Frage
Texte wie jenen von Ruth Schweikert von neulich nenne ich gern ein wenig verächtlich "Sonntagspredigten für Kaderleute". Aber dieser hier hat sich als besonders stimulierend erwiesen. Seit Tagen frage ich mich: Was muss man im Leben erreichen? Reicht es vielleicht doch, wenn man Mahlzeiten für Obdachlose kocht und einen heroischen, aber schier aussichtlosen Kampf gegen die Kakerlake führt?
diefrogg - 29. Mai, 19:11
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steppenhund - 29. Mai, 22:20
Ich habe erst bei der Grabrede des Pfarrers bei der Grablegung meiner Mutter gelernt, einiges zu akzeptieren. Sicher, ich habe sie gern gehabt. Die emotionelle Bindung war aber zu meinem Vater viel größer. Warum das so war? Ich hatte den Eindruck, dass ich für meine Mutter nur Leistungsträger war, etwas auf das sie stolz sein konnte. Bei ihrem Bruder war es ähnlich. Ich habe jetzt meinen Cousin wieder getroffen und er hat mir erzählt, wie er darunter gelitten hat. Die eigentliche Quelle war meine Großmutter, die ich eigentlich sehr mochte. "Der Hansi hat wieder einen Einser bekommen." So wurde die Rivalität zwischen den Familien der Geschwister gesät. Wir hießen beide Hansi. Es funktionierte also auch in beiden Richtungen.
Es war also nicht so, dass ich nur geliebt wurde, weil ich gut war. Das nur konnte man vielleicht weg lassen. Aber ich habe das "nur" mein ganzes Leben lang empfunden. Das Leistungsbewusstsein habe ich nie mehr ablegen können. Ich war stolz, als ich mit 56 das erste Mal meinem Chef sagen konnte: Das Projekt habe ich in den Sand gesetzt. Ist so. Das hätte ich mir früher nie zugestanden.
Nach der langen Vorrede kommt jetzt aber die Antwort. Was habe ich bei der Grabrede gelernt? Man darf Menschen nicht danach beurteilen, was sie tun, sondern nach dem, was sie aus sich gemacht haben? Ob sie das getan haben, was sie tun konnten.
Vielleicht ist für einen ehemaligen Mörder genau dieses Leben das Optimum, was er erreichen kann.
Das gilt sicher nicht für jeden Menschen. Daher braucht auch nicht jeder Aussteiger zu sein.
Aber (da kommt wieder mein Leistungsbewusstsein zum sprechen) man sollte versuchen, das Beste aus sich zu machen. Die Ziele nicht zu klein, zu bequem setzen. Wenn die Ziele richtig gesetzt sind, ermöglicht jedes Erreichen ein Glücksgefühl. Das gilt für die kleinen so wie die großen Ziele.
Mein Vater hat beim Klavierspielen immer gesagt: es kommt nicht darauf an, wie schwer das Stück ist, dass Du spielst. Wie gut Du es spielst, zählt.
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Ist das eine Antwort?
Es war also nicht so, dass ich nur geliebt wurde, weil ich gut war. Das nur konnte man vielleicht weg lassen. Aber ich habe das "nur" mein ganzes Leben lang empfunden. Das Leistungsbewusstsein habe ich nie mehr ablegen können. Ich war stolz, als ich mit 56 das erste Mal meinem Chef sagen konnte: Das Projekt habe ich in den Sand gesetzt. Ist so. Das hätte ich mir früher nie zugestanden.
Nach der langen Vorrede kommt jetzt aber die Antwort. Was habe ich bei der Grabrede gelernt? Man darf Menschen nicht danach beurteilen, was sie tun, sondern nach dem, was sie aus sich gemacht haben? Ob sie das getan haben, was sie tun konnten.
Vielleicht ist für einen ehemaligen Mörder genau dieses Leben das Optimum, was er erreichen kann.
Das gilt sicher nicht für jeden Menschen. Daher braucht auch nicht jeder Aussteiger zu sein.
Aber (da kommt wieder mein Leistungsbewusstsein zum sprechen) man sollte versuchen, das Beste aus sich zu machen. Die Ziele nicht zu klein, zu bequem setzen. Wenn die Ziele richtig gesetzt sind, ermöglicht jedes Erreichen ein Glücksgefühl. Das gilt für die kleinen so wie die großen Ziele.
