22
Mai
2011

Die Einsamkeit

Ich habe eine neue Freundin. Sie heisst Einsamkeit. Sie besucht mich vor allem an den Wochenenden, an denen der Kulturflaneur viel weg ist.

Wir unterhalten uns bestens. Wir machen lange Spaziergänge. Wir geben uns dem Musikgenuss hin. Wir schreiben lange Blog-Einträge. Ein bisschen zu lang, vielleicht.

Ich kenne die Einsamkeit schon lange. Aber früher mied ich sie wie die Pest. Als Studentin bekam ich Angstzustände, wenn sie bei mir an der Tür klingelte. Ich floh dann immer. Später kam sie hie und da zu Besuch, aber ich ignorierte sie einfach. Ich war beschäftigt.

Erst als ich zeitweilig fast nichts mehr hörte, musste ich mich mit ihr arrangieren lernen. Jetzt ziehe ich sie irgendwelchen mittelmässigen Theater-Vorführungen hundertmal vor. Ich verlasse mich drauf, dass ich meine Freunde finden werde, wenn ich sie brauche. Und dass ich es erfahre, wenn jemand mich braucht.

Ich bin glücklich.

Doch ab und an habe ich merkwürdige Erlebnisse. Gestern zum Beispiel war ich (zum Erstenmal seit langer Zeit) auf Reportage. Ein wichtiger Lokal-Anlass. Ich bretzelte mich extra ein bisschen auf und lackierte mir die Zehennägel ganz comme il faut.

Es waren Leute da, die etwas zu sagen haben. Früher hätte ich mich hemmungslos an sie herangemacht. Schon aus beruflichen Gründen. Auch diesmal war ich bereit. Ich hatte den Einstieg für eine Konversation auf der Zunge. Ich steuerte auf Herrn Wichtig zu. Doch fünf Meter vor dem Ziel goss mir jemand Blei in die Beine. Ich verschluckte mich an meinem Konversations-Einstieg und musste erst mal stehen bleiben. Zehn Minuten später stand ich immer noch an derselben Stelle.

Ich glaube, ich werde langsam eigenbrötlerisch.

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Journal einer Kussbereiten

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