1
Jan
2011

Auf ein zielloses 2011!

Heute Mittag stand ich an einer wichtigen Verzweigung in meinem Leben. Äusserlich war sie nicht besonders spektakulär. Ich stand unten am See. Zu meiner Rechten lag das Gewässer, am Rand von einer dünnen Eisschischt überzogen. Zu meiner Linken der Weg zum Café Sarajevo.

Es zog mich mit aller Macht zum See. Nichts fasziniert mich mehr, als wenn ein See zufriert. Aber geplant hatte ich einen Besuch im Café Sarajevo. Erstens wollte ich das Versprechen an meine Leser einlösen, das Lokal bald zu besuchen. Zweitens hatte ich weiter gehende Pläne: Würde ich dort interessantes Material finden, könnte ich das auch für die geplante Restaurant-Serie unserer Zeitung gebrauchen. Ich muss nämlich wieder mehr arbeiten.

Ich erinnere mich gut an die Zeit, als ich viel arbeitete. Jede meiner Handlungen hatte einen Zweck. Ich arbeitete schon, wenn ich morgens die Zeitung las. Und meine letzten Gedanken abends galten oft dem Büro. Überhaupt: Ich dachte viel. Dachte mit Absicht und Zweck. Es war keine schlechte Zeit. Ich hielt meine Arbeit für wichtig. Sie machte mir oft Spass. Aber rückblickend kann ich mich manchmal des Gedankens nicht erwehren, dass ich damals etwas falsch gemacht habe.

Seit meinen Hörstürzen habe ich das Leben anders kennen gelernt. Ich hatte viel Freizeit. Anfangs fand ich diesen Alltag entsetzlich. Diese langen Abende ohne Aufgabe. Ich fühlte mich wie ein Krüppel, weil ich nicht mehr malochen konnte. Dann begann ich zu spazieren. Häufig streifte ich ziellos durch die Gegend. Liess mich durch irgend einen Reiz in eine unerwartete Richtung locken. Es war gerade die Ziellosigkeit, die mich glücklich machte. Die unerwarten Entdeckungen an unerwarteten Ecken. Die unerwartete Grösse meiner kleinen Welt.

Und jetzt?

Sollte ich meine Route wieder durch Pläne und Ziele bestimmen lassen? Nein, entschied ich. Das kann warten bis morgen. Ich wandte mich dem See zu. Ein Weilchen spazierte ich dem Ufer entlang, besah das schüttere Eis. Bleib stehen. Und kehrte um. Ich konnte nicht anders. Da hatte eine Frau Frogg das Kommando übernommen, die ich kaum noch kannte. Eine Frau Frogg, die ein Ziel will.

Ich ging Richtung Café Sarajevo. Unterwegs diskutierte ich heftig mit dieser mir fremd gewordenen Frau Frogg. Sie machte mir Angst. "Ich will nicht mehr so leben wie früher", sagte ich.

Auf dem Weg in die Vorstadt ging ich ein Stück dem Fluss entlang. Der Wasserpegel war gesunken. Kiesbänke waren aus dem Wasser aufgetaucht. Die Sonne schien. Ich ging hinaus aufs Kies und blinzelte ins Licht. Sammelte flache Steine und schieferte sie hinaus ins Wasser. Ich konnte es nicht mehr, aber das war egal. Bestimmt eine Viertelstunde lang. Ich fand einen hübschen, kleinen Kiesel.

kiesel 001

Ich fand meine Ziellosigkeit wieder.

Ich will sie im kommenden Jahr behalten. So viel davon wie möglich. Euch allen wünsche ich sie auch. Sie hat etwas sehr Befreiendes.

Vom Café Sarajevo erzähle ich Euch ein andermal.

28
Dez
2010

Schmetterling im Schneegestöber

Frau Holle muss übergeschnappt sein. Eben kam es mir so vor, als hätte sie nicht nur tonnenweise Federzeug aus dem Fenster geschmissen, sondern Bettlaken und Kissen-Anzüge gleich dazu. Ich ging mit eingezogenem Kopf durch die Strassen der Vorstadt. Ich rechnete fest damit, dass es demnächst Bettpfosten und Stuhlbeine schneien würde.

Die Schneepflüge zogen durch die Dunkelheit wie die ächzende Mammut-Elefanten. Oben spuckten sie Lichtblitze an die Hausfassaden. Unten Matsch an den Strassenrand. Sie pissen Ströme aus Salzbrause.

Ich hatte nasse Füsse. Um zurück in die Stadt zu kommen, nahm ich den Bus. Am Bahnhof stiegen die jugendlichen Partygänger aus. Danach war das Fahrzeug fast leer. Nur vorne war noch ein etwas seltsamer Mann mit einer Roger-Staub-Mütze.

Unsere Bus-Chauffeure dürfen seit einiger Zeit leise Radio hören. Bei mir hinten ahnte ich die Musik nur. Aber plötzlich sprang der seltsame Mann auf und rief immer wieder aus: "Das ist ein schönes Lied! Ein schönes Lied. Schmetterling! Butterfly! Das heisst Schmetterling!"

27
Dez
2010

Kleine Sünden

Auch bei mir haben die Feiertage auf die Waage geschlagen. "Heute gibts keine Schokolade nach dem Mittagessen", sagt sich Frau Frogg streng. Auf dem Weg zur Arbeit schwenke ich in den Coop, um Obst zu kaufen. Dort sehe ich ein Körbchen Litschi für sagenhafte Fr. 2.70.

Ich greife zu, denn ich liebe Litschi. Alles an ihnen. Auch ihre Schale, die aussen so bräunlich und höckrig ist. Zieht man sie ab, so offenbart sie ihre seidig glänzende Innenseite. Zartrosa. Wenn ich Litschis schäle, muss ich immer an eine erotische Szene mit knistriger Unterwäsche denken.

Erst nach der Kasse erlaube ich mir, es zu sehen: Die Früchte sind aus Madagaskar.

Normalerweise kauft Frau Frogg nur Lebensmittel aus der Schweiz oder wenigstens aus Europa - naja, ausser der einen oder anderen Banane und dem Kaffee natürlich. "Dafür gibts heute keine Schokolade!" bekräftigt Frau Frogg.

Aber sie hat die Rechnung ohne die Lage im Büro gemacht. Hier ist über die Feiertage die Heizung ausgefallen. Am Mittag in der Cafeteria isst Kollege Fröhlich mit dem Schal. Kollege Barbarossa hat sich die Winterjacke übergezogen. Es sieht aus wie in Russland. Dort werden viele öffentliche Gebäude nicht geheizt. In Altersheimen tendiert die Temperatur im Winter oft gegen Null. Die Bewohner sitzen im Wintermantel im Aufenthaltsraum und stossen beim Reden weisse Wolken aus.

Ich habe schon zweieinhalb Stunden gefroren. Jetzt schreit jede Faser meines Körpers nach Kohlehydraten. Als Barbarossa herzhaft in einen Torino-Stängel beisst, kann ich nicht mehr an mich halten. Ich hole mir auch einen aus dem Automaten. Man muss zu diesen Schoggistängeln anmerken: Das sind massive Dinger. Nicht umsonst heisst Schokolade in dieser Grösse und Form hierzulande "es Branchli" - von Französisch: "la branche", der Ast. Wobei die helvetische Verkleinerungsform nur ein Eindeutschungs-Zeichen ist. Man könnte jemanden erschlagen mit so einem Torino-Branchli. So eins esse ich.

Später am Nachmittag sitze ich dann im Büro und schäle sorgsam ein paar Litschi-Früchte. Ich frage mich, ob es meinen CO2-Fussabdruck vergrössert, dass ich sie gekauft habe. Und ob es furchtbar verwerflich wäre, am Feierabend zu Hause auch noch ein heisses Bad zu nehmen.

24
Dez
2010

Song des Tages

Ich hätte ja so viel zu erzählen. Ein ganzes Epos könnte ich über meine dreitägige Deutschland-Reise schreiben!

Ausserdem hat der heutige "Tagesanzeiger" mir das Thema "Drei Nüsse für Aschenbrödel" schon vorweg genommen - auf der Front! Aber hier herrscht vorweihnachtliche Hektik (mitsamt den saison-üblichen Streitigkeiten). Also: Hört hier kurz rein! Es ist die tschechische Original-Version.

Und, nicht vergessen: Euch allen frohe Festtage!

15
Dez
2010

...und tschüss

Ich verabschiede mich hier wieder einmal für Tage. Ich will nach Deutschland, meine Freundin Helga besuchen.

Wenn meine Ohren mitmachen
Wenn es keine Wetter-Katastrophe gibt

Wenn... wenn...

Wenn alles klappt, bin ich erst nächste Woche wieder hier zu lesen.

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