10
Aug
2011

Tipp für Leute mit Fernweh

Nicht weit von unserem Haus entfernt liegt die Jugendherberge. In der Touristen-Saison greifen wir im Quartier immer wieder Leute auf, die den Weg dorthin nicht finden. Er ist miserabel markiert. Genau an den entscheidenden Stellen fehlen die Schilder. Wir zeigen den Fremden dann denn Weg oder lassen sie ein Stück mit uns kommen. So lernen sie das lächelnde Gesicht der Schweiz kennen.

Gestern traf ich ein asiatisches Paar, das viel zu weit stadtauswärts gewandert war. Wir gingen zusammen ein Stück Weg. Die Frau sah erschöpft aus - als könnte sie jederzeit auseinanderfallen. Sie konnte ihren Rollkoffer kaum noch halten, und hie und da mussten wir auf sie warten. Der Mann dagegen war fit und plauderte angeregt.

Es stellte sich heraus, dass die beiden aus China kamen. Aus Peking.

Eine Welle Fernweh wogte über mich hinweg. Wie habe ich vor ein paar Jahren von einer Reise nach China geträumt! Herr T. hatten schon erste Pläne geschmiedet. Aber dann waren immer die Ferien zu kurz. Oder das Geld ein bisschen zu knapp. Oder so eine Reise irgendwie doch zu gross für einen ganz gewöhnlichen Sommer.

Und jetzt kann ich nicht mehr nach China reisen. Meine Ohren haben ja schon die Hitze der Südtürkei bestreikt. Einen Jetlag mute ich ihnen besser nicht zu.

Ich will nicht klagen. Man kann auch in Mitteleuropa wunderbar reisen. Dennoch ein Tipp an Leute mit Fernweh: Es ist nie zu früh für eine grosse Reise. Packt Eure Siebensachen und macht Euch auf! Es kann nächstes Jahr schon zu spät sein. Wer weiss, ob nicht unerwarteter Nachwuchs hereinschneit. Oder das Pensionskassengeld plötzlich futsch ist.

Reist! Dringend!

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Jossele - 11. Aug, 15:09

Wird umgehend beherzigt, ähm ja, sobald´s das große schwarze Loch "Konto" erlaubt.
(Ich tät auch schön um eine Abwertung des Franken bitten damit die Schweiz wieder einmal Destination werden kann.)

diefrogg - 11. Aug, 18:12

Na, SIE...

haben ja gerade ein tolle Reise nach Island hinter sich (über den Sie einen äusserst lesenswerten Bericht verfasst haben). Aber mit Ihrem Wunsch nach einer Abwertung des Frankens stehen Sie nicht alleine da: Auf die hofft im Moment jeder, der hierzulande in einer Export-Bude oder im Tourismus malocht. Damit eine Reise ein die Schweiz erschwinglich bliebe, können wir allenfalls kostenlose Übernachtungsplätze für Bloggerkollegen anbieten - nahe bei der Jugendherberge. Sollten Sie sich anmelden, werde ich eine Referenz bei Kollegin katiza einholen ;)
steppenhund - 12. Aug, 08:59

Inkompetent

Ich bin nicht befugt, über Fernweh zu schreiben, vor allem nicht, es zu diskreditieren. Ich bin nachgerechnet ungefähr 60 mal um die Welt geflogen. Allerdings nur auf der nördlichen Hemisphäre. Ich habe Asien inklusive Japan und China genossen, war in 33 Staaten der USA etc. etc.
Doch Reisen um des Reisen willens kann ich zwar verstehen, aber nicht auf der Basis, dass das Transportmittel ein Flugzeug ist.
Schiff ja, das ist vergleichsweise langsam. Wandern ja, meinetwegen bis zum Jakobsweg.
Doch hui hin, hui zurück. eine oder zwei Wochen sight seeing ... Da denke ich, die Menschen sollten zuerst ihr eigenes Land kennen. Und dann die Nachbarländer besuchen und langsam lernen, wie andere Menschen ticken. Die Betonung liegt auf langsam. Und gekoppelt mit dem Erlernen der fremden Sprache. Wäre ja eigentlich nicht notwendig, Englisch sprechen eh schon fast alle.
Doch begreifen kann man fremde Kulturen nur unter zu Hilfenahme der Sprache. Deswegen verschlägt es mich selbst auch nicht in arabische Staaten. Ich habe versucht arabisch zu lernen, doch die Sprache liegt mir einfach nicht. Die ist zu weit von Latein entfernt:)
Jetzt lange Zeit in Belgrad verbringend, langsam akklimatisiert werden, das gibt mir das Gefühl von Kosmopolitentum, genauso wie ich mich in Moskau, Tokyo oder Osaka heimisch gefühlt habe. Die kulturellen Eigenarten sind nichts ohne die Menschen, die dazu gehören.
Damit endet meine Nörgelei.
Entweder haben die Menschen Heimweh oder Fernweh. Zufrieden scheinen sie nie zu sein;)

Jossele - 12. Aug, 11:14

Mit Verlaub, bezüglich des Reisens divergieren unsere Meinungen.
Eine Kultur begreifen (incl. Sprache) ist eine erstrebenswerte Sache, allerdings selten im Bereich der Möglichkeiten.
Eine Kultur erahnen wollen ist der zweitbeste Weg Reisen zu legitimieren, und da reichen auch ein, zwei Wochen, allerdings mit intensiver Vorbereitungszeit.
Die Intensität des Findens in der Fremde liegt weniger am Zeitbogen, denn an der Ernsthaftigkeit des Reisenden.
Du kannst sehr lange herumreisen und wenig begreifen, ebenso aber kannst du kurz und intensiv eintauchen.
Letztendlich liegt es am Menschen selbst zu haben oder zu sein.

Unser Land habe ich sehr wohl kennengelernt, und tue es noch, wobei hier genauso dieses Haben-Sein Prinzip ausschlaggebend ist.

Übrigens, ich bin jüngst einigen Islandfahrenr begegnet, die, wie ich, kaum der Sprache mächtig waren, und doch haben wir einiges begriffen (Bemerkenswert, meist FotographInnen und stille Menschen).
Genauso bin ich Touristen begegnet für die Island halt noch ausständig war, und für die war es eigentlich egal wo, die waren gar nicht wirklich fort.
diefrogg - 12. Aug, 13:14

Oh, da bahnt sich....

ja eine hoch interessante Diskussion an! Ich teile im Prinzip die Meinung von Herrn Steppenhund: Um sich an eine fremde Kultur anzunähern, braucht es Zeit. Und Sprachkenntnisse sind ein Vorteil. Das habe ich ja hier bereits ausgeführt.

Zwei oder drei Wochen China: Das würde ich nie tun, weshalb aus unserer China-Reise auch nie etwas geworden ist. Allerdings: Die Sache mit dem Schiff finde ich etwas überzogen. Manchen von uns bleibt aus Zeitgründen schlicht kein anderes Fortbewegungsmittel als das Flugzeug - das geht Ihnen ja wohl nicht anders, Herr Steppenhund!

Und herr Jossele hat auch Recht: Kulturen kann man auch erahnen, sich ihnen freundlich und mit Händen und Füssen sprechend zu nähern, finde ich legitim. Hauptsache, man versucht sich ihnen zu nähern. Und bleibt nicht in seinem geistigen Ghetto. Die schlimmsten Reisenden finde ich übrigens die, die sich im Ausland die ganze Zeit betrogen fühlen und immer argwöhnisch darauf achten, dass ihnen niemand zu viel Geld aus der Tasche zieht. Solche Leute sollten zu Hause bleiben, jawoll!
steppenhund - 12. Aug, 16:36

@Jossele

Wie schön, dass wir einmal nicht gleicher Meinung sind. Allerdings kann ich mich Ihren Argumenten kaum verschließen, vor allem, wenn ich mir die Islandfahrer ansehe. Und dass es auf den Betrachter ankommt, ist nicht zu widerlegen. Ich habe mich absichtlich etwas provokant ausgedrückt, denn auch Frau Frogg unterstelle ich nicht, dass sie das "heute ist Dienstag, also muss das Belgien sein"-Syndrom aufweist.
Das mit dem Fernweh verstehe ich halt nur dann als legitim, wenn es sich um das 19. Jhd handelt und die Leute auf die Walz gehen:)
Muss jeder Mensch Fernweh haben? Ist das ein Fluchtreflex aus einer Welt, in der er sich nicht wohl fühlt?
Das war der eigentliche Hintergrund meiner zugegeben recht spitzen Bemerkungen.
steppenhund - 12. Aug, 16:44

@dieFrogg

Ich muss zugeben, dass ich noch nie eine wirkliche Schiffsreise unternommen habe. Da wünsche ich mir tatsächlich noch einmal die Reise mit dem Postschiff nach Norgwegen. Vielleicht schaffe ich das ja noch.
In Rot-China war ich etwas mehr als zwei Wochen beruflich. (In Taiwan wesentlich öfter) Und ich hatte wirklich den Wunsch, mir einmal sechs Monate unbezahlten Urlaub zu nehmen, um in Tiajin (160 km von Bejing entfernt) ein Semester lang Chinesisch zu studieren. Da gibt es einen Crashkurs, hauptsächlich für andere Studenten, die dann etwas in China studieren wollen, um von 0 auf besseres Mittelschulniveau zu kommen, inklusive Zeitung und Bücher lesen können.
Ich habe das nie geschafft, obwohl es prinzipiell nicht unmöglich gewesen wäre. Ein sehr gut befreundeter Kollege, damals in derselben Firma, war auch in China mit, (heute ist er in der EU) nahm sich tatsächlich sechs Monate unbezahlten Urlaub, um an einer Expedition auf den 7800m hohen Batura im Karakorumgebiet teilzunehmen. Er war tatsächlich oben und verletzte sich leider beim Abstieg auf ganz dumme Weise. Ansonsten wäre er mit seinen anderen drei Gipfelkollegen noch auf den Nanga Parbat gekommen.
Er hatte damals allerdings noch keine Familie, ich schon.
Ich unterstütze also den Hauptinhalt des Blogs schon: man sollte sich Träume zu verwirklichen suchen. Mit dieser Einstellung wird auch das normale Leben wie ein Traum...

-
Meine Fotos stelle ich mittlerweile auf Facebook ein, sollten Sie sich dort tummeln.
Jossele - 12. Aug, 19:27

@Steppenhund, Ich würd´s weniger als Fernweh bezeichnen denn als Neugier was hinter dem Horizont noch so alles steckt.
Das schließt ja das Nahe nicht aus, ja macht es im besten Fall schätzenswerter aufgrund anderer Gesichtswinkel.
Ein bisserl über den Tellerrand hinausschauen, und sei es auch nur für einen Wimpernschlag...
Jossele - 12. Aug, 19:37

@diefrogg, zwei Wochen China, all inclusiv, steht ja eh nicht zur Debatte.
Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass ferne Orte mir auch vertraut sind. Sei es die Bretagne, Island, Norwegen, Finnland, der Dachstein...

Mit hereinnehmen, weil alles ist unsere Welt, das Nahe und das Ferne, ungereiht gleichwertig.
Eines Menschen Zeit reicht selten, in all das einzutauchen was da gegeben ist.
Für China reichte ein Jahr nicht ;-)
diefrogg - 14. Aug, 10:34

@steppenhund:

Nur noch kurz zur Frage: "Muss jeder Mensch Fernweh haben?" Nein, muss er nicht. Arno Geiger erzählt in der Geschichte über seinen demenzkranken Vater, dass dieser sein Leben lang nie aus dem Vorarlbergischen habe verreisen wollen - weil er im Zweiten Weltkrieg auswärts so schlechte Erfahrungen gemacht hatte, dass er stets die Geborgenheit des Zuhause um sich wissen wollte. Das Beispiel ist ein bisschen extrem. Aber ich habe mittlerweile Verständnis für Menschen, die etwas in der Art empfinden.

