23
Sep
2009

Das Wunder von Solothurn

Am Sonntag waren Herr T. und ich in Solothurn. Die Sonne schien, und so machten wir einen Ausflug in die Verenaschlucht.

Frau Frogg stiess in die Tiefen dieser Felsenkapelle vor.


(Quelle: wikimedia.org)

Herr T. zog es vor, im Tageslicht zu bleiben. Das Dunkel dahinter war ihm suspekt. Deshalb verpasste er einen malerischen Anblick: Zuhinterst in dieser Kapelle liegt in einer Höhle zwischen brennenden Kerzen eine uralte Skulptur. Sie stellt, wenn ich mich recht erinnere, Jesus im Grab dar.

Frau Frogg ist nicht religiös. Aber in einer Hinsicht ist sie ein durch und durch katholischer Mensch: Sie zündet gerne Kerzchen an. Und dann spricht sie auch ein stummes Gebet. Zum Beispiel für ihre Grossmutter Walholz. Hier schien mir das besonders richtig. Schliesslich stammt Grossmutter Walholz aus dem Solothurnischen. Und sie kann ein Gebet gebrauchen. Denn sie, die immer so gerne vom Sterben gesprochen hat, tut es jetzt. Furchtbar langsam, aber unaufhaltsam. Ein Schlaganfall hat sie vor zwei Jahren halbseitig gelähmt. Sie wahrt gerade noch, gerade noch, ihre Würde.

Als Frau Frogg da so stand und betete, trat ein Mann zu ihr. Er flüsterte in breitem Solothurner Dialekt in ihr gutes Ohr: "Stellen Sie sich hierhin!" Frau Frogg gehorchte. Auch wenn es bedeutete, dass sie sich für ihren Geschmack etwas zu nahe zu dem älteren Herrn stellen musste. Dann sagte der Mann: "Jetzt legen Sie die Arme an Ihre Seite und öffnen Sie die Hände. Dann gehen Sie in sich." Auch das erwies sich so nahe bei einem Fremden als nicht ganz einfach. Doch der Alte fuhr fort: "Atmen Sie ein, zählen Sie bis drei. Dann atmen Sie wieder aus. Denn hier", sagte der Mann, "hier ist der energiereichste Flecken von Solothurn. Wenn Sie hier sind, spüren sie die ganze Energie von Solothurn."

Nun ja, zunächst spürte Frau Frogg lediglich den Hauch des geistigen Getränks, das der Mann kurz zuvor zu sich genommen hatte.

Doch als er gegangen war, versuchte sie es noch einmal. Danach fühlte sie sich seltsam fröstelig, ohne wirklich zu frieren. Und sie spürte eine Kraft. Aber diese Kraft schien nicht ihr zuzufliessen, sondern vielmehr Grossmutter Walholz. Frau Frogg konnte nicht mehr aufhören, an sie zu denken. Es war, als verbände nicht ein Draht, sondern ein riesiger Balken sie mit Grossmutter Walholz.

Heute fragte ich dann schnell bei Mutter nach, wie es Grossmutter Walholz so gehe. "Naja, ziemlich gut. Sie behauptet, sie könne seit gestern den rechten Arm wieder bewegen", sagte Mutter Frogg.

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