21
Feb
2012

Allein beim Mittagessen

Normalerweise gehe ich ja zum Mittagessen in die Cafeteria und treffe dort meine Kollegen. Aber im Moment bin ich extrem schwerhörig. Zuerst dachte ich ja: "Ich sage das den Leuten. Dann reden sie laut und deutlich und es geht schon irgendwie." "Ich werde mich nie isolieren", dachte ich. "Ich werde weiter am Leben teilnehmen." Aber die Realität erweist sich als unendlich viel komplizierter als ich erwartet habe. Ich könnte hier Bandmeter von Konversationsanalysen vorlegen, die allenfalls Linguisten interessieren würden. Dem Laien sage ichs in einem Satz: Ich kann es (noch) nicht.

Heute habe ich in der Betriebskantine still mein Salätchen geschöpft. Dann bin ich mit dem Teller in der Hand in mein kleines Büro zurückgeschlichen. Dort habe ich allein gegessen.

Es war eine Kapitulation.

Falls jemand hier mitliest, der wirklich weiss, wovon ich spreche: Ich bin dankbar für Tipps, wie man sich als Schwerhörige seinen Platz am Kollegentisch zurückholt.

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walküre - 21. Feb, 20:00

Verstehe ich richtig: Sie haben sich selber zurückgezogen, nicht die Kollegen haben Sie ausgeschlossen ? Hm.

diefrogg - 22. Feb, 10:14

Ja, Sie haben...

richtig verstanden. Und jetzt bitte ich Sie um Zurückhaltung.
steppenhund - 21. Feb, 23:23

Also ich kann es nicht nachvollziehen. Ich weiß nicht, ob ich es könnte und ob es funktionieren würde. Doch ich würde mich daran machen, das Lippenlesen zu lernen. Das wird nicht einfach sein. Aber dann ist es schon leichter zu sagen: "bitte sprechen Sie deutlich, dass ich Sie verstehen kann."

diefrogg - 22. Feb, 10:11

Herr Steppenhund...

Ich habe geschrieben, ich nehme gerne Ratschläge von Leuten im Empfang, die WISSEN, was ich meine! Danke trotzdem für Ihre Ratschläge. Ich werde die Analyse eines Gesprächs nachliefern müssen, damit Sie eine Ahnung davon bekommen, was ich meine. Ich bitte Sie jetzt schon darum, dann aufmerksam zu lesen.
steppenhund - 22. Feb, 12:42

Ich habe einmal einen Hörsturz gehabt. Der passierte in Moskau und ich war entsprechend panisch. Die restlichen Tage in Moskau und der Flug nach Wien war unheimlich. Ich musste mir alles Wesentliche aufschreiben lassen. Damals hatte ich ein paar Tage Zeit, mir zu überlegen, wie es weiter gehen würde. Den Verlust der Musik stellte ich mir als unerträglich vor.
Ich weiß nicht, was Sie mit WISSEN meinen. Ich habe einige Male hier bei ähnlichen Postings keinen Kommentar abgegeben, weil ich die mögliche Verzweiflung nur erahnen konnte. Diese Antwort von Ihnen ist mir vollkommen unverständlich. Ich stelle fest, dass ich nicht als Lesender gemeint sein kann.
diefrogg - 22. Feb, 15:58

Herr Steppenhund...

Ich weiss: Meine Reaktion war vielleicht etwas impulsiv. Sie können ja nicht wissen, wie oft ich in den letzten Tagen "Bitte sprechen Sie deutlich, damit ich Sie verstehen kann", gesagt habe. Auch weiss ich sehr wohl, dass ich Lippen lesen lernen muss. Ich übe bereits, abends vor dem Fernseher. Ich habe den Startvorsprung eines abgeschlossenen Linguistik-Studiums. Ich weiss daher schon mal grundsätzlich, wie Laute im Mund gebildet werden. Doch meine Übungen haben mir bis jetzt vor allem eins gezeigt: Wenn ich schon bei Tagesschau-Sprechern kaum etwas ablesen kann, dann wird es Jahre brauchen, bis ich so viel Lippenlesen kann, wie ich eigentlich sollte. Und zuerst muss ich jetzt mal noch ungefär 1786 andere Probleme lösen - zm Beispiel, wie ich in einem Job ohne Telefon funktioniere, in dem ich eigentlich telefonieren sollte.

Ich wusste nicht, dass Sie schon einmal einen Hörsturz gehabt haben - das lässt die Situation etwas anders aussehen.