Reisen ist auch nicht a priori eine Flucht vor dem Zuhause. Vielmehr ist es eine gesellschaftlich breit akzeptierte Art, Freizeit zu verbringen. Junge Leute sollten zudem reisen, um Lebenserfahrung zu sammeln. So lautet eine verbreitete Einstellung.

Ich hatte einmal drei Monate Urlaub. Alle Leute fragen mich: "Ja hast Du denn Reisepläne?" Ich hatte keine. Viele fanden das fast ein bisschen unanständig. Drei Monate Urlaub, und sie bleibt einfach zu Hause. Was macht sie denn mit so viel Zeit? Naja, ich arbeitete an einem Buch. Aber anyway: Insofern hat Ihre Feststellung auch etwas Wahres: Man meint, Fernweh haben und reisen zu müssen, um seine Freizeit zu bewältigen. Das ist in auch in meinen Augen falsches Fernweh.

Was ist richtiges, legitimes Fernweh? Ich glaube, darüber werde ich einen eigenen Beitrag schreiben.
steppenhund - 14. Aug, 11:10

@dieFrogg

Au weh!!!

"Vielmehr ist es eine gesellschaftlich breit akzeptierte Art, Freizeit zu verbringen."
Dieser Satz könnte mich ähnlich wie Geigers Vater dazu bringen, nie mehr verreisen zu wollen. Gesellschaftliche Akzeptanz ist etwas, an das ich mich zwar anpassen muss, um beruflich Erfolg zu haben, doch nicht etwas, wonach ich meine Wünsche ausrichte. Dann könnte ich mir ja gleich wieder ein Auto kaufen und am Samstag den ganzen Tag daran herumpolieren. Das wäre gesellschaftlich sehr breit akzeptiert.

Arno Geiger habe ich gelesen. Die Situation von seinem Vater ist eine Ausnahmesituation. (Das Buch finde ich übrigens hervorragend, vor allem die Aussage, dass unsere ganze Gesellschaft bereits von Alzheimer befallen ist.)

Ich kann mir vorstellen, dass das Arbeiten an einem Buch leichter in einer fremden Umgebung von statten ginge. Das würde ich aber dann nicht als Fernweh bezeichnen, sondern eher als einen Ort, den man sich gesucht hat, um ebenfalls "zu Hause" zu sein, aber halt wo anders.

Die gesellschaftliche Akzeptanz des Fernwehs ordne ich zu 95% einer gelungenen Werbekampagne von Fluglinien und Hotels, im weiteren Sinne auch von Ländern, die vom Fremdenverkehr leben, zu. Ich habe da nichts dagegen. Ich schreibe diese Zeilen kurz vor der Abreise von einem Ferienort, der malerisch ist, Stimmung besitzt und für mich eine kulturelle Bereicherung darstellt, weil ich hier Ivo Andrics Buch "Die Tage der Konsuln" gelesen habe, was viel Information über Bosnien beinhaltet.

Wäre ich nicht zufällig hier gelandet, hätte ich aber nie im Leben den Eindruck, etwas versäumt zu haben. Denn es gibt eben viele Orte auf der Welt, die Ähnliches bewerkstelligen können.

Aus Wien müsste man lange nicht fort, wenn man den Anspruch erhübe, einmal all das gesehen haben zu wollen, was sonst den Ausländern zugemutet wird.

Aber eine gesellschaftlich breit akzeptieren Art wäre für mich der absolute Verweigerungsgrund. Igitt, geht es noch obszöner? Ich halte das weder für Sie für eine Begründung, noch kann ich glauben, dass sie mir das als Begründung im Ernst unterjubeln wollen:)
diefrogg - 14. Aug, 11:27

Ja, natürlich!

Auch mich könnte die Aussage von der gesellschaftlichen Akzeptanz vom Reisen abhalten! Deshalb denke ich ja über einen Beitrg über das echte Fernweh nach, dem man unbedingt nachgeben sollte!
steppenhund - 12. Aug, 09:01

Aber das Musikbeispiel ist super!

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