühle ich mich viel wohler, wenn ich es trage (zumal ich eine Frisur habe, die es tiptop verdeckt). Mein Kopf fühlt sich dann nicht an, als hätte er eine radioaktive Delle, wo andere Leute ein linkes Ohr haben. Und ich höre wirklich besser... naja, nach ein paar Tagen. In den ersten Tagen rauscht und dröhnt so ein Ding bloss fürchterlich. Nach einer Weile höre ich dann jeweils Grüppchen von Leuten in weiter Entfernung sprechen. Das fühlt sich an, als wäre ich eine Spionin und hätte eine Wanze in ihrer Mitte platziert. Auch wenn ich noch nicht verstehe, was sie sagen. Erst nach drei, vier Tagen schälen sich aus dem allgemeinen Gedröhn und digitalen Quaken und Schnarren Geräusche heraus, die einigermassen normal klingen.

* Tatsächlich: Es ist genau ein Jahr her, dassheftige Drehschwindelanfälle mich für mindestens zwei Wochen ausser Gefecht setzten. Danach hörte ich wieder besser. Ich frage mich gerade, ob das ein feiernswertes Jubiläum ist.

26
Dez
2007

Leicht behindert

Da ist es wieder! Das sattsam bekannte Blubbern und tröten! Tieftöne weg. Pünktlich zum 24. Dezember. Nur etwas ist anders als sonst: Das Vieh hat mich bislang in Ruhe gelassen. Ich bin zutiefst entschlossen, dese Tage zu geniessen. Noch kann ich mit meinen Nichten und ihren neuen Geschenken spielen. Noch kann ich mich gut mit dem Tigervater und seiner Liebsten unterhalten.

Nur beim Autofahren ist die Frogg leicht behindert. Sie fährt auf der Autobahn eine Viertelstunde im vierten Gang, ohne im allgemeine Gedröhn zu merken, dass der Motor längst zu hochtourig dreht. Und später, nach einem Zwischenstopp, kriecht sie mit angezogener Handbremse einen Steilhang hinauf. Alles nur, weil ich die Klangnuancen meines Automotors nicht mehr höre. Und die Bässe auf der Christmas Rock-CD von Tigervaters Liebsten gurren so seltsam. Wie Tauben, die vergessen haben, was sie sind.

Ich habe mir vom Ohrenarzt genaue Anweisungen geben lassen, wann ich zum rosaroten Gift greifen muss. Wenn es so weitergeht, bin ich morgen soweit.

18
Nov
2007

Das rosarote Gift

Die Tabletten kommen in einer Verpackung, auf der „Prednisolon Streuli“ steht. „Streuli“, das lässt an Sprüngli denken, an Confiserieherrlickeit, an pastellfarbene Süssigkeiten.



Tatsächlich sind Prednisolon Streuli-Tabletten rosarot. Aber sie schmecken bitter und enthalten ein gefährliches Gift: Cortison.

Es lässt die Frogg kurzsichtig werden.
Es lässt ihr die Finger anschwellen und die Haut austrocknen.
Nachts lässt es ihr das Herz rasen.
Es macht den Magen kaputt, sagt der Hausarzt.
Es lässt manche Leute aufgehen wie Kugeln, sagt Helga.
Es entzieht dem Körper Calcium.
Es kann Diabetes verursachen.

Aber es wirkt. Ich höre wieder besser.

15
Nov
2007

Blubbern und tröten

Fast schon gelassen nimmt die Frogg zur Kenntnis, dass die Lastwagen wieder einmal blubbern und tröten, die Kühlschränke kiechen und ächzen. Ich habe meine Tieftöne verloren. Wieder. Hat alles nichts genützt. Nicht die grosse Führerin, nicht Frau Bing, nicht das Trental vom Ohrenarzt.

Nur das Vieh ist kleiner geworden, die Angst. Ich weiss jetzt, dass ich nichts gegen mein Ohrenleiden tun kann. Warum sollte ich jetzt noch Angst haben?

Äh, und seien wir ehrlich: Auch gegen Angst gibt es Medikamente.

25
Okt
2007

Gute Ratschläge

Meine Wunderdoktorin glaubt, dass mein Ohrenleiden irgendwas mit meiner Niere zu tun hat. Sie gab mir als erstes ein paar gute Ratschläge mit auf dem Weg.
Zum Beispiel:
- „Essen sie salzig, das ist gut für die Niere!“
- „Und, oh, ihre Kleider! Sie sollten nicht schwarz tragen. Tragen Sie blau!“

Dann schickte sie mich zu einer ihrer Akupunkteurinnen namens Bing. Frau Bing kann nicht gut Deutsch, aber sie steckt mir zweimal wöchentlich das Gesicht und die Hände voller Nadeln und gibt mir dabei jedes Mal ein paar weitere gute Ratschläge mit auf den Weg:
- „Trinken Sie viel. Oh, nein, nicht kalt Wasser. Kalt Wasser schlecht für Niere. Trinken Sie heiss Wasser! Tee! Jasmin-Tee!“
- „Ziehen Sie Hut an, jetzt ist so kalt!“
- „Reiben Sie morgens und abends Ohren: So!“
- "Sie nicht so viel denken!"

Also kaufte ich mir einen scheusslichen, taubenblauen Filzhut (für eine neue Gesamtgarderobe reicht es nicht, ich brauche Geld für die Akupunktur!) und rieb mir die Ohren, wenn ich ihn gerade nicht trug. Und weil ich Jasmintee nicht mag, begann ich, jeden Tag einen Liter heisses Wasser zu trinken. Ohne gar nichts. Bizarr? Ach wo. Kaltes Wasser trinkt man ja auch ohne gar nichts. Ausserdem frönte ich genüsslich meiner Vorliebe für Parmesan und Sbrinz. Doch es half alles nichts.

Letztes Mal sagte Frau Bing dann: „Sie aufpassen bei Haare waschen! Dass kein Wasser in Ohr kommt!“

Ehrlich, da wollte ich die Sache aufstecken. Ich meine: Wenn nicht mal meine Akupunkteurin begreift, dass ich meine Probleme nicht im Gehörgang, sondern im Innenohr habe…

Aber genau nach jener Stunde begann es mir merklich besser zu gehen!
So viel besser, dass sich sogar das Vieh ein wenig beruhigt hat.

Jetzt mache ich doch weiter!

20
Okt
2007

Die grosse Chefin

Immer, wenn ich nicht mehr weiter weiss, verlege ich mich aufs Ärzteshoppen. Diesmal gehe ich zu Carmencela Schild. Die Frau ist Ärztin und Akupunkteurin und hat in Frösch den Ruf, auch schon in aussichtslosen Fällen geholfen zu haben. Sie hat überdies eine rätselhafte Herkunft, ist Latina, vielleicht sogar Indianerin, heisst es.

Frau Schild ist bekannt und gefragt. So gefragt, dass sie in einer klassizistischen Villa hinter dem Hotel Palace kleines Imperium aufgebaut hat. Dort arbeiten Akkupunkteure und Ernährungsberater, Homöopathen und Ozontherapeuten und wer weiss was sonst noch.

Als ich das erste Mal in die Villa betrat, verirrte ich mich zunächst und landete am Empfang der Akkupunktur-Abteilung. Dort wuselten chinesische Sekretärinnen vor ihren Bildschirmen. Am richtigen Empfang wuselten schweizerische und lateinamerikanische Sekretärinnen vor ihren Bildschirmen. All diese Bildschirme hatten eins gemeinsam: In irgend einer Ecke prangte auf ihnen ein Bild von Carmencela Schild, lichtumflort, die mit dem siegesbewussten Anflug eines Lächelns in die Kamera blickt wie weiland der Massimo Lider.



Oder vielleicht doch wie der Grosse Vorsitzende:



So wusste ich schon, wie die Chefin aussah, als ich sie schliesslich vor mir hatte: freundlich, selbstsicher und aufmerksam.

Ich schilderte ihr mein Problem.

„Ich kann Ihnen helfen“; sagte sie. „Aber es ist etwas kompliziert und wird lange dauern.“

Und es wird teuer werden, verdammt!

18
Okt
2007

JETZT

Wenn die Frogg wieder mal Angst hat, dann erinnere ich sie jeweils daran, dass sie lernen muss, jetzt zu leben. JETZT! Dann sagt sie jeweils: „Aha. Ich soll also ein Goldfisch werden“ und zitiert mir aus der Schulabschluss-Rede von Blue van Meer vor:

"People make fun of the goldfish. People don't think twice about swallowing it." ... But: "If you live like a goldfish"... "you can survive the harshest, most thwarting of circumstances. You can live through hardships that make your cohorts - the guppy, the neon tetra - go belly up at the first sign of trouble." ... "The most incredible thing about goldfish ... is their memory. Everyone pities them for only remembering their last three seconds, but in fact, to be so forcibly tied to the present – it’s a gift. They are free. No moping over missteps, slip-ups, faux pas or disturbing childhoods. No inner demons. Their closets are light filled and skeleton free…..» S. 251 aus diesem Taschenbuch:



Zu Deutsch: "Die Leute machen sich lustig über Goldfische. Die Leute zögern nicht, sie hinunterzuschlucken." Aber: " Wenn Du lebst wie ein Goldfisch, kannst Du die härtesten, frustrierendsten Umstände überleben. Du kannst Entbehrungen überstehen, die Deine Kollegen, den Millionenfisch und den Neonsalmler schon beim ersten Anblick dazu bringen würden, mit dem Bauch nach oben zu schwimmen. Das Unglaublichste an Goldfischen ist ihr Gedächtnis. Jeder bemitleidet sie dafür, dass sie sich nur an ihre letzten drei Sekunden erinnern. Aber so unerbittlich an die Gegenwart gefesselt zu sein, ist eigentlich ein Geschenk. Goldfische sind frei. Bei Goldfischen gibt’s kein Trübsal blasen über Fehler, Missgeschicke, Tritte ins Fettnäpfchen oder schlimme Kindheiten. Keine inneren Dämonen. Die Schränke von Goldfischen sind gut beleuchtet und skelettfrei.“ (Übersetzung von mir)

Na prima!

