29
Jun
2013

Gastmahl des Meeres

Wir Schweizer glauben ja, unser Hochdeutsch sei in etwa gleich wie jenes der Deutschen - mal abgesehen vom Akzent, der uns in Deutschland sehr schnell verrät. Die Deutschen mokieren sich gern ein bisschen über diesen Akzent. Umgekehrt begegneten uns in Deutschland immer wieder sprachliche Phänomene, die wir in der Schweiz nicht kennen - und über die wir staunen. Oder über die wir uns ein bisschen mokieren. Jedenfalls machen sie uns klar, dass Deutschland eben doch anders ist als die Schweiz. Bald begann ich solche Wendungen zu sammeln und nannte sie Wörter des Tages. Gelegentlich waren es solche aus der ehemaligen DDR - aber nicht nur.

Herr Punctum lieferte das erste, als wir an unserem ersten Abend auf Fische zu sprechen kamen: Gastmahl des Meeres. So hiess in der DDR ungefähr das, was in der Schweiz heute pragmatisch, etwas protzig und Neudeutsch "Seafood Restaurant" heisst. Dagegen hat "Gastmahl des Meeres" etwas berührend Poetisches, ja Philosophisches. Waren doch Gastmähler die ganze westliche Kulturgeschichte hindurch Zusammenkünfte, bei denen Geist, Genuss und Gemeinschaftssinn sich - im besten Fall - zu einem kostbaren Ganzen verbanden. Dass solche Erlebnisse nicht der Intelligentsia vorbehalten sein sollten, finde ich im Grunde nicht verwerflich.



Allerdings scheint das Resultat gastronomisch nicht über jeden Zweifel erhaben gewesen sein, wie dieser Beitrag nahelegt. Offenbar lässt sich auch Gastlichkeit nicht staatlich verordnen. Hier und hier noch mehr über das Gastmahl des Meeres.

Trackback URL:
https://froggblog.twoday.net/stories/434213241/modTrackback

montez - 30. Jun, 12:50

Ich kenne auch ein Gastmahl des Meeres, in Sassnitz auf Rügen, und wusste bisher nicht, was es damit auf sich hat (Westedeutsch). Den Namen mochte ich schon immer. Noch lieber mag ich die wunderbare Illustration auf dem Bierdeckel, wo haben Sie den her?

diefrogg - 30. Jun, 13:11

Das hier...

ist der Link. Beim Googeln gefunden:

http://www.1a-sammlershop.de/images/product_images/original_images/wer131.jpg

Auch das "Gastmahl des Meeres" in Sassnitz ist mir beim Googeln als erstes entgegengesprungen. Haben Sie dort schon gegessen?
montez - 30. Jun, 17:27

Ach ja, ich hab auch mal da gegessen, irgendwann Anfang der 90er. Es hat mich offensichtlich nicht besonders beeindruckt, denn ich kann mich nicht erinnern, wie es geschmeckt hat …
Kulturflaneur - 30. Jun, 13:23

Frau Frogg frönt der Ostalgie

Das alles tönt ein bisschen ostalgisch — und ich frage mich, ob wir Westler überhaupt ostalgisch sein dürfen, auch wenn ich unmittelbar nach der Wende das Gefühl hatte, dass in der DDR nicht alles schlecht war und viele Errungenschaften vorschnell über Bord gekippt wurden. Cool finde ich den verlinkten Artikel über Rainer Kroboth, den berühmtesten Fischkoch der DDR, 700facher Fernsehfischkoch und Erfinder der Restaurantkette "Gastmahl des Meeres": Wirklich lesenswert!

diefrogg - 30. Jun, 13:37

Gute Frage, die...

nach der Ostalgie. Eigentlich hatte ich ja vor, ihr einen eigenen Blogbeitrag zu widmen. Ob ich den allerdings je zu Ende denken werde, weiss ich im Moment noch nicht.

Ich weiss auch nicht, ob man an relativ ahnungslose Schweizer der Ostalgie bezichtigen darf. Wir sind ja einfach mal hingegangen und haben hingeschaut ( und -gehört, so gut es ging). Und eine Welt entdeckt, deren Sprache wir zwar relativ gut beherrschen - die wir aber erst mal zu lesen versuchen mussten.

Eigentlich wollte ich ja nicht in Ostalgie verfallen. Aber am "Gastmahl des Meeres" - übrigens an einigen Wendungen aus der ehemaligen DDR - zeigt sich ein Respekt vor Bildung und Kultur und ein Wille dazu, beides breiten Bevölkerungsschichten zu vermitteln, die ich nicht per se schlecht finde.
montez - 30. Jun, 17:17

Bei aller Begeisterung für Landschaft, qualitätvolle Produkte und nette Menschen darf man nicht vergessen, dass die DDR ein Urechtsregime war, unter dem viele Menschen sehr gelitten haben. Und soweit ich mich erinnere, waren auch die, die nicht gelitten haben, nicht besonders zufrieden. Natürlich war nicht alles schlecht. Und auch ich finde es sehr bedauerlich, dass an vielen Stellen Geschichte einfach entfernt oder Biografphien und Sozialisierung abgewertet werden. Mein Verflossener, der Kommunist (der keiner war, sondern ein Kirchenaktivist) hat immer trotzig gerufen: Ja, wir haben auch gelacht!
diefrogg - 30. Jun, 17:23

Da pflichte ich Ihnen...

voll und ganz bei! Die DDR war - soweit ich es beurteilen kann - ein Unrechtsregime, ein mieser Schnüffelstaat, und sie war eine ökonomische Katastrophe, deren Nachwirkungen man heute noch ohne viele Vorstudien am Zustand vieler Siedlungen im Osten ablesen kann: kaputte, verlassene Häuser wegen Abwanderung und unsicherer Besitzverhältnisse nach dem Krieg und und unmittelbar nach der Wende. Keine Frage.

Aber das meint die Ostalgie ja nicht - oder das ist zumindest mein Eindruck. Bei der Ostalgie geht es nicht um Politik oder Überwachung oder um Wirtschaft. Es geht um Produkte und Design. Oder sagen wir: Vielleicht geht es um ein verlorenes Heimatgefühl.

Gerade deshalb wehre ich mich entschieden gegen den Vorwurf der Ostalgie. Ich habe ja keine Heimatgefühle der DDR gegenüber. Als die Wende kam, war ich anglophile Schweizerin, Mitte zwanzig noch nicht einmal in Westberlin gewesen, geschweige denn im Osten.
montez - 30. Jun, 17:48

Das ist vermutlich eine Definitionsfrage. Mein Erfahrungen mit Ostalgie bedeuteten auch gerne mal die Verklärung der gesamten Verhältnisse (das kenne ich allerdings von überall, die plötzliche Behauptung, dass früher ALLES besser war).

Aber was red' ich, ich hab ja auch keine Ahnung.
diefrogg - 30. Jun, 17:59

Puncto...

Ostalgie haben Sie wahrscheinlich mehr Erfahrungen als ich, weshalb ich Ihnen in dieser Hinsicht nicht widersprechen möchte.

Ab einem gewissen Alter sind wohl viele anfällig dafür, die Vergangenheit zu verklären (vor allem, wenn es mit der Gegenwart nicht so gut läuft). Auch ich habe mich schon bei diesem Laster ertappt. Das einzige, was einen davor schützen kann, sind möglicherweise Kinder.
montez - 30. Jun, 18:00

Ich jab mir übrigens Ihren Fisch geliehen, ich hoffe, das ist in Ordnung?!

diefrogg - 30. Jun, 18:03

Sie meinen...

den "Gastmahl des Meeres"-Fisch? Das ist doch nicht meiner! Den können Sie gerne haben.

Nur aus Neugier: Wo denn?
montez - 30. Jun, 18:04

Rechts oben ;)
diefrogg - 30. Jun, 18:20

Auf Ihrem Blog?

Da sehe ich rechts oben immer noch den Baum des Geziparks.
montez - 30. Jun, 18:33

Cache leeren?
diefrogg - 30. Jun, 19:00

Ja, richtig!

Macht sich gut bei Ihnen, der Fisch!
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

Juni 2013
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 2 
 3 
 5 
 6 
 7 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7365 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren