12
Jan
2010

Und der Krimi?

Wenn es mir länger als einen halben Tag gutgeht, dann fange ich an, mir über meinen Krimi Gedanken zu machen. Ich meine: Ein bisschen arbeiten, bloggen, lesen und YouTube-Videos gucken... das kann's doch nicht sein für eine Frau in den besten Jahren! Da braucht es doch eine Mission, ein Projekt!

Vor einem halben Jahr habe ich meinen Roman aus der Hand gelegt. Seither weiss ich zwar, was ich damit machen müsste. Aber ich habe nicht die Kraft gehabt, es zu tun.

Was nicht heisst, dass nichts damit passiert ist. Ich meine: man tut zwar nicht viel, wenn man krank ist. Aber man denkt. Man hat merkwürdige Zustände. Frau Frogg hatte Visionen. In einer dieser Visionen sehe ich meine Heldin. Ich sehe sie vor mir, als wäre sie jemand, die ich kenne. Sie ist gross und etwas schlacksig. Sie hat rotbraunes Haar, einen Pagenschnitt und hat ein seltsam flaches Gesicht. Ihr Gesichtsausdruck ist mal etwas ungeduldig, mal entschlossen. Sie kräuselt gerne die Lippen. Sie trägt ein dunkles Stirnband. Sie trägt eine Tunika mit einem grosszügigen geometrischen Muster in Grün, Okker, weiss und Schwarz. Sie trägt schwarze Leggins. Sie kann sowas tragen. Damit habe ich gar nicht gerechnet. Aber ich weiss, dass sie es ist. Ich habe sie noch nie so klar gesehen.

Und doch... wenn ich es mir recht überlege: Ich glaube, ich werde mir einen freien Raum in meiner Seele behalten. Einen grossen, leeren Würfel. Für mich. Für die schiere Grösse der Welt.

Der Krimi muss warten.

9
Jan
2010

In der Frostnacht verglüht

Frau Frogg's immer noch dünnes Nervenkleid ist in den letzten Tagen massiven Temperaturschwankungen ausgesetzt gewesen. Schuld ist, wie immer, ihr Ohrenleiden. Immerhin: Nebst furchtbaren Zuständen beschert es ihr auch grosse Glücksmomente. Etwa am Donnerstag: Gegen Mittag überwand sie ein nicht unebträchtliches Tief. Sie hörte prima. Sie triumhierte: Sie fühlte sich stark, glaubte an einen dauerhaften Sieg gegen die Krankheit. Abends lud ich mir diese uralte Blues-Scheibe herunter (Ein Spontanbesuch hatte mich mit einem Kommentar auf die Spur des Songs gebracht):



Ich hörte ihn mindestens viermal hintereinander. Was für eine Stimme! