...und seine sechs Ehefrauen
Heinrich VIII. von England (hier dargestellt vom Filmbeau Jonathan Rhys-Meyers) schenkte den Briten eine neue Staatsreligion. Und er verschliss nicht weniger als sechs Ehefrauen. Zwei davon liess er hinrichten. Unser Englischlehrer - er trug den Titel the Master of Sarcasm - brachte uns die Geschichte der sechs Frauen als amüsante Gruselstory mitsamt Anzähl-Sprüchlein bei: "divorced, beheaded, died - divorced, beheaded, survived". Wobei er beim Wort "beheaded" stets diesen süffisanten Unterton anschlug, mit dem er uns Teenager bei Laune zu halten pflegte.
Dazu dürfte er uns die Geschichte etwa so erzählt haben: Des Königs erste Gattin war Katharina von Aragon aus dem spanischen Königshaus, sieben Jahre älter als Heinrich. Als er sich in die junge, ehrgeizige Hofdame Anne Boleyn verliebte, hatte Katharina schlechte Karten. Heinrich wollte die Scheidung um jeden Preis. Der Papst legte aber sein Veto ein. Da kam es Heinrich zupass, dass gerade die Reformation im Gange war. Er gründete die anglikanische Kirche, wurde selber ihr Oberhaupt und bewilligte sich die Scheidung. Er heiratete Anne Boleyn (Bild unten).
Diese erwies sich nun aber als ziemlich fordernd - und was noch schlimmer war: Sie gebar ihm keinen Sohn. Schliesslich hatte Heinrich genug von ihr. Er warf ihr irgendwelche Bettgeschichten vor - und damit Hochverrat. Sie wurde geköpft.
Da Heinrich immer noch einen Erben brauchte, wandelte er schnell wieder auf Freiersfüssen - und ehelichte die blutjunge Jane Seymour. Diese produzierte den erwünschten Thronfolger - und starb dabei.
Nun versuchte man Heinrich aus politischen Gründen eine protestantische Braut schmackhaft zu machen. Man zeigte ihm ein Bild der hübschen Anna von Kleve.
Sofort willigte er zur Heirat ein und liess die Schöne kommen. Doch das Bild war eine Propagandalüge. Anna soll ihm zu alt und dem ganzen Hof viel zu provinziell gewesen sein. Er liess sich von ihr scheiden und schob sie aufs Land ab.
Nummer fünf, Catharine Howard, war wieder eine hübsche, junge Hofdame. Zu jung - sie hielt es mit dem gealterten Monarchen nicht aus und betrog ihn. Hochverrat. Kopf weg.
Erst mit der sechsten Frau, Catherine Parr, schien es für Heinrich endlich so etwas wie Familienglück zu geben. Aber er starb nur drei Jahre nach der Heirat.
Nach dieser Englisch-Lektion verschwand Heinrich VIII. ein Vierteljahrhundert lang aus der Wahrnehmung von Frau Frogg. Er entsprach nicht dem Zeitgeist. Ich meine: Wer interessierte sich für Religion? Und aus einer Scheidung wollte man doch keinen Skandal machen! Aber in diesem Jahrzehnt feiert der royale Blaubart aus London eine triumphale Auferstehung.
Erst kam die TV-Serie Die Tudors, aus der das obige Bild von Henry stammt. Sie zeigte den Monarchen als vitalen, machtbesessenen und nur beinahe gewissenlossen Renaissance-Menschen. Wer das politisch-religiöse Getue nicht versteht, kann sich auf die Prachtentfaltung der Inszenierung konzentrieren: Frauen in Pelzen und Perlen - und die Kleriker in luxuriösem Purpur.
Die Serie zeigte: Die Ära Henrys ist unserer Zeit nicht unähnlich. Die da oben haben Kohle und zeigen es schamlos. Die in der oberen Mitte sind verunsichert, denn die Institutionen bröckeln - und in den daraus entstehenden Ungewissheiten kann man sich um Kopf und Kragen spekulieren. Und die weiter unten - naja, da sieht besser man gar nicht hin.
Auch die britische Literatur feiert das Erbe Henrys. Eben hat die Autorin Hilary Mantel zum zweiten Mal den Booker-Preis für einen Roman über Heinrichs Höfling Thomas Cromwell erhalten:
Nicht, dass ich ihn schon gelesen hätte. Der erste Band, "Wolf Hall", war für mich ein zäher Brocken - er erfordert viel Hintergrundwissen. Mit dem zweiten warte ich noch ein bisschen.
Ich habe nämlich eine tolle Quelle gefunden, um mein Hintergrundwissen aufzubessern. Alles über Heinrich, seine Ehefrauen und die damalige politische und dynastische Grosswetterlage in einem Titel aus dem reichen Fundus von Erbtante Dora.
Das Buch dreht sich zwar hauptsächlich um das Leben von Elisabeth I., die eine Tochter Heinrichs war. Aber auf 100 Seiten und mit drei Stammbäumen erklärt Lavater-Sloman die ganze Sache mit Henry anschaulicher als hundert Stunden "Tudors"!
diefrogg - 7. Nov, 10:08
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
steppenhund - 7. Nov, 12:52
Als Kind habe ich mich immer gewundert, dass man Heinrich den 8. nicht einfach mit Vergessenheit bestraft. Aber es zeigt sich, dass ein Mörder mehr "Anerkennung" bekommt als einer der "gut" war.
diefrogg - 7. Nov, 13:37
Tja, Verirrungen faszinieren...
die Menschen mehr als gelungene Biografien, das steht ausser Zweifel. Ist aber interessant, dass Sie sich das als Kind so überlegt haben. Zeugt von einer frühen Reife.
Im historischen Kontext ist der Blutdurst von Heinrich gar nicht so unüblich. Andere Monarchen der Ära verschonten zwar ihre Ehefrauen vor dem Beil - aber die Reformation kostete auf dem ganzen Kontinent die Köpfe zahlreicher Untertanen.
Im historischen Kontext ist der Blutdurst von Heinrich gar nicht so unüblich. Andere Monarchen der Ära verschonten zwar ihre Ehefrauen vor dem Beil - aber die Reformation kostete auf dem ganzen Kontinent die Köpfe zahlreicher Untertanen.
Kulturflaneur - 7. Nov, 14:39
Heimliche Royalistin
Sag ich's doch! Unsere Frau Frogg ist nicht nur mit Leib und Seele Anglistin, sondern auch heimliche Royalistin. Das zeigt sich schon daran, dass den Pluralis majestatis gebraucht und von sich und Frau Frogg spricht...
diefrogg - 7. Nov, 18:19
:))
Na, es geht so mit dem Royalismus. Erst dank Lavater habe ich überhaupt begriffen, wer dieser Karl V. war. Da musste ich mir dann doch sagen, dass ich zwar die Geschichte der Habsburger nicht verstehe - dafür aber wenigstens die Komplexitäten des helvetischen Föderalismus.
Und dass ich von mir und Frau Frogg spreche, hat eher damit zu tun, dass ich wohl manchmal eine etwas gespaltene Persönlichkeit bin.
Und dass ich von mir und Frau Frogg spreche, hat eher damit zu tun, dass ich wohl manchmal eine etwas gespaltene Persönlichkeit bin.
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