Ein verdammt guter Roman
Wenns um Bücher geht, habe ich ein miserables Gedächtnis. Kaum zwei Wochen nach der Lektüre bleiben mir meistens nur ein paar Bilder. Und - wie ein fast verflogenes Parfüm - die Stimmung, die das Werk verbreitet hat. Und der Plot? Was ich davon noch weiss, lässt sich jeweils in wenigen Stichworten wiedergeben.
Zum Beispiel: Ernest Hemingway, A Farewell to Arms (oder auf Deutsch: In einem anderen Land)
Bilder: Schlamm und Ruinen, flache italienische Provinz, Scheisswetter,
Stimmung: Tristesse, Ehrfurcht (Hauptwerk der Amerikanischen Literatur!)
Plot: Amerikaner im Ersten Weltkrieg an der Front in Norditalien wird verwundet. Er verliebt sich in die Krankenschwester, schwängert sie, setzt sich mit ihr in die Schweiz ab. Sie will in Lausanne ihr Kind gebären. Sie stirbt.
Dieser Tage habe ich den alten Hemingway-Roman wieder einmal in die Hand genommen. Anlass: Frau Frogg hatte ein etwas melancholisches Wiedersehen mit Herrn Hemingway am Fluss Isonzo. Es trug sich am 23. Juni zu. Herr T. und ich sassen im Zug von Venedig nach Triest. Im Regionalzug, denn der Schnellzug hatte Stunden Verspätung. Aber das war alles kein Problem. Nur der Himmel war für unseren Geschmack ein wenig zu trüb.
Die Landschaft ringsum sorgte auch nicht für Heiterkeit. Da lag das Friaul, topfeben, zutiefst provinziell. Der Zug bummelte dahin. Die Frogg sah sich eine Karte der Gegend im Reiseführer an. "Gorizia" las sie und "Isonzo". Und plötzlich stand Old Ernest mit seinem Roman vor ihrem geistigen Auge. Die vage Erinnerung an das Buch, das ich vor mehr als zwanzig Jahren als Literaturstudentin im ersten Semester gelesen habe.
Es begann zu regnen.
Ich ärgerte mich. Ich wollte Hemingway und seiner Weltkriegs-Story nicht begegnen. Ich habe Hemingway nie besonders gemocht. Wer hält so viel Pathos aus?! Aber da stand er und liess sich nicht fortweisen, und draussen regnete es, und dann machte mich die Erinnerung doch neugierig.
Deshalb habe das Buch dieser Tage noch einmal gelesen.
Zuerst bestaunte ich die Randnotizen, die ich vor 20 Jahre gemacht habe. Sie zeigen, wie ich die Geschichte von allen Seiten zu erschmecken versuchte - wie unsere Vegetarierin in Venedig ihren Teller mit verdure. Wie ich das Werk doch nicht zu fassen bekam. Wie unbedarft ich war.
Heute lasse ich mich von Büchern mit mehr Gelassenheit verführen. Und ich fand "A Farewell to Arms" ein verdammt gutes Buch.
1) Weil es eine hinreissende Liebesgeschichte ist
2) Weil ich diesmal verstand, wie sehr es Begriffe wie Ehre, Mannhaftigkeit und Soldatentum in Frage stellt(e)
3) Weil es ein spannendes Buch ist: Dieser Held ist so wortkarg, so verhalten, so in sich gekehrt... man will mehr über ihn wissen. Auch wenn man weiss, dass er nie mehr erzählen wird
4) Weil es manchmal vage ist und leiert, aber genau an den richtigen Stellen zu einer unglaublichen Präzision aufläuft. Etwa, als Held Frederic Henry desertiert: Die italienischen Truppen sind auf dem Rückzug. Man ist mit ihm im Chaos dieses Rückzugs. Man wird mit ihm beinahe abgeknallt von fanatischen Carabinieri; man springt mit ihm in den Fluss und spürt das eiskalte Wasser. Das ist mehr als Fiktion. Das ist, als hätte Hemingway es selber erlebt. Als würde man es selber erleben.
Henry sprang nicht in den Isonzo, der mir Hemingway anschwemmte. Sondern in den Tagliamento. Aber auch den hatten wir im Zug überquert. Und rückblickend freut es mich richtig, dass ich auf der Zugslinie gefahren bin, auf der Frederic Henry sich nach seiner Flucht zu seiner Geliebten zurückschlug.
