9
Mrz
2012

Ich lächelte


(Quelle: www.fechenbach.de)

Man ist immer froh, in turbulenten Zeiten auf Altbewährtes zurückgreifen zu können.

Edit: Die Nostalgie-Postkarten von Fechenbach begleiten mich seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Einige davon habe ich damals gekauft und nie verschickt, sondern zu meiner Erbauung behalten. Sie entlocken mir in bestimmten Lebenslagen heute noch ein Lachen - oder wenigstens ein Lächeln.

6
Mrz
2012

Am Ende

"Wir können nichts mehr für Sie tun", sagt die junge Ärztin in der Klinik. "Wir haben alles versucht. Es gibt nichts mehr."

Sie sitzt da mit dem neuen Hörtest in der Hand. Die haben mich hier tagelang mit Cortison traktiert. Eigentlich müsste ich rechts wieder gut hören. Aber in meinem rechten Ohren spielt wieder mal der wahnsinnige Akkordeonist auf. Laut.

"Und die Prognose?" sage ich.

"Wir wissen es nicht", sagt sie. "Es ist gut möglich, dass Sie auch auf dem rechten Ohr nicht ganz ertauben - sondern dass sich Ihr Gehör stabilisieren wird. Wahrscheinlich auf einer Frequenz, die sich mit Hörgeräten einigermassen korrigieren lässt. So wie beim linken Ohr. Die genetische Disposition ist ja dieselbe. Aber wie lange das dauern wird... keine Ahnung." Im Grunde weiss ich das bereits - so ungefähr. Aber es ist das erste Mal, dass eine Ärztin Klartext spricht.

Als ich später draussen vor der Klinik stehe, fühle ich mich frei. Unglaublich frei.

"Ich kann jetzt wieder leben, ohne ständig mein gutes Ohr zu schonen", denke ich. Ich weiss, dass das ein idiotischer Gedanke ist. Ich weiss ja gar nicht, wie man ohne Gehör lebt. Und ich werde Tage ohne Gehör haben, fürchte ich. Viele. Ich kenne die ganze Geschichte ja vom linken Ohr.

Aber andere können es. Ich werde es auch können.

3
Mrz
2012

Zerbrochener Vogel

Ich sass am Waldrand auf einer Bank. Die Sonne schien. Es ging mir gut, ich konnte sogar Musik hören. Das erste Mal seit einem Monat.

Da schleppte sich eine Frau mit Krücken heran. Sie hievte sich neben mich auf die Bank. Sofort wusste ich: Ich muss mit dieser Frau sprechen. Vielleicht weiss sie Antwort auf eine meiner drängenden 2387 Fragen über das Leben mit einer Behinderung.

Nun braucht es ziemlich viel Sozialkompetenz, um in der Schweiz auf einer Bank am Waldrand mit einer Unbekannten ins Gespräch zu kommen. Aber die Not schenkte mir die richtigen Worte. "Haben Sie das schon lange?" fragte ich und wies auf die Krücken. "Ziemlich", sagte sie. Sie habe vor 14 Jahren einen Unfall gehabt und leide seither an einer inkompletten Paraplegie. "Ich war 29", sagte sie. "Ich war in einem Alter, in dem meine Kollegen anfingen, so richtig abzuheben. Und ich lag da wie ein zerbrochener Vogel. Oh ja, es war ein schwerer Einschnitt." Sie beginnt leise zu weinen.

"Das tut mir sehr leid", sagte ich.

Dann redeten wir lange und gingen zusammen langsam durch den Wald. Es zeigte sich schnell, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben. Wir lachten. Ich hoffe, dass wir uns wieder sehen werden.

Ich ging nach Hause und war glücklich. In der Nacht hatte ich einen weiteren Hörsturz.

1
Mrz
2012

Wenn die Zeit stillsteht

Die Sonne scheint. Ich liege auf dem Sofa und lese.



Der Roman weckt in mir die Erinnerung an eine Welt, die ich nur beinahe erlebt habe. Langsam wird es Abend. Ich bin beinahe glücklich. Ich lege das Buch zur Seite. Ich sollte aufstehen. Ich habe in der Stadt mit einer Freundin abgemacht. Aber ich will nicht aufstehen. Ich bleibe reglos liegen. Ich verstecke mich in meiner Ruhe. Ich blicke in den blauen Himmel hinter dem Fenster. Wenn ich ganz ruhig bleibe, denke ich, wenn ich ganz ruhig bleibe, dann vergisst mich die Zeit. Dann kann ich hier liegenbleiben und muss mich nie wieder fürchten.

25
Feb
2012

Gewöhn Dich dran!

Einem Bekannten gestand ich neulich: "Ich bin mit den Nerven fertig, weil mein Gehör im Moment alle zwei Tage abstürzt." Mittlerweile erholt es sich gar nicht mehr richtig. Nur gerade so gut, dass ich überhaupt merke, dass es wieder abstürzt. Er - ich nenne ihn den Geölten Blitz - sagte: "Aber Du weisst doch, dass das zu Deiner Krankheit gehört. Gewöhn Dich doch einfach dran."

Ich bin ein braves Mädchen, deshalb dachte ich: "Wahrscheinlich hat er recht. Wahrscheinlich müsste ich das können. Wahrscheinlich bin ich einfach zu schwach. Ängstlich, labil und zu nichts zu gebrauchen." Dann entdeckte ich diesen Text bei Susanne.

Seither weiss ich: Es ist ganz normal, dass ich mit den Nerven fertig bin.

Jetzt geht es wenigstens meinen Nerven etwas besser.
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

Juni 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7571 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 14. Apr, 12:45

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren