21
Jul
2015

Eine glückliche Ehe

Auf vielfachen Wunsch liefere ich hier noch den Schluss der Liebesgeschichte von Karl und Katharina nach. Ich bin ja nach der letzten Folge nicht nur ohne Abmeldung in die Ferien verreist. Ich war auch noch überzeugt, die Geschichte fertig erzählt zu haben. Aber einige meiner Leserinnen kennen mich besser als ich selber - denn dieser Text schwirrt mir schon seit Beginn der Serie im Kopf herum:

1958 heirateten Karl und Katharina. Die Ehe sei sehr, sehr glücklich gewesen, sagt sie. "Er hat mich auf Händen getragen, immer!" Dann erzählt sie, wie er, der Frühaufsteher, ihr jeden Morgen eine Tasse Kaffee ans Bett gebracht habe. Sie klingt dabei ein bisschen wie meine verstorbene Grossmutter Walholz. Auch deren Mann, Eugen, war der liebste und der beste aller Ehemänner gewesen. Jedenfalls in ihrer Erinnerung. Ich bin bei solchen Schilderungen immer etwas misstrauisch. Ich meine: Es muss doch auch in den Ehen unserer Grossmütter öde Strecken gegeben haben, Szenen, Zweifel, Verzweiflung, verbotene Sehnsüchte. Verdankt sich das Eheglück unserer Grossmütter einer gnädigen Erinnerung, die manches aufhellt und retouchiert? Oder dem Wunsch der Erzählerin, der jüngeren Zuhörerin von einem gelungenen Leben zu berichten?

Oder waren unsere Grossmütter einfach glücksfähiger als unsere Mütter ("seit er pensioniert ist, ist er immer zu Hause. Manchmal halte ich es fast nicht aus")? Oder meine jüngeren Freundinnen ("Er ist der Mann meines Lebens!" seufzen sie mit rot geweinten und blau geränderten Augen über den unsteten Gesellen, der sich nach letzter Nacht noch auf der Bettkante dann doch wieder für die Ehefrau entschieden hat)?

Wie dem auch sei: Die Ehe von Karl und Katharina überdauerte bis ins neue Jahrtausend. Die beiden hatten zwei Töchter. Sie lebten ihr ganzes Leben lang in ihrer kleinen Wohnung in Luzern und gerieten auch mal mit der barschen Vermieterin aneinander - im Rückblick heitere Episödeli. Karl wurde Lastwagenfahrer und nach seiner Pensionierung ein passionierter Gärtner.

Und dann, eines Tages in den nuller Jahren, fuhr er am Morgen schnell mit dem Rad hinaus nach Horw. Katharina wartete auf ihn mit dem Zmittag. Aber er kam nicht. Dafür kamen später zwei Männer. Als sie die vor der Tür sah, wusste sie sofort, dass etwas Schlimmes passiert war. Und in der Tat: Karl war kurz vor der Allmend auf der Hauptstrasse vom Velo gefallen wie ein Sack Zement - plötzlicher Herztod.

Die Erinnerung daran kennt keine Gnade. Sie ist und bleibt entsetzlich.

Diesen Beitrag habe ich auch beim Herrn neonwilderness angemeldet - als Beitrag zu seinem Glück bringenden Projekt *txt. Das zehnte Wort: "Glück".

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iGing - 23. Jul, 13:54

Hatten die Frauen von damals keine großen Ansprüche? Oder war es nicht vielmehr so, dass sie, wenn das Wesentliche - die Versorgung - stimmte und der morgendliche Kaffee, angereichert mit etwas Freundlichkeit, dazukam, das einfach schon als das Optimale ansahen? Und war es das denn nicht auch?
Und Männer, denen nicht ständig Vorhaltungen gemacht werden, schaffen es also offenbar auch bis ins nächste Jahrtausend ...
Nur: Alles hat ein Ende. Warum dies so aussah, weiß niemand.

Mir hat sie sehr gefallen, die Geschichte! Danke.

diefrogg - 23. Jul, 15:33

Freut mich,

dass es gefallen hat! Dass die Frauen von damals anspruchsloser waren, ist leicht nachzuvollziehen. Unsere Grossmütter haben ja immer von den Entbehrungen des Krieges erzählt, die sie als Kinder erlebt haben. Da muss es schon mal positiv gewesen sein, wenn der Mann überhaupt da war und man auf ihn zählen konnte.

Nur: Das "angereichert mit etwas Freundlichkeit" ist doch eine komplexe Sache, nicht?
iGing - 23. Jul, 16:33

Man kann es natürlich verkomplizieren, indem man es hinterfragt, aber vielleicht war Freundlichkeit noch nicht mal verlangt, dementsprechend wurde sie nicht erwartet - und schon stimmt alles. Eigentlich doch recht einfach, oder?
diefrogg - 23. Jul, 19:18

Oh, entschulding,

jetzt verstehen wir uns, glaube ich, falsch! Ich habe den Karl ja noch gekannt, sogar ein- oder zweimal mit ihm geplaudert - mein Weg hinunter zur Strasse führt an Nachbars Garten vorbei. Ich bin sicher, dass er im Allgemeinen ein freundlich Mann war, auch als Ehemann. Wenn er das nicht gewesen wäre, hätte ich die Geschichte nicht geschrieben.

Ich weiss nur von meiner Grossmutter, dass ihre Ehe nach dem Tod ihres Mannes in ihrer Erinnerung sehr viel weniger stürmisch war als in meiner (ganz zu schweigen von der meiner Mutter). Eben fällt mir noch ein weiterer möglicher Grund dafür ein: De mortuis nihil nisi bene (von den Toten sagt man nur Gutes)?
katiza - 29. Jul, 12:41

Auf der Großmutter Ihrem Kaffeehäferl....wie gnadenreich sind verklärende Erinnerungen und unsere Großmütter und Mütter (meine zumindest) hatten diese öden Strecken, Szenen, Zweifel, Verzweiflung, verbotene Sehnsüchte - und jede ihre eigene Art damit umzugehen. Sie blieben in Ihren Ehen, aus verschiedensten Gründen und vielleicht begannen sie in den Zeiten der Einsamkeit da und dort aufzuhellen und zu retouchieren. Ich bin bei meiner Mama - die manchmal eher nachgedunkelt hat, über alles froh, was sie in ihrer Erinnerung an glücklich empfand, an schön. Warum das Kaffeehäferl zerschlagen?

Danke für das Happy End - für Karl zumindest, denn mitten aus dem Leben, vom Fahrrad gerissen werden ist auch ein bisschen eine Gnade. So sehe ich das zumindest in allem Respekt vor der Trauer meiner Namensgefährtin.


diefrogg - 30. Jul, 12:53

Ja, Du hast wohl recht...

Man sollte glückliche Erinnerungen nicht zu kritisch befragen. Erinnerungen sind schliesslich das Paradies, aus dem uns niemand vertreiben kann (im besten Fall... und gut, wenn sie ein Paradies sind).

Du bist ja auch Expertin im österreichischen Schlager - wirklich wieder ein sehr schöner Song, das hier!

Und: Danke fürs Lesen - dass aus meiner Nachbarin eine Namensvetterin von Dir wurde, ist eher zufällig, aber durch Deine Aufmerksamkeit im Nachhinein gerechtfertigt. Es freut mich, in Dir (und ein paar anderen) aufmerksame Leserinnen gefunden zu haben! Du kannst Dir dank einer gewissen Ortsgekenntnis jetzt dazu noch vorstellen, wo sie wohnt!
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