10 Songs

18
Feb
2010

Song Nummer 9 1/2

Der Feminismus gehört nicht zu den wichtigen Dingen in meinem Leben, glaubte ich. Ich habe ihm 1997 oder 98 abgeschworen. Als alle über die Dekonstruktion der Kategorie "Geschlecht" zu labern begannen, hatte ich genug. Alles akademischer Quatsch. Ich war keine Studentin mehr. Ich schrieb, ich kam herum. Aber nicht mit Feminismus. Femismus interessierte in meiner Welt keinen mehr. Ich konnte mehr bewegen, wenn ich nicht damit anfing.

Vor meinem Hörsturz, als ich noch gelegentlich am Newsdesk war, verblüffte ich meine jungen Kollegen ab und zu mit feministischen Kurzanalysen irgendwelcher Sachverhalte. Dann grinste Fröhlich, 30 und ein kluger Kerl, zuckt mit den Schultern und sagte: "Siehe da, unsere Hardcore-Feministin!" Das ist alles.

Aber dann entdeckte ich auf der Suche nach meinem Song Nummer 10 dieses Video und musste es einfach zu meiner Essentials-Sammlung stellen (womit es wohl elf Songs werden, denn mit Feminismus kann ich meine Kollektion nicht abschliessen). Ich hatte es in den 80ern nie gesehen. Ich war Studentin und gehörte somit zu einer sozialen Schicht, für die Fernsehen pfui ist. Ich guckte kaum je MTV. Aber das Video hier brachte etwas vom Spirit der 80er und 90er zurück. Da war Pioniergeist und Lebensfreude. Und manches war ein bisschen handgestrickt, aber das war ganz in Ordnung so.



Und der Streifen feiert die Weiblichkeit. Das taten wir Studentinnen damals nicht. Im Leben da draussen war Weiblichkeit nicht so gefragt, glaubten wir. Erst später entdeckte ich sie als taktische Waffe.

Und jetzt habe ich Zeit, sie mit Annie Lennox und Aretha Franklin mitzufeiern.

Ich frage mich bloss, ob Annie Lennox zu Lederhosen wirklich solche Schuhe tragen sollte.

7
Feb
2010

Für den Poeten



Für die Glut in der Nacht und die kalte Asche am Morgen,
Die heisse Luft, die Geistesblitze, die Serviette, die Öde,
Für die Heiligkeit, die Heimlichkeit, die Himmeltraurigkeit,
Für die Grösse, die Sturheit, die Selbstgefälltigkeit

Für Brillianz und Banalität

Für die Tiraden

Die rauchenden Wörterfluten

Für Haut und Haar

Für alles

Amen

1
Feb
2010

Beatles als Boygroup

Die anderen Mädchen standen alle auf die Bay City Rollers. Aber doch nicht die Prinzessin und ich! Uns waren die Bay City Rollers viel zu bieder. Wir waren etwas Besonders. Wir waren Beatles-Fans. Wir waren 12 oder 13, und irgendwann begann sich für uns alles um die Pilzköpfe zu drehen. Die Beatles wurden unsere Boygroup.

Wir organisierten uns gut: Sie schwärmte für Paul McCartney. Ich, die Intellektuelle von uns beiden, für John Lennon. Sie, die Experimentierfreudige, mochte das Album "Sgt. Pepper's".



Ich stand auf "Help".



Die Eltern der Prinzessin hatten einen Hund. Den musste die Prinzessin an schulfreien Nachmittagen Gassi führen. Oft begleitete ich sie. Dann wurde aus dem "Ämtli" meist ein langer Spaziergang. Wir gingen über die Hügel hinter unserer Vorortssiedlung und bauten schottische Luftschlösser. Wir erzählten einander Geschichten, in denen wir John, Paul, George und Ringo trafen und mit ihnen ganz und gar unglaubliche Stories erlebten. In meiner Erinnerung dauern diese Spaziergänge ewig und die Geschichten hören nie auf. Es störte uns nicht im geringsten, dass es die Band seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gab. Unsere Geschichten waren zehnmal besser als die Realität. Und die Musik war ja noch da.

Unsere Enthusiasmus hielt mehrere Jahre an. Als John Lennon 1980 erschossen wurde, war ich 15. (Hier ein lesenswerter Eintrag von nömix zum Thema). Die Prinzessin und ich waren immer noch Beatles-Fans. Natürlich besprachen wir die Sache im Bus zum Gymnasium. Natürlich war das ein Schock. Aber es war ein Schock für Fünfzehnjährige. Viel "Jesses" und "Eia!" Aber das alles war ja weit weg passiert, in New York. Und für uns waren die Vier sowieso fiktive Figuren. Echte Tränen gab es damals keine.

Dann verschwand die Prinzessin von der Bildfläche. Und ich begann andere Bands zu mögen.

Erst als George Harrison 2001 starb, verspürte ich einen Moment lang wirklichen Schmerz.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich hier den Clip zu "Help" bringen soll. Der hätte meine Gefühle als Teenager gut illustriert. Aber dann wurde mir klar, dass die Beatles mehr für mich waren als eine Boygroup. Sie haben für mich den Begriff "Englishness" definiert (noch bevor er überhaupt Eingang in die deutsche Sprache fand). Und das ist nicht nichts. Schliesslich habe ich sieben Jahre meines Lebens dem Studium Englischer Literatur gewidmet. Deshalb hier ein anderer Lieblingssong von mir, der visuell etwas besser auf den Punkt bringt, was ich damit meine: Bobbies und Pferde und Fussgängerstreifen und ein ganz und gar anderes Alltagsdesign:

A day in the life

22
Jan
2010

Teenager-Katastrophe

Kaum etwas kann mich so elektrisieren und so verstören wie die Musik von Jimi Hendrix. Kürzlich einmal ging ich durch den Wald. Ich hörte gerade wieder gut und hatte den MP3-Player am Ohr. Plötzlich blieb ich stehen und starrte entsetzt und entrückt zugleich in den wintrigen Zwischenraum zwischen zwei Bäumen. Die ersten Akkorde von "Voodo Child" waren mir ans Trommelfell getänzelt. Ich hatte den Song lange nicht gehört.



Er legte in Sekundenbruchteilen Erinnerungen frei, die ich gut vergraben hatte. Erinnerungen an eine Katastrophe meiner jungen Jahre.

Es war am Open Air in St. Gallen, 1982. Ich war 17. Ich habe meinen Eltern bis heute nicht erzählt, wie ich überhaupt dorthin und wieder zurück gekommen bin. Ich wollte unbedingt hin, denn die Clique, zu der ich gehören wollte, war dort. Axel war dort.

Axel hatte grüne Augen. Ich kannte ihn von jenem belebten Platz am Fluss, an dem wir uns damals trafen. Wenn er über die Brücke kam, erkannten wir Mädchen ihn unter Hunderten an seinem Gang. Er schritt über den Steg, als würde er im nächsten Moment in die blauen Lüfte entschweben. Keine, die nicht in ihn verliebt war. Axel kiffte und redete gern über schwarze Magie. Alle munkelten, er nehme auch LSD.

Erst schien die Sonne. Ich fand Axel an der Sitter, und wir badeten im Flüsschen. Wir lagen im Gras und küssten uns und er redete wirres Zeug über „Sympathy for der the Devil“ von den Rolling Stones und kritzelte Pentagramme auf Papierfetzen. Er redete noch, als es zu regnen begann. Wir fanden Unterschlupf im Zelt eines Freundes. Es stand am Hügel, und wir hatten Tribünensicht auf die Bühne. Axel redete weiter wirres Zeug. Er war da und doch nicht da.

In der Nacht wurden wir patschnass. Das Zelt leckte genau in der Ecke, in der wir lagen. Das Wasser rann hangabwärts und hinein in meinen Schlafsack. Gegen Morgen verschwand Axel. Es hörte auf zu regnen, und die Sonne trocknete mich. Ich irrte zwischen den Zelten umher und suchte ihn. Ich fand ihn nicht. Niemand hatte ihn gesehen. Abends sorgte ich dafür, dass ich nach Hause kam.

Drei Tage später hörte ich, die Polizei habe ihn am Montag vom Festival-Gelände geholt. Er sei völlig von Sinnen gewesen, habe einen Baum umarmt. Jetzt sei er in der Psychiatrischen Klinik. Diagnose: Schizophrenie.

Im Herbst kam er heraus. Aber im nächsten Sommer war er wieder drin. Als sie ihn an einem Samstag Ende August für ein Wochenende nach Hause entliessen, sprang er aus dem achten Stock. Aus der Wohnung seiner Eltern. Er war sofort tot.

Ich erinnere mich nur noch an eine Band, die damals in St. Gallen aufspielte: jene von Rory Gallagher. Warum ausgerechnet Hendrix mich an diese Geschichte erinnerte? Ich weiss es nicht.

Aber an jenem Tag im Dezember glaubte ich, Axel als Gespenst zwischen den Bäumen zu sehen.

14
Jan
2010

Musik für Arbeitstiere

Plötzlich verbreitete sich der Sound in den Schweizer Bars wie ein Lauffeuer. Kein Szenenrestaurant, wo man in jenem Sommer 1998 nicht Buena Vista Social Club hörte. Die Musik wehte durch die sommerlichen Strassen, warm, süss und südlich. Es war Latino-Sound. Aber er war mehr als das. Er hatte etwas, was ihn unwiderstehlich machte. Vielleicht war es die Slide-Guitar von Ry Cooder. Vielleicht das schiere Glück dieser aus dem Elend Kubas zurück ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit geholten Musiker.



Frau Frogg wollte sich das Album erst gar nicht kaufen. Sie hatte gerade wieder Liebeskummer, und den Sound hatte sie zum Erstenmal mit dem Verflossenen (es war Nummer Fünf) gehört. Aber die Musik war sowieso allgegenwärtig. Und unwiderstehlich. Mein Lieblingssong wurde "El carretero". Ich habe kein Video zum Einbetten gefunden, aber hier ist ein Link. Schaut ihn Euch an! Hört Euch das Lied an. Es ist toll. Und der Streifen hat Untertitel. Ihr werdet besser verstehen, warum ich ausgerechnet diesen Song gewählt habe.

Ich war 33, single, und ich hatte einen guten Job bei einer auflagenstarken Wochenzeitschrift. Nennen wir sie "brav & bieder". Es war nicht mein Traumjob. Aber ich hatte Leser, ich hatte was zu melden und ich verdiente zum Erstenmal richtig Geld. Ich arbeitete hart, ich war in einer grossen Stadt. Ich hatte viele Kolleginnen. Wir arbeiteten alle hart, aber in meiner Erinnerung hatten wir viel Zeit, in Bars herumzuhängen. Wir waren selbstbewusst. Cool. Wir waren Frauen, die etwas zu sagen hatten und die Worte dafür zu wählen wussten. Wenigstens, wenn wir unter uns waren.

Als ich einmal in den Süden fuhr, kaufte ich ein leuchtend oranges Strandkleid. Wenn ich diesen Song höre, dann sehe ich mich immer aus unserem Büro kommen. Wie in einem Traum. Es ist Feierabend, ich bin müde. Es ist heiss. Ich trage mein oranges Strandkleid. Ich stehe an der Autobahnauffahrt vor unserem Büro und warte, bis es grün wird. Ich bin voller Hitze und voller Leben.

Der Song spielt auf dem Land und dreht sich um die bescheidenen Hoffnungen eines jungen Bauern. Für mich wurde er zum Song eines Mädchens, das sich in der Stadt eine Namen als Profi machen will.

Es war eine gute Zeit. Vielleicht die beste.

9
Jan
2010

In der Frostnacht verglüht

Frau Frogg's immer noch dünnes Nervenkleid ist in den letzten Tagen massiven Temperaturschwankungen ausgesetzt gewesen. Schuld ist, wie immer, ihr Ohrenleiden. Immerhin: Nebst furchtbaren Zuständen beschert es ihr auch grosse Glücksmomente. Etwa am Donnerstag: Gegen Mittag überwand sie ein nicht unebträchtliches Tief. Sie hörte prima. Sie triumhierte: Sie fühlte sich stark, glaubte an einen dauerhaften Sieg gegen die Krankheit. Abends lud ich mir diese uralte Blues-Scheibe herunter (Ein Spontanbesuch hatte mich mit einem Kommentar auf die Spur des Songs gebracht):



Ich hörte ihn mindestens viermal hintereinander. Was für eine Stimme! Um was für verlorene Wonnen muss ein Mensch wissen, der so singen kann! Blind Willie Johnson. Seine himmeltraurige Lebensgeschichte. Ein grosser Musiker, und doch immer mausarm. Zuletzt Strassenmusiker. Als er Mitte 40 war, brannte sein Haus ab. Er hatte kein Geld, woanders hinzuziehen. Also wohnte er weiter in der Ruine. Als es Winter wurde, bekam er eine Lungenentzündung und starb. Verglüht in frostiger Nacht.

Frau Frogg dagegen schlüpfte abends glücklich ins warme Bett und wusste: "Morgen werde ich wieder Musik hören."

Aber am Freitag hatte ich einen weiteren Absturz. An Musikhören war nicht einmal zu denken. Bis abends bewahrte sich Frau Frogg wenigstens eine intakte Kampfmoral. Aber als sie in der Dunkelheit noch einmal allein hinaus auf die frisch beschneite Strasse musste, war es auch damit vorbei. In ihren Ohren dröhnte es. In ihrem Herzen schrie die Angst. Sie trägt hundert Fratzen. Sie redet von Arbeit und von Stress und von Taubheit.

Aber im Grunde ist es die Angst, in frostiger Nacht zu erfrieren.

Am Samstagmorgen war dann wieder alles ok. Der Absturz kam erst am Mittag. Und er war tief.

Heute Morgen? Alles ok. Ich höre ich wieder Blind Willie Johnson.

6
Jan
2010

London Calling

Mein rechtes Ohr hat seinen neuesten Krieg gegen mich beendet. Ich kann wieder Musik hören. Doch ich gebe mich der Verzückung zögernd hin. Vielleicht brauche ich meine Kräfte ja bald wieder, um neues Ungemach auszuhalten.

Da passt es, dass ich Euch diesmal ohnehin einen Song bringen wollte, den ich als Song eigentlich nie so richtig gemocht habe. Okay, die ersten Akkorde haben etwas Elektrisierendes. Sie klingen wie zerberstende Fensterscheiben. Doch den Rest fand ich immer etwas schleppend. Schlecht tanzbar. Zwar wurde die Platte vor 20 Jahren landauf und landab in jeder Disco gespielt, die ein Gramm politisches Bewusstsein hatte. Aber im Grunde verstanden in der Schweiz die wenigsten den Pogo, den man dazu hätte tanzen müssen.

Dennoch gehört der Song unbedingt in meine Sammlung der 10 unentbehrlichen Songs. Er war der Protestsong meiner Generation.

This is:



Unser politisches Bewusstsein von damals war einfach gestrickt: Hier waren wir, jung, links, idealistisch und auf der richtigen Seite von Moral und Wahrheit. Wir wollten etwas. Wir wollten vor allem Lokale für unsere Konzerte, so genannte alternative Kulturräume. Unsere Gegner waren jene, die uns die Räume nicht herausrücken wollten. Die bürgerlichen Kapitalistensäcke, die kalten Krieger, die Faschos.

Wir kannten vor allem ein Kampfmittel. Wir demonstrierten. Wir demonstrierten viel. Für das Zaffaraya und die Reitschule in Bern. Für die Boa in Luzern.

Rückblickend bin ich stolz darauf, dass es in unseren Reihen Leute gab, die mehr konnten als demonstrieren. Solche, die Chancen schaffen, packen und entwickeln konnten. Es muss sie gegeben haben. Sonst hätten die Reithalle und das Zaffaraya nie so lange existiert. Und was die Boa betrifft: Die hat sich... sagen wir... weiter entwickelt.

Frau Frogg gehörte eher zu den Verträumten unter den Demonstranten. Und wenn sie "London Calling" hört, denkt sie heute auch gern an das London der achtziger Jahre. An Bahnfahrten durch die Millionenstadt, die sich still dem Verfall anheim gegeben zu haben schien. Wie hat sich diese Stadt in 20 Jahren aufgemotzt! Unglaublich! Sie denkt an Margaret Thatcher. An English, ihren Grosskapitalisten-Kumpel. Auch er war damals ein junger Linker. Dieses Plakat hing in seinem Wohnzimmer:

2
Jan
2010

Einstweilen keine Songs mehr

Die Rubrik 10 Songs ist wegen akuter Gehörschwäche bis auf weiteres sistiert. An Musik will ich im Moment gar nicht erst denken.

30
Dez
2009

Der Song, der mir das Leben rettete

Erst wollte ich heute nicht weiterfahren mit meiner Serie "10 Songs". Denn mein gutes Ohr ist wieder abgestürzt. Es ist nicht so schlimm wie vor einem Monat. Aber es reicht für ein Cortison-Tabletten. Und dafür, dass Gitarren falsch klingen, Stimmen seltsam körnig und Bässe flachgequetscht (oder gar nicht).

