10
Mai
2010

Katastrophen-Stimmung

Am Samstag skypten wir mit dem Tigerbruder. Er wohnt seit 20 Jahren in Amerika. Arbeitet als freier Mitarbeiter für Blätter, deren Namen ich nur mit einer gewissen Ehrfurcht über die Lippen bringe. "Arbeitest Du jetzt immer noch bei diesem Käseblatt?" pflegte er wegen meiner bescheidenen Stellung im Leben mit mir zu frotzeln.

Aber diesmal sind die Nachrichten nicht gut. Die Krise hat den amerikanischen Blätterwald flachgelegt, die fetten Budgets für freie Mitarbeiter sind weggebrochen. Im Moment bringt Frau Tigerbruder die kleine Familie mit ein bisschen Hausfrauen-Immobilienhandel durch.

"Hier fühlt es sich allmählich an, als würde die Welt von allen Seiten her zusammenbrechen", sagt der Tigerbruder

Denn da ist ja noch die Ölkatastophe im Golf von Mexiko. "Hier sind nicht einmal anständige Nachrichten über das Ding zu haben", sagt der Tigerbruder, "Seit Tagen versuchen sie uns zu erklären, wie viel Öl da täglich ausfliesst. In Gallons. Und wenn Du glaubst, Du hast endlich den Durchblick, dann wechseln die Masseinheit und reden von Hektolitern!"

Und dann die Krankenkassen-Reform! "Obama hat zu viele Kompromisse gemacht. Der Wettbewerb zwischen den Kassen spielt nicht. Die zocken uns ab. Es fühlt sich an wie in Griechenland. Wer hier noch etwas für sein Geld tut, ist selber schuld."

Und länger und länger wird die Liste.

Na gut. Die Masseinheiten brachten die Blätter auch damals während Tschernobyl-Krise durcheinander. Das war vor 25 Jahren, als die Newswelt noch in Ordnung schien. Und der Tigerbruder ist Weltmeister im Heraufbeschwören von apokalyptischen Stimmungen. Aber die Ölkatastrophe da unten, die finde ich selber auch zum Verzweifeln. Ich finde, die wird von den hiesigen Medien unterschätzt.

Der Tigerbruder ist unrasiert. Drüben ist es ja noch früh. Aber ich habe den Eindruck, seine Augen liegen tiefer als sonst. Er hat Schatten im Gesicht. Und plötzlich kann ich mich eines schrecklichen Gedankens nicht erwehren: diese Skype-Bildausschnitte sind einfach viel zu ähnlich wie jene der Dust Bowl-Bilder von Dorothea Lange und Margaret Bourke-White aus den 30-er Jahren.



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