6
Okt
2007

Hyäne, Ratte, Krokodil

Im Moment ist die Angst vor dem Taubwerden meine treueste Begleiterin. Sie ist ein grässliches Vieh. Zu ihren Vorfahren müssen Hyänen und Riesen, Ratten und Krokodile gehören, so schaurig sie sieht aus. Sie lässt mich nur los, wenn ich abends total erschöpft ins Bett sinke. Aber schon fünf, sechs Stunden später faucht sie mich wieder an, bis ich wach bin. Dann haut sie mir Krallen und Zähne in die Magengrube, nagt an meinen Eingeweiden, zerrt mich aus dem Bett und schüttelt mir die Glieder.

Klar, diese Angst hat ihre Berechtigung. Ich habe die Lermoyez’sche Krankheit, sagt mein Ohrenarzt. Und die, so habe ich vor ein paar Tagen im Internet gelesen, greift offenbar häufiger auf beide Ohren über als mein Ohrenarzt glaubt.

Dennoch.

So kann es nicht weiter gehen.

Ich habe beschlossen, dem Vieh etwas entgegen zu setzen. Das Jetzt. Ich meine, JETZT. Gelegentlich, nicht immer, gelingt es mir. Gestern zum Beispiel gelang es mir. In der Nacht auf heute habe ich elf wohltuende Stunden am Stück geschlafen.

2
Okt
2007

Frogg'sches Manifest

Geschätzte Leser, ich entschuldige mich hiermit in aller Form für meinen wehleidigen letzten Eintrag. Eigentlich wollte ich ihn offline setzen, aber unterdessen habe ich es mir anders überlegt. „Warum soll ich nicht über mein Ohrenleiden schreiben?“ fragte ich mich.
Andere Leute haben eine Karriere. Machen aussergewöhnliche Reisen. Ich begann dieses Journal einer Kussbereiten, und was küsste mich ohne zu zögern? Mein Ohrenleiden. Meine beste Freundin Helga, die für jede Lebenslage einen Kommentar von klassischer Schwere hat, hat über dieses Ohrenleiden einmal gesagt: „Also das, das ist ein Schicksal.“ Ich habe es mir nicht ausgewählt, aber Viktor Klemperer hat sich die Nazis auch nicht ausgewählt und sein Leben im Nazistaat trotzdem getreulich dokumentiert.

Mein Ohrenarzt befiehlt mir das Unvermeidliche: Ich solle mich damit abfinden, dass mein Kopf am Morgen dröhnt und sich tiefe Töne aus einer blubbernden Klangsuppe nur zögerlich herausschälen. „So lange sich Ihr rechtes Ohr noch täglich einmal erholt, bleiben wir beim Trental. Wenn das nicht mehr der Fall ist, wechseln wir auf stärkere Medikamente.“ Man kann nicht immer Cortison nehmen. Prognose: immer noch keine. Ich weiss nur eins: Alles ist möglich. Mein Ohrenleiden hat bis jetzt alle Worst- aber auch alle Best Case-Szenarien übertroffen.

Aber seid versichert, geschätzte Leser: Ich will hier nicht jammern. Noch wirkt das Trental. Noch kann ich Musik hören, noch arbeite ich, noch kann ich ohne Probleme mit Herrn T. über die Zeitung von heute diskutieren. Und ich arbeite an meinem Krimi. Ich habe ein Leben, ich habe vor, es zu behalten, und auch darüber werde ich schreiben!

26
Sep
2007

Töne verloren

Schon wieder habe ich meine Tieftöne verloren. Gestern Abend bei meiner Tätigkeit als Nachtschattengewächs. Kurz vor Mitternacht sauste der Computer in meinem Büro nicht mehr. Er blubberte nur noch schwächlich. Vielleicht war Mahmund Ahmadinejad schuld. Er redete ja am gestern Abend beim Uno-Sicherheitsrat in New York verdammt spät. So spät, dass Kollege Apfelesser und ich seine Rede nur noch halbgar und unter höchster Hektik ins Blatt brachten. Nun ja, egal. Ich fürchte, Ahmadinejad interessiert sich nicht für den Zustand meines Gehörs.

Um 1 Uhr morgens war ich zu Hause. Ich zitterte vor Angst und warf ein, was ich in solchen Lebenslagen immer einwerfe: zwei Trental 400.

Über Nacht verschwand das Donnern, und die Töne fanden sich wieder ein. Um 6 Uhr morgens erwachte ich zum fröhlichen Sprudeln meiner Heizung. Aber ich zittere immer noch. Wird das jetzt nie mehr weggehen? Behalte ich mein Gehör jetzt nur noch bei dank der Einnahme hoher Dosen von Medikamenten?

Wer das nie erlebt hat, kann das vielleicht nicht verstehen. Aber ich bete. Ja, ehrlich, ich bete. Ich bete dafür, dass ich einen Weg finde, so überhaupt zu leben.
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Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
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ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
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