27
Jan
2009

Schlittelvergnügen

Winterlandschaften könnten so schön sein - wenn man darin nur nicht ständig Wintersport betreiben müsste.

Dass ich für das Skifahren eine tiefe Hassliebe hege, brauche ich hier nicht noch einmal auszuführen. Diesmal aber entdeckte ich eine noch grössere Zumutung als das Skilaufen: das Schlitteln. Und ich kann nicht einmal Herrn T. die Schuld dafür geben. Die Frogg selber kam eines Tages letzte Woche im tiefsten Schneetreiben auf Melchsee Frutt auf die Idee, mit Herrn T zwei Schlitten zu mieten. Wir wollten uns auf der eigens dafür bezeichneten Piste talwärts Richtung Stöckalp stürzen.

Der Vermieter warnte uns noch: Das Wetter sei nicht ideal. Zu viel Neuschnee. Aber bei der ersten Talreise (über weite Strecken mussten wir den Schlitten in abwärts ziehen) begannen mich Kindheitserinnerungen zu quälen und ich wusste plötzlich wieder: Ideales Schlittelwetter gibt es eigentlich gar nicht. Wenn gerade kein Neuschnee zu anstrengender Beinarbeit zwingt, so sind Schlittelpisten stets schnell vereist. Dann donnert die verängstigte Fahrerin auf einem schier unlenkbaren Gestell zu Tal und sieht in jeder Kurve nichts weiter als noch eine Gelegenheit, sich den Kopf blutig zu schlagen. Meistens aber hat man abwechselnd zu viel Eis und zu viel Neuschnee unter den Kufen, glaubt mir!

Oder unter dem Hinterteil, wenn wir gerade dabei sind. Denn ich muss gestehen: Mein Allerwertester ist fürs Schlitteln ganz und gar nicht gebaut. Als die Natur das frogg'sche Steissbein konstruierte, war sie gerade von einer ihrer Launen gepackt: Das Knöchelchen ist grösser als durchschnittliche Steissbeine und tritt am Rückenende leicht vor - wie der berühmt stumpfe Gegenstand. Im normalen Leben fällt es kaum auf. Doch bei Turnhallen-Grausamkeiten wie Rumpfbeugen und beim Schlitteln wird so ein Rückenende zur mörderischen Waffe.

Dummerweise liess ich mich von Herrn T. zu einer zweiten Talfahrt überreden. Diesmal lief der Schlitten besser. Fast zu gut, eigentlich. Danach blutete ich - wenn auch nicht am Kopf. Ehrlich.

Auch als Kind holte ich mir derlei Wunden. Ich hatte sie jedoch jeweils schnell wieder vergessen. Was hätte ich auch anderes tun sollen? Ändern liess es sich nicht. Und Schlittelausflüge mit der Schule schwänzen konnte ich auch nicht. Doch als Erwachsene muss ich sagen: Gewisse Dinge sollte man nicht einmal Kindern zumuten.

Wenigstens hat mir Herr T. nach meinen heldenhaft ertragenen zwei Abfahrten einen Award verliehen. Sein Name soll unser Geheimnis bleiben. Aber er wird mich stets daran erinnern, dass ich nie mehr schlitteln will!

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acqua - 27. Jan, 11:18

Oh! Da erinnerst du mich an etwas! Ich war dieses Jahr noch gar nie Schlitteln!! (Mein Hinterteil ist für ja gottlob ausreichend gepolstert.)

diefrogg - 27. Jan, 11:26

Tust Du das gerne?

Wirklich?! Na, dann hast Du ja einen Sport, den Du magst!
acqua - 27. Jan, 11:37

Kein Wunder, dass ich den mag. Dabei muss man sich ja auch nur hinsetzen und runtersausen.
diefrogg - 27. Jan, 12:32

Dann bist Du...

aber ziemlich gut trainiert. Mir sind beim zweiten Mal an der Talstation schier die Beine eingebrochen! Und nicht nur wegen des Schnees!
acqua - 27. Jan, 13:31

Wie du weisst, bin ich alles andere als gut trainiert - ausser vielleicht in Sachen Realitätsverdrängung...
walküre - 27. Jan, 13:18

Ich sage: Es kommt auf den Schlitten und aufs Schuhwerk an. Ich würde mich nicht auf einen setzen, dessen Sitzfläche hart ist (Steißbeinprellungen sind nämlich auch nix schönes !), sondern auf einen mit (Kunst-)Stoffgeflecht, und darüber hinaus Schuhe mit harten und stabilen Absätzen tragen, welche einen zuverlässigen Einsatz der Fersen auch bei eisiger Piste bzw. Straße ermöglichen.

acqua - 27. Jan, 13:29

Wie bitte?!? Frau walküre, Sie schlitteln nicht mit einem Davoser Schlitten!?!
walküre - 27. Jan, 14:13

Nein, weil dort, wo ich herkomme (nämlich NICHT aus der Schweiz), der Hörnerschlitten das Standardmodell darstellt.
diefrogg - 27. Jan, 22:39

Hmmm!

Vielleicht müsste ich so einem Hörnerschlitten mal eine Chance geben. Wobei ich mir nicht allzu grosse Hoffnungen mache. Ich fürchte, mein Steissbein könnte im Bedarfsfall sogar die Sitzfläche eines Hörnerschlittens durchscheuern. Und so, wie ich mich kenne, würde ich mich auch noch an den Hörnern blutig stossen!
walküre - 28. Jan, 12:17

Die Sitzfläche ist ja leicht elastisch, sodass Ihrem Steißbein nichts geschehen sollte - und die Hörner sind nicht nur als Dekoration da, sondern zum Festhalten sowie als zusätzliche Lenkhilfe gedacht, weil die Ahnen dieser Schlitten zum Transportieren von Heu, Holz und dergleichen verwendet wurden und mitunter viel Gewicht geladen hatten. Ich bin nach diversen Versuchen jedenfalls zu dem Schluss gekommen, dass Hörnerschlitten am besten zu fahren sind !
diefrogg - 28. Jan, 12:51

Sie scheinen...

mein Steissbein ja gut zu kennen, Frau Walküre ;)
veronikaha - 28. Jan, 22:30

tipp mit lebkuchen

Ich habe zwei gegensätzliche Erlebnisse beizusteuern, was darf es sein?
Mit Kindern kommt man unweigerlich in Situationen, wo vermeintlich definitiv abgeschriebene Sportarten gefragt sind: Mama, kannst du den Köpfler? zeig doch mal ! hiess es im Sommer, und: Mama, tun dir die Schlittschuhe auch so weh? letzten Monat. Und eben: Schlitteln gehört auch dazu, wobei dies schon das geringere Übel ist als sich in einen Bob zu quetschen. Also, wenn es denn sein muss: wir waren auf dem Brunni, Engelberg. Nicht auf der Schlittelpiste, bewahre. Es gibt da einen prächtigen Winterwanderweg zur Rigidalalp (wo es zuerst mal Lebkuchen gibt, schliesslich kann man etwas Speckpolster gebrauchen). Sobald alle Leute aus dem Weg sind, kann man dann gemütlich zurück schlitteln mit Blick auf Titlis und Co im Sonnenuntergangslicht. Es hötterlet (zu gut deutsch ruckelt und zuckelt gemütlich vor sich hin), und steht (fast) nie still. Gut gleitende, leichte Plasticschlitten kann man an der Bergstation mieten, nicht schön, aber praktisch.
Wenige Tage später , auch auf einer sogenannt harmlosen Schlittelpiste, hat meine Tante beim Schlitteln mit ihren Grossneffen eine kleine Delle im Boden übersehen, blieb darin ruckartig stecken und verspürte dann so starke Schmerzen, dass sie mit Mühe nach Hause kam. Seither war sie im Spital. Oftmals im Notzimmer, da ja alles überbelegt ist: Wirbelbruch, heftige Reaktionen auf die Schmerzmittel, tagelanges Liegen jetzt Rückenoperation und wochenlang noch arbeitsunfähig.
Also vielleicht doch nur Lebkuchen. Den Sonnenuntergang und das Panorama könntet ihr ja auch spazierenderweise geniessen. Aber passt auf, da schlitteln Leute auf den Winterwanderwegen und fahren euch bestimmt rücksichtslos über den Haufen!

diefrogg - 28. Jan, 23:17

Oje!

Wünsch Deiner Tante herzlich schnelle und vollständige Genesung von mir! Sie hat mich in meinem Entscheid bestärkt: Nie mehr auf die Schlittelpiste!

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