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25
Mai
2011

Sommer in Balkonien

Es ist schon Sommer hier. Ich verbringe die Abende am Fenster. Dort schrumpft die Welt und wird so klein wie die Szenen auf dem Balkon gegenüber. Und so unendlich weit wie die Landschaft dahinter. Auf dem Dach links baut sich jeden Abend eine Amsel auf und singt. Sie singt eine Ode an die Stille, eine Hymne an die Ewigkeit.

27
Feb
2011

Tortur im Theater

Herr T. und ich haben in letzter Zeit wieder öfter das Theater besucht. Bühnenkunst statt CSI lautete die Devise.

Uns beide interessieren eher Produktionen aus der freien Szene. Meine neuen Erfahrungen damit waren allerdings ernüchternd. Es scheint, dass Theater dazu da ist, die Lärmverträglichkeit meiner armen Ohren bis zur Grenze zu strapazieren - und meine Fingerfertigkeit im Umgang mit Ohropax zu testen. Das Fazit muss lauten: Zeitgenössisches Theater ist nichts für Meniere-Patientinnen.

Man muss sich einen Theaterbesuch von Frau Frogg so vorstellen: Sobald sie sitzt, stellt sie ihr Hörgerät links ab. Von bitterer Erfahrung gewitztigt, will sie ja nicht, dass vom Hörgerät über Gebühr verstärkte Schallwellen von links auf ihr lärmempfindliches rechtes Ohr treffen. Der Begleiter muss deswegen stets rechts von ihr sitzen, sonst sind kurze Zuflüsterungen gar nicht möglich.

Rechts steckt sie sich stets ein Ohropax. Sie hat gelernt, sich ein Ohropax so einzulegen, dass sie trotz wächsernem Freund im rechten Ohr 100 Prozent hört. Aber sie kann das Stück Wachs in Sekundenbruchteilen so zudrücken, dass es seine volle Wirkung entfaltet - und auf jeder Frequenz 20 Dezibel abdämpft.

Das ist manchmal im Kino nötig. Fast immer aber im Theater. Denn zeitgenössisches Theater mag in der Form sehr frei sein. Doch es hat ein prägendes Schall-Merkmal: Irgendwo im ersten Drittel wird es immer laut, und zwar stets sehr plötzlich. Meistens ist es kein schöner Lärm: Es ist Zuggedonner, es sind elektronisch verstärkte Maschinengeräusche oder es ist einfach elektrisches Feedback. Und immer kommt das Gequietsch gänzlich unerwartet. Zum Finale scheint heutzutage zu gehören, dass man die Zuhörer minutenlang mit Lärm um 90 Dezibel quält. So lange, dass Frau Frogg oft nur noch Sekunden davor steht, die Flucht zu ergreifen. Sie reisst sich dann das Hörgerät aus dem linken Ohr und hält sich mit Schreckensmiene beide Ohren zu. Bei zwei von vier Theaterbesuchen in den letzten beiden Wochen trat dieser Fall ein.

Dann schon lieber CSI als Bühnenkunst, denkt sich Frau Frogg. Da kann man wenigstens selber Lautstärke zurücknehmen. Bis sie am letzten Donnerstag im Zürcher Schauspielhaus Medea sah. Das war phantastisch. In der Sprache erstaunlich modern war die Inszenierung über weite Strecken so still, dass man es hörte, wenn jemand im ausverkauften Haus sich auf seinem Stuhl bewegte.

Medea ist die grosse Tragödie einer Frau, die von ihrem Mann wegen einer Jüngeren verlassen wird. Ihrer masslosen Wut opfert die Heldin ihre Zukunft, ihre Kinder. Sie wird zur Mörderin. Das war viel besser als CSI, weil es menschliche Tragik verständlich macht. Und uns erschauern lässt vor solcher Masslosigkeit, statt nur vor Gruseln über Leichenteile.

Im Zug nach Hause grinste Herr T. dann: "Ja, aber da ist doch diese Szene, in der ein Bote Medea den Todeskampf der jungen Prinzessin schildert - da dachte ich: Das hätten die CSI-Agenten was zu tun!"



Mehr dazu auch bei Herrn T..

26
Feb
2011

Blaubart fast zweisprachig

Die zweite Übersetzungsaufgabe meiner Wiener Blogkollegen nehme ich wohl besser auf einen neuen Eintrag. Der Thread des letzten wird mir sonst zu lang.

blauboad 1

i bin a ringlgschbüübsizza
und hob scho sim weiwa daschlong
und eanare gebeina
untan schlofzimabon fagrom..

heit lod i ma r ei di ochte
zu einen libesdraum-
daun schdol i owa s oaschestrion ei
und bek s me n hakal zaum!

so fafoa r e med ole maln
wau ma d easchte en gschdis hod gem-
das s mii amoe darwischn wean
doss wiad kar mendsch darlem!

i bin a ringlgschbüübsizza
(und schlof en da nocht nua bein liacht
wäu i mi waun s so finzta is
fua de dodn weiwa fiacht..)

Blaubart 1
Ich bin ein Ringelspielbesitzer
Und habe schon sieben Weiber erschlagen
Und ihre Gebeine
Unter dem Schlafzimmerboden vergraben

Heute lade ich mir ein die Achte
Zu einem Liebestraum
Dann stell ich auch ein Orchester ein
und schlage sie mit einer Hacke tot (oder so ähnlich).

So verfahre ich mit allen Mädchen
Weil mir die erste ein ... bitte was? ... gegeben hat
Dass sie mich mal erwischen werden,
wird kein Mensch erleben

Ich bin ein Ringspielbesitzer
Und schlafe in der Nacht nur bei Licht
Weil ich mich wenns so finster ist
Vor den toten Weibern fürchte


von H.C. Artmann, Übersetzung Frau Frogg

So schön gruselig! Dank für die Anregung an MadProfessor. Dank auch an katiza für den Link zur Tonversion. Ohne die hätte ich nie rausgesfunden, was ein "ringlgschbüübsizza" ist.

23
Feb
2011

Rätsel für MadProfessor

Herr MadProfessor hat dieser Tage ein gewisses Interesse an der Übersetzung Schweizerdeutscher Texte ins Hochdeutsche gezeigt. Prompt kam Frau Rockhound auf die Idee, ihm gleich die Meisterprüfung in Schweizerdeutsch abzuverlangen: Es bärndütsches Geschichtli (ds Totemüggerli) von Franz Hohler. Weil die Nummer auch ein köstliches Tondokument hergibt, stelle ich sie hier ein:



Hier gibts den Text auch zum Nachlesen.

21
Feb
2011

Schluss machen

Neulich sass in einem Bus nach jenem Vorort, in dem auch das Café Sarajevo liegt. Das Fahrzeug war fast leer. Hinter mir sassen dem Hören nach zwei Jugendliche. Sagt der eine sehr vernehmlich zum anderen (mit slawischem Akzent): "Hey, wie findsch das: 'Hey, sorry, letschti Ziit isch gsii chli Scheisse. Mier müend Schluss mache. Hed meh mit mier z'tue als mit Dier. Ich ha Angscht zvil Bindig.*" Es klang, als lese er einen selbst verfassten Text von seinem Handy- Display. Er fragte wohl den Kollegen um Rat, ob er das SMS seiner noch-Freundin schicken sollte.

Der andere legte keinen Wert darauf, von den Umsitzenden gehört zu werden. Ich verstand nicht, was er antwortete.

Später sah ich die beiden. Einer der beiden war ein toller Hecht mit umgekehrter Baseball-Mütze auf dem Kopf und einer dicken Kette aus Metallteilen um den Hals. Sein Kollege war kleiner und dicklich. Beide waren keinen Tag älter als 16. Keine Frage, welcher der beiden da SMS vorgelesen hatte.

Wie kommen die Kerle auf solches Zeug?

Als ich ein Teenager war, verkrümelten sich Jungs noch still und verschämt.



*Wie findest Du diesen Text: 'Sorry, letzte Zeit war ein wenig beschissen. Wir müssen Schluss machen. Es hat mehr mit mir zu tun als mit Dir. Ich habe Angst vor zu viel Bindung."

22
Mai
2010

Der erste und der letzte

Das Gehör

Aus: "unerhört" pro audito Schweiz, Schulverlag plus AG, pro audito, Bern, Schutzumschlag

24
Jan
2010

Klirren in der Küche

Es ist unglaublich, wie viele Informationen uns ein einigermassen funktionstüchtiges Gehör liefert. Zum Beispiel neulich gegen Abend:

Ich liege auf dem Sofa und höre Herrn T. in der Küche hantieren. Da klirrt es. Ein Geschirrstück aus Porzellan ist ihm auf den Boden gefallen. Kleider rascheln. Ich glaube, er bückt sich. Kurze Zeit später sagt er: "Zum Glück ist sie nicht kaputtgegangen." Das hätte er mir nicht sagen müssen. Ich habe es bereits gehört. Das war nicht das Klirren berstenden Porzellans gewesen. Sondern das kompakte Scheppern eines ganz gebliebenen Stücks. Ich frage: "War das eine weisse oder eine braune Untertasse?" Denn auch dass da eine Untertasse gefallen ist, hat mir mein Ohr bereits mitgeteilt. Nur Untertassen klirren so satt und kompakt, wenn sie auf den Küchenboden treffen.

Für eine Untertasse war es jedoch ein eher schweres Klirren gewesen. Deshalb vermutete ich, es stamme von einer der massiven, weissen Stücke, die ich in unsere eheähnliche Gemeinschaft gebracht habe. Die brechen auch nicht so leicht. Herrn T.s Espresso-Untertässchen sind dagegen fragile Fliegegengewichte.

Aber da habe ich mich denn doch getäuscht. "Es war eine braune", ruft Herr T. aus der Küche
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Journal einer Kussbereiten

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