Im Übrigen habe ich ja andernorts schon erwähnt, dass mein Geduldsfaden in diesen Tagen gelegentlich etwas rissig ist - und dass es auch mal die Falschen erwischt. Betrachten Sies als Beispiel dafür und haben Sie bitte die Geduld eines Gesunden mit mir!
punctum - 22. Feb, 11:49

Die sehr schwerhörige Freundin, von der ich erzählte, kann oft dem Gespräch in größeren Runden nicht folgen. Manchmal ist sie dann still und zurückgezogen und wirkt dabei auch sehr alleingelassen, oft macht sie es aber so, dass sie in die Offensive geht und dann den Nächstsitzenden direkt anspricht - wenn sie das Gesicht unmittelbar vor sich hat, versteht sie auch alles. Wichtig wäre ein bisschen Rücksichtnahme der anderen, aber das lernen die vielleicht auch im Lauf der Zeit.

diefrogg - 22. Feb, 17:46

Ja, darauf verlasse...

ich mich. Dass das für alle ein Lernprozess ist - und dass auch alle ihn durchlaufen werden, früher oder später. Und darauf, dass ich irgendwann meinen Humor wiederfinde. Zum Thema "Nachfragen oder Schweigen?" übrigens ein sehr interessanter Beitrag von Susanne.
Falkin - 22. Feb, 12:34

Es ist Ihr Blog und Sie haben das Hausrecht,

dennoch wage ich nachzufragen...

die Kommunikationsprobleme bestehen doch zwischen Ihnen und Hörenden? Ist es da nicht sinn-voll, gemeinsam die Schwierigkeiten zu kanalisieren und Lösungen zu finden? Ich würde von einer aus welchen Gründen auch immer einer Kommunikation nicht folgen könnenden Kollegin wissen wollen, an welcher Stelle sie der Kommunikation nicht folgen kann, warum nicht, wie ich es verbessern kann, um meinen Anteil entsprechend zu optimieren. ...statt nur einfach hilflos dieser mir ungewohnten Situation ausgeliefert zu sein und auf das Gespräch mit einer mir lieben Person verzichten zu müssen. Von Ihrer Schwerhörigkeit ist auch Ihr Umfeld betroffen und weiß evtl garnicht, wie es auf Sie zugehen und sich mit-teilen kann, ohne Sie zu verletzen?! Für das Umfeld sichtbar ist doch nur der sicher nachvollziehbare, indes evtl alle verletzende und von niemand tatsächlich gewünschte Rückzug?!

Ich finde es gut, dass Sie offensiv nach kommunikativen ausWegen suchen. Auch stelle ich mir diese besitzergreifende Schwerhörigkeit ungemein schwer vor. Für die Psyche, die eigene Identität, aber auch alle erlernten und bewährten Abläufe. ..und wünsche Ihnen ganz viel Kraft im Finden von bereichernden Lösungen!!

diefrogg - 22. Feb, 19:09

Wissen Sie, liebe Frau Falkin...

Etwas vom Schlimmsten ist für mich im Moment, dass alle so genau zu wissen scheinen, was ich tun müsste und was für mich gut wäre.

Es hängt auch damit zusammen, dass ich sehr genau wüsste, was mir guttäte. Aber genau das kann ich mir nicht verschaffen. Da erschöpft es mich umso mehr und macht mich umso wütender, wenn mir noch jeder vorhalten will, was ich jetzt alles könnte, müsste und sollte.

Kommunikationsprobleme kann man lösen - mit Leuten, die willens dazu sind. Wer dazu willens ist und wer nicht - das finde ich jetzt gerade heraus. Wenn ich dazu genügend Energie habe. Im Moment habe ich sie nicht.

Aber danke für die guten Wünsche.
sunsan2 - 22. Feb, 20:25

Liebe Frau Frogg,

mein Mitgefühl - im wahrsten Sinne des Wortes - ist dir sicher. Ich weiß wovon du sprichst. Mir fällt nicht viel dazu ein, als vielleicht ein kleiner Trost: Es gibt Tage, da geht es bei mir mit dem Verstehen auch in lauten Umgebungen verwunderlich gut. Manche Stimmen sind "einfach" auch besser zu verstehen. Zudem kann sich das Sprachverstehen in Stresssituationen gewaltig verschlechtern. Bei Hörtests sind das mitunter 20 Dezibel! Das ist eine Verzehnfachung!

Ich wünsche dir, dass du viel Energie tanken kannst.

Alles Liebe für dich
Susanne

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