2
Jan
2010

Jemandem wehtun

Mein Gehör ist in der Nacht noch weiter abgestürzt. Ausser dem aufgeregten Tinnitus-Gesinge in meinem Kopf höre ich in der Wohnung fast gar nichts mehr. Mittlerweile finde ich in diesem Zustand sogar Hoffen zu anstrengend. Ich habe doch schon so viel gehofft, so oft gewartet! Was kann ich anderes tun als einfach hinzunehmen, was als nächstes kommt?

Aber manchmal verspüre ich den merkwürdigen Wunsch, jemandem weh zu tun.

Meiner Mutter zum Beispiel. Wenn sie sagt: "Es wird Dir nichts anderes übrig bleiben, als wieder zu arbeiten. Auch wenn Du gar nichts mehr hörst." Sie kann ja nicht wissen, welchen Schmerz sie mir mit diesem Satz zufügt. Ich kann es ihr auch nicht erklären. Sie hat sogar recht. Aber ich habe den perversen Wunsch, es ihr heimzuzahlen. Ihr irgend etwas zu sagen, was ihr ebenso wehtut.

Oder Herrn T. Wenn er sagt: "Was willst Du jetzt wieder den Ohrenarzt anrufen?! Du wirst ja sowieso taub! Akzeptier es doch einfach!" Dann würde ich ihn, ehrlich gesagt, am liebsten ohrfeigen. Sehr heftig.

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acqua - 2. Jan, 15:10

Scheisse!

diefrogg - 2. Jan, 15:32

Ja, das ist...

vielleicht etwas vom Vernünftigeren, was man in einer solchen Lebenslage sagen kann. Auch wenn damit noch keine Diskussion über das "was jetzt?" oder "wie weiter?" geführt ist.
acqua - 2. Jan, 15:53

Es ist, ehrlich gesagt, das einzige was mir im Moment dazu einfällt.
diefrogg - 2. Jan, 15:58

Ja, mehr musst...

Du auch nicht schreiben! Im Moment läufst Du eh nur Gefahr, etwas Falsches zu sagen... Wie jeder rundum!
Wüstenfuchs - 2. Jan, 15:27

Mutig das zu schreiben, denn salonfähig ist es nicht! Schon mal überlegt, ob Herr T. nicht gerne das gleiche täte in diesem Moment? Ich jedenfalls hatte zwischendurch auch "Mordgelüste" gegenüber meiner schwerkranken Mutter, weil mir das Leiden (das mir selbverständlich leid tat) auf den Wecker ging. Auch die Angehörigen eines Erkrankten machen einen Anpassungsprozess durch, der nicht nur von Mitleid geprägt ist.

diefrogg - 2. Jan, 15:45

Eins stelle ich hier offenbar...

besser gleich klar: Es geht mir hier nicht darum, meinen Eltern oder Herrn T. einen Vorwurf zu machen. Ich ihnen dankbar, dass sie ihr Bestes für mich getan haben und tun. Es war und ist viel. Ich werde mich hüten, sie zu verletzen, so lange ich anders kann. Ich habe das hier vielmehr aufgeschrieben, weil es mir heute so klar vor Augen steht. Um mit mir selbst ehrlich zu sein. Um irgendeinen erträglichen Umgang mit solchen Gefühlen zu finden.
Not quite like Beethoven - 2. Jan, 17:04

Ich kann das gut verstehen. Und was auch immer sonst noch geschieht, habe ich zumindest bei mir selber gemerkt, diese innere Anspannung, die muss irgendwie raus. Ganz körperlich. Für mich selbst habe ich da das Boxen. Ich hoffe, Sie finden dafür auch einen geeigneten Ausgang, wenn ich recht verstehe ist das Gleichgewicht ja gerade okay. Alles Gute für 2010!

diefrogg - 3. Jan, 11:26

Hm, boxen...!

Interesante Herangehensweise an das Problem. Ich selber habe es bis dato vor allem mit ausgedehnten (in adrenalinschwangeren Zeiten auch hektischen) Spaziergängen probiert. Das hat sich ziemlich bewährt. Kampfsportarten... Ich zögere da ein wenig. Im Moment ist kämpfen das letzte, was mich reizt.
walküre - 2. Jan, 21:13

Möglicherweise setze ich mich jetzt gleich wieder furchtbar in die Nesseln, aber ich für meinen Teil (ICH, wohlgemerkt !) frage mich, wes Geistes jemand ist, der zu seinem gesundheitlich schwer angeschlagenen Partner so etwas sagt. Eltern sind ein eigenes Kapitel, aber der Partner ??? Ich erwarte - wiederum für mich gesprochen - nicht, gehätschelt zu werden, auch gegen Schönfärberei verwehre ich mich entschieden, aber einem Menschen auf diese Weise einen metaphorischen Schlag ins Gesicht zu versetzen, halte ich für sehr ... problematisch. Wenn er selber - was anzunehmen ist - mit dieser Situation nicht gut zurechtkommt, muss er selber schauen, dass er auf ihm passende Weise Hilfe bekommt, aber seine eigene Problematik in dieser Weise beim kranken Partner abzuladen, geht für mich überhaupt nicht.

diefrogg - 3. Jan, 11:30

Danke für die intensive...

und, wie wir scheint, wohlmeinende Lektüre dieses Eintrags, Frau Walküre. Doch mit Verlaub: Sie können gar nicht über genug Kontext-Wissen verfügen, um sich zu dieser Aussage von Herrn T. ein gültiges Urteil zu bilden. Das liegt in der Natur des Blogs. Kurz und knapp soll er sein.
pipistrella - 4. Jan, 14:10

ich hätte dir ehrlich gesagt jetzt auch den vorschlag gemacht, irgendeine kampfsportart anzufangen, einfach, um auch die wut (gegen dich selber?) loszuwerden. spazieren reicht da meiner meinung nach nicht, weil man da viel zu viel zeit zum nachdenken hat, das hat man bei einer kampfsportart viel weniger, da muss man sich anfangs zu sehr darauf konzentrieren, dass es koordinatorisch stimmt, aber man wird energie los.

wenn ich bei dir wäre, würde ich dich ganz einfach in die arme nehmen und würde sich schlagen lassen, bis alles draussen ist.

ich hoffe und wünsche mir für dich ein besseres 2010.

Kätzerin - 6. Jan, 02:18

Kampfsport...

das glaube ich, ist nix für uns beide, für Dich nicht und auch für mich nicht. ;-)
Herzliche Grüße und noch ebensolchen Dank für Deine lieben Wünsche zuletzt. :-)

PS. Da fällt mir ein, ich glaube auch nicht, daß Du jemals taub wirst, ich kann und konnte es niemals glauben. !!!

diefrogg - 6. Jan, 10:39

Bevor das Drama...

mit meinem rechten Ohr losging, nahm ich ein paar Stunden Karate. Das war eine merkwürdige Erfahrung. Es machte Spass Dampf abzulassen, und konditionell konnte ich gut mit der Gruppe mithalten. Aber ich spürte, dass etwas mit mir nicht in Ordnung ist. Manchmal war da eine Ermüdung, die nicht körperlich, sondern fast schon spirituell war. Ein abgrundtiefes Gefühl des "nichtmehrmögens". Ich habe dann aufgehört mit dem Karate. Aber ich habe angefangen, feste auf meinen Futon einzudreschen, wenn ich jemandem wehtun will.

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