Das geköpfte Huhn
Endlich! Die Biografie meines Vaters ist fertig. Sie ist nicht so umfangreich geworden, wie ich gehofft hatte - aber immerhin: 36 Seiten, und Books on Demand lieferte das Werk gerade noch rechtzeitig, so dass wir es meiner Familie unter den Christbaum legen konnten.
Natürlich, das Bändchen wird nie einen Literaturpreis gewinnen. Frau Frogg, die unbarmherzigste Kritikerin von Frau Frogg, war sogar höchst ungnädig: "Das Zielpublikum ist unklar definiert. Entsprechend stillos ist die Sprache, und entsprechend ungenau sind gewisse Dinge herausgearbeitet. Die Kinder werden es nicht verstehen", sagte sie. "Ja, klar, ich habe das Buch ja auch für meinen Vater geschrieben, für wen denn sonst?!" maulte ich. Aber ich hatte beim Schreiben auch ein bisschen auf seine Enkelinnen geschielt - ohne wirklich für Kinder zu schreiben. Kurz - ich hatte meinen eigenen Ansprüchen nicht genügt.
Aber dann besuchte ich dieser Tage meines Vaters jüngere Enkelin Carina (7), mein Gottenkind. Stolz hielt sie mir das Buch entgegen. "Ich habe es an einem Abend gelesen!", sagte sie. "Die Geschichte, wo der Opapi dem Huhn den Kopf abhaut, die fand ich am lustigsten."
Da breitete sich Freudestrahlen auf dem Gesicht von Frau Frogg aus, auch wenn gerade die Geschichte vom geköpften Huhn für heutige Kinder vielleicht nicht optimal geeignet ist, die soll man ja nicht zu sehr mit Blut und Gewalt drangsalieren. Aber hier ist sie: Mein Vater arbeitete als als Jugendlicher als Knecht auf einem Bauernhof in der Westschweiz. Eines Tages befahl ihm Madame, ein Huhn zu schlachten. Vater Frogg, selber Bauernsohn, hackte dem Federvieh souverän den Kopf ab. Doch der Vogel hatte heftige Nervenzuckungen, riss sich los und rannte ohne Kopf auf die Bäuerin zu. Das Schicksal wollte es, dass Madame gerade an jenem Tag eine frische, weisse Schürze trug - die war nach dem Zusammenstoss mit dem kopflosen Huhn von oben bis unten voller Blut.
Fazit: Man sollte die Auffassungsgabe seiner Nichten nicht unterschätzen. Und: Vielleicht kann man der Nachwelt nicht auf Anhieb die wichtigsten Dinge vermitteln. Aber es bleibt doch immer etwas hängen.
Natürlich, das Bändchen wird nie einen Literaturpreis gewinnen. Frau Frogg, die unbarmherzigste Kritikerin von Frau Frogg, war sogar höchst ungnädig: "Das Zielpublikum ist unklar definiert. Entsprechend stillos ist die Sprache, und entsprechend ungenau sind gewisse Dinge herausgearbeitet. Die Kinder werden es nicht verstehen", sagte sie. "Ja, klar, ich habe das Buch ja auch für meinen Vater geschrieben, für wen denn sonst?!" maulte ich. Aber ich hatte beim Schreiben auch ein bisschen auf seine Enkelinnen geschielt - ohne wirklich für Kinder zu schreiben. Kurz - ich hatte meinen eigenen Ansprüchen nicht genügt.
Aber dann besuchte ich dieser Tage meines Vaters jüngere Enkelin Carina (7), mein Gottenkind. Stolz hielt sie mir das Buch entgegen. "Ich habe es an einem Abend gelesen!", sagte sie. "Die Geschichte, wo der Opapi dem Huhn den Kopf abhaut, die fand ich am lustigsten."
Da breitete sich Freudestrahlen auf dem Gesicht von Frau Frogg aus, auch wenn gerade die Geschichte vom geköpften Huhn für heutige Kinder vielleicht nicht optimal geeignet ist, die soll man ja nicht zu sehr mit Blut und Gewalt drangsalieren. Aber hier ist sie: Mein Vater arbeitete als als Jugendlicher als Knecht auf einem Bauernhof in der Westschweiz. Eines Tages befahl ihm Madame, ein Huhn zu schlachten. Vater Frogg, selber Bauernsohn, hackte dem Federvieh souverän den Kopf ab. Doch der Vogel hatte heftige Nervenzuckungen, riss sich los und rannte ohne Kopf auf die Bäuerin zu. Das Schicksal wollte es, dass Madame gerade an jenem Tag eine frische, weisse Schürze trug - die war nach dem Zusammenstoss mit dem kopflosen Huhn von oben bis unten voller Blut.
Fazit: Man sollte die Auffassungsgabe seiner Nichten nicht unterschätzen. Und: Vielleicht kann man der Nachwelt nicht auf Anhieb die wichtigsten Dinge vermitteln. Aber es bleibt doch immer etwas hängen.
diefrogg - 1. Jan, 16:22
5 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
steppenhund - 1. Jan, 18:18
:)
Es ist das Schicksal von Autoren, dass oft ganz andere Dinge als wesentlich angesehen werden als die, welche sie selbst mit Wichtigkeit versehen wollten.
Habe sehr schmunzeln müssen.
Es ist das Schicksal von Autoren, dass oft ganz andere Dinge als wesentlich angesehen werden als die, welche sie selbst mit Wichtigkeit versehen wollten.
Habe sehr schmunzeln müssen.
walküre - 2. Jan, 14:48
Also dass die Sprache in diesem Bändchen ziellos ist, wage ich stark zu bezweifeln. Abgesehen davon ist nichts (für mich) schlimmer als Sprache, die sich an ein Zielpublikum anbiedernd heranschleicht.
(Ich würde gerne in das Bändchen zumindest hineinlesen, und mit diesem Wunsch bin ich hier sicher nicht alleine.)
(Ich würde gerne in das Bändchen zumindest hineinlesen, und mit diesem Wunsch bin ich hier sicher nicht alleine.)
diefrogg - 3. Jan, 11:20
Tja, wo beginnt...
die Anbiederung? Wo haben wir es einfach mit einer für ein bestimmtes Zielpublikum verständlichen Schreibe zu tun? Da werfen Sie eine interessante Frage auf, die mich als Journalistin immer mal wieder beschäftigt - und manchmal geärgert - hat.
Dass Sie gerne in das Bändchen hineinlesen würden, schmeichelt mir natürlich. Nun ist der Text eigentlich nicht für einen Blog gemacht. Mein Vater wird ja auch mit seinem richtigen Namen genannt. Mich dünkt, das passt nicht hierhin. Aber ich kann ihn mal fragen, ob ich Ihnen das pdf schicken kann, wenn es Sie wirklich interessiert.
Dass Sie gerne in das Bändchen hineinlesen würden, schmeichelt mir natürlich. Nun ist der Text eigentlich nicht für einen Blog gemacht. Mein Vater wird ja auch mit seinem richtigen Namen genannt. Mich dünkt, das passt nicht hierhin. Aber ich kann ihn mal fragen, ob ich Ihnen das pdf schicken kann, wenn es Sie wirklich interessiert.
walküre - 3. Jan, 12:11
Am besten gefällt mir, wenn jemand, der schreibt, sich selber treu bleibt. Aus diesem Eck kommen dann die interessantesten, lebendigen Texte, nämlich welche, auf die man sich einlassen muss, die einen fordern, die mitunter auch unbequem sind, aber auch welche, in denen man sich vom ersten Satz an geborgen fühlt.
Literarische Anpassung ans Zielpublikum akzeptiere ich für meinen Teil genau bei einem Genre, nämlich bei Lehrbüchern; alles andere empfinde ich als eine Art von Gleichmacherei.
Was das Bändchen angeht, so bitte ich Sie, sich nicht zu bemühen, zumal ich die Geschichten gerne hier gelesen hätte (Ich erinnere mich gerne an Begebenheiten aus dem Leben Ihrer Großeltern, die im Blog Eingang gefunden hatten). Auf jeden Fall danke ich für Ihr Angebot !
Literarische Anpassung ans Zielpublikum akzeptiere ich für meinen Teil genau bei einem Genre, nämlich bei Lehrbüchern; alles andere empfinde ich als eine Art von Gleichmacherei.
Was das Bändchen angeht, so bitte ich Sie, sich nicht zu bemühen, zumal ich die Geschichten gerne hier gelesen hätte (Ich erinnere mich gerne an Begebenheiten aus dem Leben Ihrer Großeltern, die im Blog Eingang gefunden hatten). Auf jeden Fall danke ich für Ihr Angebot !
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