Echte Gentlemen, keine Schweizer
Es geschah im Café Mozart in Wien. Das Lokal war voll und vor mir warteten zwei Männer-Grüppchen auf einen Sitzplatz. Ich wäre gern woanders hingegangen. Aber ich konnte nicht. Ich hatte mich im Café Mozart mit Herrn T. verabredet.
Da wurde ein Tischchen frei und der Kellner wollte das vorderste Herren-Grüppchen abholen.
"Ach lassen Sie die Dame vor", sagte der eine Herr.
Ich war verblüfft. In der Schweiz passiert mir sowas nie. Auch dann nicht, wenn ich besser angezogen bin als ich es an jenem Tag war. Ich trug diese hellgraue Jacke, in der ich aussehe wie etwas, was der letzte Wirbelsturm hereingetragen hat. Ich meine: Man sollte wenigstens wie eine Dame angezogen sein, wenn man wie eine Dame behandelt wird.
"Aber meine Herren, Sie waren alle vor mir da!" sage ich.
"Eine Schweizerin lassen wir doch gerne vor!" antwortet da einer der Herren. Wahrscheinlich ein Deutscher.
Das hat er gern gesagt. Er hat gern gesagt, dass er meinen Akzent erkannt hat und dass er selber besser Hochdeutsch kann. Und schwingt da etwas von dem Staunen über die Schweizer mit, das einem als Schweizerin im Ausland hie und da begegnet? Gerade bei Deutschen? Diese oft ziemlich direkt ausgesprochene Frage, warum wir eigentlich immer noch in einem Land leben, in dem Milch und Honig reichlich fliessen?
Hey, möchte ich sagen, wir leben ein Land mit Milch und Honig. Aber ohne Gentlemen!
Ich lächle, sage: "Danke, die Herren!" und folge dem Kellner zum freien Tischchen.
Allen Gentlemen schenke ich einen Soundtrack mit einer wirklich sexy gekleideten Sirene, die auch eine tolle Musikerin ist.
Da wurde ein Tischchen frei und der Kellner wollte das vorderste Herren-Grüppchen abholen.
"Ach lassen Sie die Dame vor", sagte der eine Herr.
Ich war verblüfft. In der Schweiz passiert mir sowas nie. Auch dann nicht, wenn ich besser angezogen bin als ich es an jenem Tag war. Ich trug diese hellgraue Jacke, in der ich aussehe wie etwas, was der letzte Wirbelsturm hereingetragen hat. Ich meine: Man sollte wenigstens wie eine Dame angezogen sein, wenn man wie eine Dame behandelt wird.
"Aber meine Herren, Sie waren alle vor mir da!" sage ich.
"Eine Schweizerin lassen wir doch gerne vor!" antwortet da einer der Herren. Wahrscheinlich ein Deutscher.
Das hat er gern gesagt. Er hat gern gesagt, dass er meinen Akzent erkannt hat und dass er selber besser Hochdeutsch kann. Und schwingt da etwas von dem Staunen über die Schweizer mit, das einem als Schweizerin im Ausland hie und da begegnet? Gerade bei Deutschen? Diese oft ziemlich direkt ausgesprochene Frage, warum wir eigentlich immer noch in einem Land leben, in dem Milch und Honig reichlich fliessen?
Hey, möchte ich sagen, wir leben ein Land mit Milch und Honig. Aber ohne Gentlemen!
Ich lächle, sage: "Danke, die Herren!" und folge dem Kellner zum freien Tischchen.
Allen Gentlemen schenke ich einen Soundtrack mit einer wirklich sexy gekleideten Sirene, die auch eine tolle Musikerin ist.
diefrogg - 3. Mai, 21:35
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
steppenhund - 4. Mai, 09:50
Wahrscheinlich hatten Sie die richtige Ausstrahlung.
In bestimmten Fällen würde ich genauso wie die Deutschen handelt, (übrigens sehr ungewöhlich, wenn es wirklich Deutsche waren:) in anderen Fällen würde ich mein "Recht" beanspruchen.
Wenn Sie allerdings Ihren Satz sagen, dass ich vor Ihnen da war, würde ich automatisch Ihnen den Vortritt lassen.
So einfach funktioniert das:)
(Denn dann kann man sich selbst suggerieren, dass man ein höflicher, hilfsbereiter und "guter" Mensch ist. Und das ist wertvoller, als sofort sitzen zu können.)
-
Im übrigen würde ich allenfalls prüfen, ob wir nicht zusammen an einem Tisch Platz hätten. Das Dazusetzen ist gar nicht so ungewöhnlich.
In bestimmten Fällen würde ich genauso wie die Deutschen handelt, (übrigens sehr ungewöhlich, wenn es wirklich Deutsche waren:) in anderen Fällen würde ich mein "Recht" beanspruchen.
Wenn Sie allerdings Ihren Satz sagen, dass ich vor Ihnen da war, würde ich automatisch Ihnen den Vortritt lassen.
So einfach funktioniert das:)
(Denn dann kann man sich selbst suggerieren, dass man ein höflicher, hilfsbereiter und "guter" Mensch ist. Und das ist wertvoller, als sofort sitzen zu können.)
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Im übrigen würde ich allenfalls prüfen, ob wir nicht zusammen an einem Tisch Platz hätten. Das Dazusetzen ist gar nicht so ungewöhnlich.
diefrogg - 4. Mai, 10:12
Na, ich denke schon...,
dass ich mich mit Ihnen an einen Tisch setzen würde! Allerdings ist dieses "Please Wait to Be Seated"-Wesen (an jenem Tag im Café Mozart offensichtlich notwendig) solchen Vorgehensweisen nicht sehr zuträglich. Man sich nicht rechtzeitig abspricht, geht man ja eigentlich davon aus, dass einem der Kellner die Platzwahl abnimmt.
Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Wiener in dieser Hinsicht ziemlich unkompliziert sind...
Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Wiener in dieser Hinsicht ziemlich unkompliziert sind...
walküre - 5. Mai, 16:29
"Please wait to be seated" ist an vielen Tagen entlang stark touristisch frequentierter Gassen leider eine unabdingbare Notwendigkeit, weil sonst die weniger manierlichen Zeitgenossen unter den Wien-Besuchern buchstäblich vor jedem einzelnen Tisch Schlange stehen würden. Aber Höflichkeit und Rücksichtnahme genieße ich hier oft, praktiziere diese Tugenden jedoch auch selber. Mir bricht keine Verzierung ab, wenn ich beispielsweise einem Mann, der beide Hände mit Taschen oder Koffern voll hat, eine Eingangstür aufhalte.
Mir kommt vor, dass es - aus welchen Gründen auch immer - in Wien nicht allzuviele (private, nicht geschäftliche) Besucher aus der Schweiz gibt; vielleicht rührt auch daher die zuvorkommende Geste.
Mir kommt vor, dass es - aus welchen Gründen auch immer - in Wien nicht allzuviele (private, nicht geschäftliche) Besucher aus der Schweiz gibt; vielleicht rührt auch daher die zuvorkommende Geste.
diefrogg - 5. Mai, 21:31
Die Sache mit dem...
Schlangestehen an jedem Tisch kann ich mir gut vorstellen. In der Schweiz herrschen auch in dieser Hinsicht rüde Sitten. "Please Wait to Be Seated" gibt es nur in wenigen Lokalen - am wenigsten in denjenigen, in denen wirklich was los ist. Dort herrscht das stets das Recht des Stärkeren. Dafür spreche ich in bestimmten Lokalen den Kellner oder die Kellnerin an und frage, wo ich mich hinsetzen darf. Gerade, wenn ich allein bin. Ich bin von einer Kellnerin schon so blöd angemacht worden, weil ich allein ein Vierertischchen an sonniger Lage besetzte, dass ich auf- und davonging und das Lokal nachher mindestens ein halbes Jahr nicht mehr besucht habe.
Aber ich will nicht ständig über die Schweiz lästern. Eigentlich sind die Schweizer Kellner ja nett und oft sogar humorvoll.
Aber ich will nicht ständig über die Schweiz lästern. Eigentlich sind die Schweizer Kellner ja nett und oft sogar humorvoll.
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