10
Jul
2010

Top 5 Engadin: Eis

Wer eine Abkühlung braucht, ist hier genau richtig. Hier gibts einen Beitrag über die vielleicht höchstgelegene Eisdiele Europas (1200 Meter über Meer). Wobei sie natürlich nicht Eis verkauft, sondern Glatsch*, und zwar gemäss eigenen Angaben solches aus melkfrischer, biologischer Alpenmilch. Sie heisst Glatscharia Balnot.



Das Lokal liegt am Stradun, der Hauptstrasse von Scuol. Es ist in einem Gebäude untergebracht, auf dem ein grosses, gellblaues "@" prangt. Vielleicht deshalb, weil die Glatscharia gleichzeitig das Internet-Café von Scuol ist. Es gibt zwar dort lediglich zwei Terminals. Aber seit der Erfindung des Laptop besuchen wahrscheinlich nur noch Menschen das Internet-Café, die es sich leisten können, ihren Arbeitsplatz nicht in die Ferien mitzunehmen. Herr T. und ich waren jedenfalls meist weit und breit die einzigen Nutzer. Aber das Angebot war ok: Die Preispolitik leger, die Tastaturen stets sauber (keine Selbstverständlichkeit!).

Ich verbrachte gerne viel Zeit in der Glatscharia - auch wenn es damals im Engadin so kalt war, dass darob ganz bestimmt der ganzen Welt der Appetit auf Eis verging. Doch das Lokal verströmt stets diesen wunderbaren Konditorei-Duft, der Frau Frogg noch in der Erinnerung ewig und drei Tage lang Appetit auf Latte Macchiato oder wenigstens das Schöggeli zum Verveine-Tee machen wird.

Und jetzt kommen wir doch noch zum Eis, das wir wegen des kalten Wetters erst gegen Ende der zweiten Woche probierten.

Klar, dass es ausgezeichnet war. Dazu bietet die Glatscharia Balnot einige ziemlich ausgefallene Aromen an: "Holunder" zum Beispiel (ein wenig wässrig), oder "Chili-Chocolat" (mein Favorit, aber nichts für Traditionalisten), "Marzipan" und dazu alles von "Ananas" über "Aprikose" (köstlich) bis "Vanille" und "Waldbeeren".

* rumansch für Glacé oder Eis, wie auch in halla da glatsch.

9
Jul
2010

Top 5 Engadin: Val Plavna

Das Unterengadin hat mindestens ein Dutzend Seitentäler. Von aussen betrachtet sehen sie alle gleich aus: Waldig. Bergig. Aber Herr T. fuhr an guten Aussichtspunkten gerne mit dem Zeigefinger durch die Gegend und deklinierte die Namen der Täler mit unüberhörbarer Begeisterung herunter: Da das Val Sinestra, dort das Val d'Uina, hier das Val Sowieso, dort das Val Soundso und eben das Val Plavna.

An unserem ersten Schönwettertag gab es für ihn kein Halten mehr: Er führte uns auf den Engadiner Touren-Klassiker vom Val Mingèr ins Val Plavna. Hier eine genaue Tourenbeschreibung.

Das Val Mingèr ist hübsch und voller Alpenveilchen. Es liegt im Nationalpark, und wir sahen in der Ferne Munggen* herumhoppeln und wahrscheinlich mindestens einen Bartgeier. Mindestens.

Aber der erste Hammer kam nach einem fast dreistündigen Aufstieg auf dem Pässchen Sur il Foss.

Mister T. sur il foss

Ich meine: Wenn man Frau Frogg früher solche Bilder zeigte, dann lächelte sie höflich und dachte: "Rotsockenhuberei!" Frau Frogg ist eine ausdauernde Spazierergängerin. Eine Hochgebirgs-Ziege ist sie nie gewesen. Aber das hier, das war irgendwie überwältigend. Diese Weite! Wildheit! Diese Ödnis! Dieses Licht!

Der Abstieg ins Val Plavna war ebenso überwältigend. Er führt einer riesigen, steil abfallenden Geröllhalde entlang. Für Menière-Patientinnen fahrlässig. Aber ich merkte es erst, als es zum Umkehren zu spät war. Ich steckte tapfer meine Stöcke ins Gestein und schritt weiter. Und ich war glücklich. Ich wusste plötzlich, dass diese Wanderung einen Soundtrack hat. Ich sang ihn leise vor mich hin - oder versuchte es wenigstens:



Am unteren Ende der Geröllhalde steht eine Alphütte. Dort hätte ich stundenlang an der Sonne sitzen und dem Mungg weit unten auf der Bergwiese vor mir zuschauen können. Aber wir hatten zu wenig Wasser, um hier lange herum zu hängen. Und uns standen noch drei Stunden Abstieg nach Tarasp bevor. Herr T. zückte seine Karte aus dem Jahr 1985 und zeigte mir, wo's langging.

Einen weiteren Kilometer talabwärts zeigte sich, dass seine Karte nicht mehr aktuell war: Vor uns lag eine gewaltige Steinwüste. Geschiebe hatte seinen hübschen Weg total zugedeckt. Zum Glück gab es eine neue Piste. Und im Zweifelsfall wiesen da eine Baumskulptur, dort ein Steinmannli oder ein Maultierdung-Haufen den Weg.

Mr. T. im Val Plavna

Wir brauchten eine Stunde, um die Wüste zu durchqueren. Nun befanden wir uns im Bärenland. Auf dem Hügel, der auf dem Bild Herrn T.s Hals schneidet, war Meister Petz am Tag zuvor gesichtet worden. Er hatte dort auf einer Alp ein Schaf gerissen. In einem Schneerest am Wegrand hielt Herr T. Ausschau nach Bärenspuren. Aber wir sahen weder das Tier noch seine Fussabdrücke.

* Murmeltiere

6
Jul
2010

Für Fussballmuffel

Der Zwang zur Fussballbegeisterung nimmt hierzulande allmählich totalitäre Züge an. Wer sich nicht wenigstens ein bisschen für Fussball interessiert, gilt als nicht ganz normal.

Frau Frogg interessiert sich schon ein bisschen für Fussball. Aber sie war ausgerechnet während der Gruppenspiele zwei Wochen lang mit einem ausgesprochen normalen Menschen in eine Einzimmer-Ferienwohnung gesperrt. Herr T. musste Fussball gucken, so oft die Umstände es erlaubten.

Die Umstände erlaubten es oft. Das Wetter war so miserabel, dass mir nicht einmal die Fluchtmöglichkeit auf den Balkon blieb. Schon beim zweiten Gruppenspiel begann das stets mindestens 88 Minuten und 30 Sekunden lang ergebnislose Herumgerenne auf dem Bildschirm mich zu langweilen. Und gefühlte 55-Mal am Tag düdelte der offizielle WM-Jingle des Schweizer Fernsehens über den Bildschirm - gefühlte 74 Mal der offizielle Werbespot der Hauptsponsoren mit dem schwarz gekleideten Dribbler, ihr wisst schon. Dazu das nicht enden wollende Gschnorr der Herren Salzgeber, Hüppi, Suter, Gress etc. Ich erlitt einen unheilbaren Fussball-WM-Overkill.

Wegsehen konnte ich. Weghören nur bedingt. Zuerst nahm ich Ohropax zu Hilfe, um wenigstens das Gefiepe der Vuvuzelas zu dämpfen. Unter solch schwierigen Umständen las ich zwar nicht gerade Dostojewskij. Aber es reichte für diesen Roman:

Er ist so spannend, dass man ihn auch bei gedämpftem Fussball-Lärm lesen kann - und ganz schön erotisch. Er hat einen vage philosphischen Ansatz und einen äusserst perfiden Schluss.

Später lernte ich: Jahre im Grossraumbüro und noch mehr Jahre mit einem Tinnitus hatten mich bestens darauf vorbereitet, einen Meter neben einem Vuvuzelas übertragenden Fernseher auch ohne Ohropax zu lesen. So las ich den Roman zur Fussball-WM:



Das hatte den Vorteil, dass ich das Wichtigste trotzdem hörte und in der Zeitlupe dann sofort auch sah: "unseren" Sieg über die Spanier. Weltklasse-Goalie Diego Benaglio in Höchstform. Diego Maradona als Trainer-Primadonna. Den schlimmsten Schiedsrichter der Fussball-Geschichte (in jenem zweiten Schweizer Match gegen wen jetzt schon wieder?). Dass die Schweizer nach Hause gingen. Dass die Franzosen nach Hause gingen. Dass die Italiener nach Hause gingen. Dass die Afrikaner nach Hauser gingen. Dass Maradona nach Hause geht. Dass die Spanier jetzt doch brandgefährlich sind. Und die Deutschen auch. Muss man mehr wissen?

Mittlerweile sind auch Herr T. und ich wieder zu Hause. Jetzt habe ich nicht nur einen Tipp für Fussball-Muffel. Sondern auch für all jene, die nach einem Tag in der Badi in einem grossen, kühlen, unglaublich leeren Raum intelligent unterhalten werden wollen. Geht ins Kino und seht Euch diesen Film an:



Es ist ein Kostümschinken - und ein wunderbar romantischer Kostümschinken noch dazu. Aber auch ein cleverer Streifen und gar nicht so unmodern. Er dreht sich um eine Frau, die lernt, im Haifischteich der Macht zu schwimmen, im richtigen Moment zu beissen und die richtigen Kumpels zu finden. Das einzige, was sie leider nicht hat, ist eine Waffe gegen Fussball-Overkill.

5
Jul
2010

Ein Amerikaner in Zürich

Der Tigerschwager wohnt seit Jahrzehnten nicht mehr in der Schweiz. Züritüütsch spricht er mit einem US-amerikanischen Feinschliff auf den Vokalen.

Neulich, an einem fröhlichen Sommertag, machten wir uns an die Wiederentdeckung von Zürich. Er trug kurze Hosen, ein T-Shirt und ein Holzfällerhemd. Ich führte mein Sommerkleid und meinen ortsfremden Dialekt spazieren.

Beim Lindenhof setzten wir uns fürs Mittagessen in ein Gartenrestaurant an der Limmat.

Die Kellner tragen dort weisse Schürzen. Die Preise sind etwas höher als in anderen Städten, das Essen ist gut, aber nicht besser als in anderen Städten, das Haus voll. Neben uns sitzen zwei Griiten um die 30 im Büro-Outfit. Sie reden Englisch mit undefinierbaren Akzenten.

Der Tigerschwager bestellt seinen Salat auf italienische Art mit Öl und Essig. Der Kellner schwingt eine Ménagere mit dem Gewünschten plus Tabasco auf den Tisch. Da blitzt der Schalk blitzt in den Augen des Tigerschwagers und er sagt: "Wo ist denn die Maggi-Flasche?!"

Oh, Ihr kennt alle die Maggi-Flasche! Schon während unserer Jugend in den Achtzigern wurde sie bis tief in die Vorstädte der Schweiz zum Inbegriff kulinarischer Hinterwäldelei. Wir kannten sie nur noch als Kindheits-Erinnerung und als Standard-Würze auf den Tischen altmodischer Beizen.



Ich muss lachen. Aber die Griite neben mir guckt ihn schnippisch an. Offenbar glaubt sie, dass er's ernst gemeint hat.

Frau Frogg's Sommerhit dieser Woche:

4
Jul
2010

Die Glücksfee spricht

Mein Rätoromanisch-Wettbewerb hatte leider lediglich drei Teilnehmerinnen. Dafür haben alle die drei Fragen richtig beantwortet. Deshalb erhalten alle drei einen Preis. Herr T., unsere Glücksfee hat eben Lösli gezogen. Hier die Resultate:

1) Ein Stück echter Engadiner Schiefer geht in den hohen Norden an Eugene Faust
2) Eine kleine Toblerone geht an Brigitte
3) Unser bestes Foto aus dem Engadin geht an Acqua

Eugene müsste mir jetzt noch ihre Postadresse mitteilen. Dann kann die Preisverteilung losgehen!
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Journal einer Kussbereiten

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Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
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