Und erzählen muss ich das jetzt. Schnell. Denn in zwei Wochen weiss ich es nicht mehr.
Zum Beispiel: Ernest Hemingway, A Farewell to Arms (oder auf Deutsch: In einem anderen Land)
Bilder: Schlamm und Ruinen, flache italienische Provinz, Scheisswetter,
Stimmung: Tristesse, Ehrfurcht (Hauptwerk der Amerikanischen Literatur!)
Plot: Amerikaner im Ersten Weltkrieg an der Front in Norditalien wird verwundet. Er verliebt sich in die Krankenschwester, schwängert sie, setzt sich mit ihr in die Schweiz ab. Sie will in Lausanne ihr Kind gebären. Sie stirbt.
Dieser Tage habe ich den alten Hemingway-Roman wieder einmal in die Hand genommen. Anlass: Frau Frogg hatte ein etwas melancholisches Wiedersehen mit Herrn Hemingway am Fluss Isonzo. Es trug sich am 23. Juni zu. Herr T. und ich sassen im Zug von Venedig nach Triest. Im Regionalzug, denn der Schnellzug hatte Stunden Verspätung. Aber das war alles kein Problem. Nur der Himmel war für unseren Geschmack ein wenig zu trüb.
Die Landschaft ringsum sorgte auch nicht für Heiterkeit. Da lag das Friaul, topfeben, zutiefst provinziell. Der Zug bummelte dahin. Die Frogg sah sich eine Karte der Gegend im Reiseführer an. "Gorizia" las sie und "Isonzo". Und plötzlich stand Old Ernest mit seinem Roman vor ihrem geistigen Auge. Die vage Erinnerung an das Buch, das ich vor mehr als zwanzig Jahren als Literaturstudentin im ersten Semester gelesen habe.
Es begann zu regnen.
Ich ärgerte mich. Ich wollte Hemingway und seiner Weltkriegs-Story nicht begegnen. Ich habe Hemingway nie besonders gemocht. Wer hält so viel Pathos aus?! Aber da stand er und liess sich nicht fortweisen, und draussen regnete es, und dann machte mich die Erinnerung doch neugierig.
Deshalb habe das Buch dieser Tage noch einmal gelesen.
Zuerst bestaunte ich die Randnotizen, die ich vor 20 Jahre gemacht habe. Sie zeigen, wie ich die Geschichte von allen Seiten zu erschmecken versuchte - wie unsere Vegetarierin in Venedig ihren Teller mit verdure. Wie ich das Werk doch nicht zu fassen bekam. Wie unbedarft ich war.
Heute lasse ich mich von Büchern mit mehr Gelassenheit verführen. Und ich fand "A Farewell to Arms" ein verdammt gutes Buch.
1) Weil es eine hinreissende Liebesgeschichte ist
2) Weil ich diesmal verstand, wie sehr es Begriffe wie Ehre, Mannhaftigkeit und Soldatentum in Frage stellt(e)
3) Weil es ein spannendes Buch ist: Dieser Held ist so wortkarg, so verhalten, so in sich gekehrt... man will mehr über ihn wissen. Auch wenn man weiss, dass er nie mehr erzählen wird
4) Weil es manchmal vage ist und leiert, aber genau an den richtigen Stellen zu einer unglaublichen Präzision aufläuft. Etwa, als Held Frederic Henry desertiert: Die italienischen Truppen sind auf dem Rückzug. Man ist mit ihm im Chaos dieses Rückzugs. Man wird mit ihm beinahe abgeknallt von fanatischen Carabinieri; man springt mit ihm in den Fluss und spürt das eiskalte Wasser. Das ist mehr als Fiktion. Das ist, als hätte Hemingway es selber erlebt. Als würde man es selber erleben.
Henry sprang nicht in den Isonzo, der mir Hemingway anschwemmte. Sondern in den Tagliamento. Aber auch den hatten wir im Zug überquert. Und rückblickend freut es mich richtig, dass ich auf der Zugslinie gefahren bin, auf der Frederic Henry sich nach seiner Flucht zu seiner Geliebten zurückschlug.
Und erzählen muss ich das jetzt. Schnell. Denn in zwei Wochen weiss ich es nicht mehr.
diefrogg - 25. Jul, 17:23
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