Mein Vater hat beim Klavierspielen immer gesagt: es kommt nicht darauf an, wie schwer das Stück ist, dass Du spielst. Wie gut Du es spielst, zählt.
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Ist das eine Antwort?
diefrogg - 30. Mai, 20:04
Ja, das ist eine Antwort.
Eine, die jede Menge neue Fragen aufwirft. Ich bin nämlich gerade dabei, mir meine Ziele relativ bequem zu setzen. Ich meine, wem bin ich es schuldig, mir unbequeme Ziele zu setzen? Meinen Eltern, die jedes ihrer Kinder gern als Weltstar gesehen hätten und doch nicht anders konnten, als sie zur Bescheidenheit zu erziehen? Oder gibt es einen fernen Herrgott, der mir Talente mitgab und mir vor der Geburt ins Ohr flüsterte: "Aber vergeude sie nicht!" Und wenn ja: "Was heisst vergeuden?" Und wenn es ihn gibt: Warum lässt er mich jetzt vielleicht taub werden?
Wie kann man in einer solchen Situation das beste aus sich machen? Sich die richtigen Ziele setzen?
Wie kann man in einer solchen Situation das beste aus sich machen? Sich die richtigen Ziele setzen?
walküre - 30. Mai, 21:14
Indem man Schicht für Schicht alles entfernt, was einem während seines Lebens eingeredet wurde, ohne dass man selber davon überzeugt war (Wovon man selber überzeugt ist, muss einem ohnhin niemand einreden). Es ist ganz erstaunlich, was da so alles zutage kommt - und ein sehr befreiender Vorgang, wenngleich es quälende Momente der Erinnerung geben kann. Und je näher Sie sich selbst kommen, desto besser werden Sie erkennen, was Sie wirklich wollen.
diefrogg - 31. Mai, 21:32
Manchmal...
möchte ich nichts anderes tun, als hier sitzen und Musik hören. Aber das ist wohl nicht das, was Sie gemeint haben, Frau Walküre ;)
walküre - 1. Jun, 14:08
Was ich geschrieben habe, klingt teils zu aktiv, stelle ich grad fest. Es gibt auch Zeiten, in denen man "nur" sitzt und Musik hört oder liest oder malt oder wasauchimmer, und währenddessen fällt scheinbar ganz von selber eine der Schichten ab. Wenn Sie sitzen und Musik hören möchten, dann tun Sie es doch ! Es ist ja genauso gut möglich, dass dieses Entspannen genau das ist, was Sie nach Jahren in einem stressigen Beruf brauchen. Vielleicht kann man meinen Rat auch so zusammenfassen:
Hören Sie auf Ihr Herz..
Hören Sie auf Ihr Herz..
Wüstenfuchs - 1. Jun, 10:04
Da schliesse ich mich Frau Walküre an. Je mehr man an den eigenen Kern kommt, um so mehr nähert man sich dem Glück an. Denke ich. Ich glaube dass es am besten für einen selber ist, wenn man dem folgt, dass man wirklich gerne tut. Und das herauszufinden ist gar nicht einfach. Da kommen einem dauernd Erwartungen und Ueberzeugungen in die Quere, über deren Herkunft man sich meistens keine Rechenschaft ablegt. Wie Frau Walküre sagt, muss man diese Schicht für Schicht abtragen, um an das Eigene zu kommen. Insofern ist das zu tun, das man wirklich gerne macht, vielleicht eine "bequeme" Zielsetzung, aber ich bin überzeugt, dass man auf diesem Weg ebenso alles lernen kann, wie auf dem Weg der sogenannt ehrgeizgen Zielsetzungen.
diefrogg - 1. Jun, 12:59
Pardon, aber...
das ist mir zu einfach. Ich habe 15 Jahre lang getan, was ich gerne tue. Tagtäglich, stundenlang und wieder tagtäglich und stundenlang. Ich habe buchstäblich bis zum Brechreiz das getan, was ich gerne tue. Nein, nein, so einfach ist es nicht!
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