Doch man soll sich nicht ins Bockshorn jagen, lassen, sagt jeweils Herr T. Ausserdem hatte ich für diesen Beitrag schon ein YouTube-Video getestet. Gestern hörte es sich ganz gut an. Hier ist es deshalb trotzdem. Für Euch:



Die ganze Wucht dieses Songs traf mich im September 1995. Ich war gerade dabei, den Liebeskummer jenes Sommers zu überwinden. Da wurde eines Nachmittags klar: Journalistinnen-Greenhorn Frogg war in die Wirren einer Zeitungsfusion geraten. Man schenkte mir schnell reinen Wein ein: Per Ende Jahr würde mein Job nicht mehr existieren. Der erste Job, auf den ich stolz war. Es herrschte Wirtschaftsflaute. Es war hart.

Ich bin kein Mensch mit angeborener Zuversicht und sorgsam gefördertem Selbstvertrauen. Ich sah schwarz für die Zukunft. Ehrlich gesagt: Ich war am Rande eines Nervenzusammenbruchs.

Ich wohnte damals in einer Vierer-WG (meiner letzten, ich war ja schon 30). Da waren Nina, Lora und Andreaszwei. Eines Abends legte Lora diese CD auf.



Wir hörten "I schänke Dir mis Härz". Eine Offenbarung. Der beste Schweizer Song, den ich je gehört hatte. Dieser Sound. Dieser verhaltene Takt. Dieser Blues. Das war genau der Blues, den ich selber hatte. Und der Text? Naja... dem Typen im Song ging es ja irgendwie wie mir. Da war ich, naiv, in einem Spiel beschissen, dessen Regeln ich nicht kannte.

Der Song wurde der Soundtrack der langen WG-Abende jenes Herbstes. Und meine WG rettete mir damals das Leben. Mehr als einmal.

Tja. Wie es mit dieser Rubrik weiter geht, weiss ich noch nicht. Die meisten Songs habe ich beisammen. Und eigentlich bin ich fest entschlossen, auch noch über sie zu schreiben. Aber ehrlich gesagt: Wenn ich sie selber nicht hören kann, habe ich keine Lust. Wir werden sehen.

28
Dez
2009

Liebeskummer an der Aare

Fast schon mit Bestürzung stelle ich fest: Es gibt Songs, zu denen keine YouTube-Videos greifbar sind. Zum Beispiel zu Aare von Stiller Has. Das bedaure ich. Denn das Phänomen Stiller Has lässt sich audiovisuell am besten begreifen. Leider gibt es auch keine anderen brauchbaren YouTube-Videos zu den frühen Has-Zeiten mit Balts Nill. Deshalb muss ich Euch diesmal mit einem Link zu einer Hörprobe abspeisen.

Hört sie Euch an und stellt Euch Frau Frogg vor, im Jahre 1995, an einem Open Air. Vorne auf der Bühne lässt Balts Nill die ersten Takte von "Aare" erklingen. Dann hebt Endo Anaconda an zu diesem durchaus satirisch gemeinten Song über Berner Zustände. Doch die Frogg hört keine Satire, sondern nur abgrundtiefe Melancholie. Ihr wogt das Augenwasser über. Mächtig. So mächtig wie die Fluten der Aare im Frühling zuvor. Sie hatten, braungrau, das Berner Mattenquartier überschwemmt. Auch das Strässchen, das zur Wohnung von Michelangelo führte. Michelangelo. Dieser furchtbar komplizierte Realität gewordene Traummann. Die Aare, die träge an seinem Haus vorbeifloss. Wie grün sie war. Wie still sein Zimmer. Wie rot sein Bettzeug.

Der Song ging weiter, und die Tränen von Frau Frogg flossen in Strömen. Denn die Liebe zu Michelangelo war nur zwei, drei Wochen zuvor zerbrochen. Das war eine Tragödie, das Ende einer Epoche. Ich war 30. Meine Zukunft ungewiss.

Mit fünfzehn Jahren Zeitabstand ist das alles viel weniger schlimm. Er war ja nur Liebe Nummer Vier oder - je nach Zählart - Fünf oder Sechs. Eine Liebe mit schlechten Karten, schlecht gespielt. Auch von mir. No hard feelings. Später habe ich Stiller Has noch ein paarmal gesehen, mit Liebe Fünf. Wir haben uns göttlich amüsiert.

Aber wenn ich "Aare" höre, dann stehe ich wieder und wieder in diesem Moment, in dem mir die Tränen hochwogen.
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Freni - 28. Nov, 20:21
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Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
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auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

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Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

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