Wer möchte denn jung sein?
Es war in unseren Ferien im Oktober. Wir sassen im Garten eines Grottos im Tessin. Die Sonne schien, und vor uns dampfte eine köstliche Polenta.
Am Steintisch neben uns sassen zwei Biker aus der Deutschschweiz, Früh- oder Mittfünfziger, gut in Form. Ihr sportliches Pensum hatten sie absolviert. Jetzt brachte Kellnerin das zweite Halbeli* Merlot.
Die gaben mit ihren Söhnen an, die an der Uni waren. Erzählten von ihren Frauen, von denen eine zwei Halbtage pro Woche beim Arzt um die Ecke arbeitete. Von ihren Häusern, die die eine oder andere Reparatur benötigten.
"Und im Geschäft? Wie läufts?" fragte derjenige im roten Trikot. Er fragte mit hohen Erwartungen, ich konnte es sehen. Sein Gegenüber in Gelb war der Platzhirsch. Aber der Wein brachte die Wahrheit auf den Tisch.
"Jaa, das ist ein bisschen schwierig im Moment", sagte der Gelbe. "Wir hatten ja immer den Ruf, gute Qualität zu bieten. Das hat jetzt 20 Jahre lang funktioniert. Aber, ehrlich, das ist vorbei. Heute will kein Mensch mehr Qualität. Wer zahlt schon 20 Euro für Qualität, wenn Dir einer in Kasachstan den Job für 2 Euro macht?"
"Aber das ist doch Ramschware!" sagt der Rote.
"Klar. Wenn ich mir dieses Zeug ansehe, stehen mir die Haare zu Berge - aber dem Kunden ist doch das egal! Der bastelt dann halt selber noch ein bisschen. Denkt doch jeder: Ja, also, das da, das kann ich auch selber zurechtbiegen. Und das da... das merkt doch sowieso keiner."
"Hm", sagte der Rote.
"Also, weisst Du: Manchmal denke ich, ich wäre froh, ich wäre ein paar Jahre älter." Sagt der Gelbe.
Seltsam, denke ich. Wir haben doch angeblich einen Jugendwahn hierzulande. Und dann sagt einer so etwas. Und ich muss sogar gestehen: Ich habe etwas Ähnliches auch schon gedacht. Denn ehrlich: Wir sehen ja alle gerne jung aus. Aber nochmals jung sein? Nochmals von vorne anfangen? Und das heutzutage? Das heisst doch nur arbeiten, arbeiten, arbeiten und sich dazu auch noch ein Leben auf die Beine stellen. Die Alten aber: Die sitzen im wohlverdienten Ruhestand. Keiner stellt denen unbequeme Fragen über den Geschäftsgang. Wir aber stehen dazwischen. Zu jung, um in Rente zu gehen. Alt genug, um uns über unverbrauchte Konkurrenz Sorgen zu machen.
* einen halben Liter offenen Wein
Am Steintisch neben uns sassen zwei Biker aus der Deutschschweiz, Früh- oder Mittfünfziger, gut in Form. Ihr sportliches Pensum hatten sie absolviert. Jetzt brachte Kellnerin das zweite Halbeli* Merlot.
Die gaben mit ihren Söhnen an, die an der Uni waren. Erzählten von ihren Frauen, von denen eine zwei Halbtage pro Woche beim Arzt um die Ecke arbeitete. Von ihren Häusern, die die eine oder andere Reparatur benötigten.
"Und im Geschäft? Wie läufts?" fragte derjenige im roten Trikot. Er fragte mit hohen Erwartungen, ich konnte es sehen. Sein Gegenüber in Gelb war der Platzhirsch. Aber der Wein brachte die Wahrheit auf den Tisch.
"Jaa, das ist ein bisschen schwierig im Moment", sagte der Gelbe. "Wir hatten ja immer den Ruf, gute Qualität zu bieten. Das hat jetzt 20 Jahre lang funktioniert. Aber, ehrlich, das ist vorbei. Heute will kein Mensch mehr Qualität. Wer zahlt schon 20 Euro für Qualität, wenn Dir einer in Kasachstan den Job für 2 Euro macht?"
"Aber das ist doch Ramschware!" sagt der Rote.
"Klar. Wenn ich mir dieses Zeug ansehe, stehen mir die Haare zu Berge - aber dem Kunden ist doch das egal! Der bastelt dann halt selber noch ein bisschen. Denkt doch jeder: Ja, also, das da, das kann ich auch selber zurechtbiegen. Und das da... das merkt doch sowieso keiner."
"Hm", sagte der Rote.
"Also, weisst Du: Manchmal denke ich, ich wäre froh, ich wäre ein paar Jahre älter." Sagt der Gelbe.
Seltsam, denke ich. Wir haben doch angeblich einen Jugendwahn hierzulande. Und dann sagt einer so etwas. Und ich muss sogar gestehen: Ich habe etwas Ähnliches auch schon gedacht. Denn ehrlich: Wir sehen ja alle gerne jung aus. Aber nochmals jung sein? Nochmals von vorne anfangen? Und das heutzutage? Das heisst doch nur arbeiten, arbeiten, arbeiten und sich dazu auch noch ein Leben auf die Beine stellen. Die Alten aber: Die sitzen im wohlverdienten Ruhestand. Keiner stellt denen unbequeme Fragen über den Geschäftsgang. Wir aber stehen dazwischen. Zu jung, um in Rente zu gehen. Alt genug, um uns über unverbrauchte Konkurrenz Sorgen zu machen.
* einen halben Liter offenen Wein
diefrogg - 4. Dez, 17:39
2 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks