21
Sep
2011

Traumreise

Als er sich auf seine erste grosse Reise machte, gab es noch keine Laptops, keine Digitalkameras, kein Internet, geschweige denn iPhones. Patrick Leigh Fermor träumte auch nicht von der Erfindung solcher Gadgets. Er war mehr der Poet. Er schrieb von Feen, vom Mittelalter, von Kathedralen.



Als er sich am 8. Dezember 1933 auf seine grosse Reise machte, stammte der grösste Teil seiner Ausrüstung aus "Millets Laden für Militär-Überbestände: ein alter Armeemantel, Unterwäsche in mehreren Schichten, graue Flanellhemden, ein paar weisse für Feiertage, eine weiche lederne Windjacke, Gamaschen, Nagelsteiefel, ein Schlafsack ..., Notizbücher und Skizzenblocks, Radiergummis, eine zylindrische Aluminiumdose mit Bleistiften Marke Venus und Golden Sovereign, ein altes Oxford Book of English Verse."*

Fermor bestieg am 8. Dezember bei der London Bridge ein Schiffe nach Hoek van Holland. Zu Fuss ging er von dort bis Istanbul. Ich habe mir neulich seinen zweibändigen Reisebericht bestellt. Als die Bücher gestern ankamen, blätterte ich schnell ein bisschen - und war gleich darauf geradezu fiebrig am Lesen. Fermor's Sprache ist poetisch und doch präzise. Sie lässt glasklar und gleichzeitig Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart aufleuchten. "Schon zu Elizabeths** Zeiten luden Boote aus der Zuiderzee hier zwischen London Bridge und Tower ihre Kisten mit Aalen aus", schreibt er, und ich spüre den Schauer der Jahrhunderte. Auf meiner ersten Reise nach London, 1985, besuchte ich die Tower Bridge - wie alle London-Erstbesucher. Die russigen, abgewirtschaftet Hafengebäude am südlichen Brückenkopf machten mir damals viel mehr Eindruck als die Brücke selber. 2008 war ich wieder dort - und aus den Hafengebäuden war eine trendige, urbane Freizeitlandschaft mit Fitness-Centern, Spazierwegen und Museen geworden. Aal gibts - wenn überhaupt - im Restaurant.

Wer heute noch mit dem Schiff reist, setzt von Harwich nach Hoek van Holland über.

Oh ja, ich möchte Fermor nachreisen!

Einstweilen tue ich es wenigstens auf meinem Laptop: mit Google und Google Maps.

*Patrick Leigh Fermor:"Die Zeit der Gaben", Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Mein, 3. Auflage, 2010, S. 30.

** Gemeint ist Elizabeth I., Königin von 1558 bis 1603.

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Täuschblume - 21. Sep, 13:02

Das freut mich jetzt aber.

Bereits der Brief als Einführung zu diesem Buch ist äusserst interessant.
Was für eine Biografie, was für ein Leben dieser Mann doch hatte, schon als Kind, bevor er mit 18 jahren losmarschierte.
Ich hoffe, du sagst uns immer wieder wo du gerade bist .......

diefrogg - 21. Sep, 13:10

Ja, Dir gebührt...

Dank für diesen Eintrag und dafür, dass Du mich nochmal an Fermor erinnert hast. Du hast mich überhaupt erst auf die Idee gebracht, das Buch zu bestellen (auf Deutsch, weil es mir auf Englisch zu teuer war. Aber ich verfluche schon jetzt meinen Geiz. Da heisst es zum Beispiel auf Seite 32 über den trüben Tag seiner Abreise: "Es regnete sich ein". Ich wüsste zu gern, wie er das auf Englisch geschrieben hat).

Dass ich noch viel über das Buch bloggen werde, kann ich allerdings nicht versprechen. Bloggen lohnt sich ja nur dann, wenn man selber etwas zu erzählen hat. Oder dann, wenn grosses Leserinteresse vorhanden ist. Beides gilt es jetzt erst mal abzuwarten...
Täuschblume - 21. Sep, 13:30

ja, ja schon !

Ich selber denke nicht in kategorien lohnen oder nicht lohnen.
Man muss etwas tun wollen, im Sinne von es gerne tun wollen. Zum Beispiel Schreiben.
Es geht hier um eine Reise.
Ob das nun deine oder seine Reise war, ist (mir) an sich egal.
Wichtig finde ich, wie DU über IHN ERZÄHLST.
diefrogg - 21. Sep, 13:33

Ah, danke!

Dein Interesse an meinen Geschichten und Reisen freut mich ja sehr! Vielleicht schicke ich Dir dann einfach ab und zu eine Mail und erzähle von den letzten Stationen ;)

Die Reise heute zu machen, würde mich schon wegen der vielen Veränderungen interessieren: Autobahnen, Massentourismus, nach dem Krieg wieder aufgebaute Städte und eben: Internet, eine stark beschleunigte Sprache und die Möglichkeit, mehr oder weniger sofort Bilder hochzuladen.

Am liebsten möchte ich aber ebenfalls möglichst viel Weg zu Fuss zurücklegen.
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