Buch für erwachsene Mädchen
Als ich dieses Buch in der Buchhandlung sah, wollte ich sofort danach greifen. Ich hatte in meinen Dreissigern ein paar Bücher von Marian Keyes gelesen. Ich erinnerte mich vage an ihren hohen Unterhaltungswert. Und daran, und dass auch meine beste Freundin Helga auf sie schwor. Doch dann zögerte ich.
Denn Keyes gilt als chick lit-Autorin. Nun wird das Genre "ckick lit" oft unterschätzt. Billige Unterhaltung für Frauen, so lautet das Vorurteil. Aber es greift zu kurz. Figuren wie Bridget Jones und Carrie Bradshaw waren Identifikationsfiguren für eine historisch einmalige Generation von Frauen. Sie zeigten uns karrierebesessenen und spätgebärenden Mittdreissigerinnen, wo wir im Leben stehen: in einem leicht unbequemen aber letztlich meist doch komischen Dilemma zwischen Dienstleistungs-Sklaverei, Coiffeur, freiem Sex und traditionellem Rollenbewusstsein.
"Und dennoch: Jetzt bin ich zu alt für chick lit", dachte ich. Ich habe Probleme, von denen die Bridget Jones nicht einmal ahnte, dass man sie haben kann. Sogar meine Coiffeur-Geschichten scheinen im Moment eine tragische Note zu haben. Und Helga geht es genauso.
Aber dann kaufte ich das Buch doch. Ich wollte einfach wieder einmal gut unterhalten sein.
Erst schienen sich meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Lola, die Erzählerin und Heldin Nummer 1, ist eine Karikatur von Bridget Jones (die ja selber schon eine Karikatur ist): oberflächlich, dämlich und nochmal dämlich. Leider füllt Lola die ersten 100 Seiten des Romans. Wenn Keyes sich nicht so gut auf die Kniffs verstünde, die ein Buch "unputdownable" machen, hätte ich zu lesen aufgehört.
Doch Erzählerin 2 liess mich sofort vorwärts preschen: Grace schildert ihren Alltag als Journalistin bei einer grossen Tageszeitung so authentisch und mit so viel Humor, dass ich begeistert war. Sie ist ausserdem eine gute Identifikationsfigur: intelligent, reif und taff. Und sie hat einen klugen Mann. So hat man seine Heldinnen gern.
Der Teil über Marnie, die Heldin Nummer 3, ist der stärkste des Romans. Er hat literarische Qualität. Die Zwillingsschwester von Grace ist dem Alkohol verfallen. Und Keyes schildert das Säuferinnen-Elend mindestens so mitreissend wie dies A. L. Kennedy in ihrem Alkoholikerinnen-Roman Paradies tut. Das sorgt für so verstörende Lektüre, dass ich froh war, zwischendurch ab und zu wieder eine Lola-Passage zu bekommen. Als Kontrastfigur zu Marnie wirkt Lola mit der Zeit richtig süss. Die schusslige Stylistin baut an der irischen Westküste wider Willen einen Treffpunkt für Cross-Dressers auf, was für knifflige Liebes-Konstellationen sorgt. Und zwischendurch schaltet sich auch mal wieder Grace mit ihrem unbesiegbaren Realitätssinn ein.
Für Action sorgt der Mann, der die ganze Handlung zusammenhält und alles andere als ein Märchenprinz im Stil von Mister Darcy ist.
Und doch bekam ich das Happy End, das ich brauchte. Ich gestehe, ich habe sogar ein paar Tränen vergossen. Wegen Grace. Und ihrem Mann.
Denn Keyes gilt als chick lit-Autorin. Nun wird das Genre "ckick lit" oft unterschätzt. Billige Unterhaltung für Frauen, so lautet das Vorurteil. Aber es greift zu kurz. Figuren wie Bridget Jones und Carrie Bradshaw waren Identifikationsfiguren für eine historisch einmalige Generation von Frauen. Sie zeigten uns karrierebesessenen und spätgebärenden Mittdreissigerinnen, wo wir im Leben stehen: in einem leicht unbequemen aber letztlich meist doch komischen Dilemma zwischen Dienstleistungs-Sklaverei, Coiffeur, freiem Sex und traditionellem Rollenbewusstsein.
"Und dennoch: Jetzt bin ich zu alt für chick lit", dachte ich. Ich habe Probleme, von denen die Bridget Jones nicht einmal ahnte, dass man sie haben kann. Sogar meine Coiffeur-Geschichten scheinen im Moment eine tragische Note zu haben. Und Helga geht es genauso.
Aber dann kaufte ich das Buch doch. Ich wollte einfach wieder einmal gut unterhalten sein.
Erst schienen sich meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Lola, die Erzählerin und Heldin Nummer 1, ist eine Karikatur von Bridget Jones (die ja selber schon eine Karikatur ist): oberflächlich, dämlich und nochmal dämlich. Leider füllt Lola die ersten 100 Seiten des Romans. Wenn Keyes sich nicht so gut auf die Kniffs verstünde, die ein Buch "unputdownable" machen, hätte ich zu lesen aufgehört.
Doch Erzählerin 2 liess mich sofort vorwärts preschen: Grace schildert ihren Alltag als Journalistin bei einer grossen Tageszeitung so authentisch und mit so viel Humor, dass ich begeistert war. Sie ist ausserdem eine gute Identifikationsfigur: intelligent, reif und taff. Und sie hat einen klugen Mann. So hat man seine Heldinnen gern.
Der Teil über Marnie, die Heldin Nummer 3, ist der stärkste des Romans. Er hat literarische Qualität. Die Zwillingsschwester von Grace ist dem Alkohol verfallen. Und Keyes schildert das Säuferinnen-Elend mindestens so mitreissend wie dies A. L. Kennedy in ihrem Alkoholikerinnen-Roman Paradies tut. Das sorgt für so verstörende Lektüre, dass ich froh war, zwischendurch ab und zu wieder eine Lola-Passage zu bekommen. Als Kontrastfigur zu Marnie wirkt Lola mit der Zeit richtig süss. Die schusslige Stylistin baut an der irischen Westküste wider Willen einen Treffpunkt für Cross-Dressers auf, was für knifflige Liebes-Konstellationen sorgt. Und zwischendurch schaltet sich auch mal wieder Grace mit ihrem unbesiegbaren Realitätssinn ein.
Für Action sorgt der Mann, der die ganze Handlung zusammenhält und alles andere als ein Märchenprinz im Stil von Mister Darcy ist.
Und doch bekam ich das Happy End, das ich brauchte. Ich gestehe, ich habe sogar ein paar Tränen vergossen. Wegen Grace. Und ihrem Mann.
diefrogg - 12. Feb, 14:16
9 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
acqua - 12. Feb, 18:20
Ja gerne! ;-)
diefrogg - 13. Feb, 11:37
So bald wie möglich!
Versprochen! Ich muss Dir ja sowieso noch endlich den Sedaris zurückgeben.
jueb - 12. Feb, 22:37
Ich meine... selbstverständlich frage ich mich, ob ich zur Zielgruppe dieses Buches gehöre. Andererseits fasziniert mich die Frogg'sche Kühnheit, diese vermeintliche Chick lit-Ware zu A.L.Kennedy in Bezug zu setzen....
diefrogg - 13. Feb, 11:31
Nun ja, der Vergleich....
liegt nahe: Beide Texte drehen sich um Alkoholikerinnen, beide sind packend und extrem beklemmend. Ich erinnere mich allerdings nicht mehr sehr detailliert an den Kennedy-Text. Wahrscheinlich müsste man eine vertiefte Analyse beider Texte machen, um das wirklich wagen zu dürfen. Was mir am Text von Keyes gefallen hat: Sie verwendet gewisse "Stream of consciousness"-Techniken, die die Figur Marnie sehr authentisch, sehr "wie Du und ich" wirken lassen.
Zum Beispiel: Irgendjemand sagt etwas zu Marnie, was sie sehr peinlich berührt. Marnie denkt: "This isn't happening this isn't happening this isn't happening." So habe ich Engländerinnen reden hören.
Keyes wusste offensichtlich sehr genau, was sie tat. Sie ist selber eine trockene Alkoholikerin.
Abgesehen davon ist längst nicht jede Passage des Buches einer A. L. Kennedy würdig. Hauptthema des Buches ist Männergewalt an Frauen. Und dieses Thema handelt sie meiner Meinung nach zu unterhaltungsromanhaft ab, zu sehr auf Effekte bedacht.
Zum Beispiel: Irgendjemand sagt etwas zu Marnie, was sie sehr peinlich berührt. Marnie denkt: "This isn't happening this isn't happening this isn't happening." So habe ich Engländerinnen reden hören.
Keyes wusste offensichtlich sehr genau, was sie tat. Sie ist selber eine trockene Alkoholikerin.
Abgesehen davon ist längst nicht jede Passage des Buches einer A. L. Kennedy würdig. Hauptthema des Buches ist Männergewalt an Frauen. Und dieses Thema handelt sie meiner Meinung nach zu unterhaltungsromanhaft ab, zu sehr auf Effekte bedacht.
irgendeinisch - 17. Feb, 19:52
ich mag ihre bücher sehr gerne und fand vor allem den erbeermond unheimlich rührend (ehrlich gesagt, sind mehr als ein paar tränen geflossen). manchmal ist es mir ein wenig peinlich, dass ich diese bücher so mag, aber wenn sogar du ihre bücher liest, dann ist es wohl schon ok :-)
diefrogg - 19. Feb, 11:42
Vielleicht sollte ich....
"demfall" Erdbeermond auch einmal lesen. Ein paar Tränchen sind immer gut!
irgendeinisch - 21. Feb, 09:46
es ist wirklich schön und obwohl zum teil traurig , sehr positiv geschrieben... :-)
acqua - 4. Apr, 08:55
Unterschreibe alles.
Sind die anderen Bücher von Marian Keyes auch so gut?
Sind die anderen Bücher von Marian Keyes auch so gut?
diefrogg - 4. Apr, 11:30
Gut zu wissen, dass...
Dir das Buchgefallen hat. Also... let's see: "Sushi for Beginers" habe ich sehr gemocht, wobei es bald zehn Jahre her ist, dass ich das gelesen habe. Da gehts um eine Frauenzeitschrift in Dublin; "The Other Side of the Story" ist ein Roman über eine Literatur-Agentin. Der war auch ganz gut. "Angels" fand ich den schwächsten der drei, er spielt in Hollywood. Unputdownable sind sie aber alle.
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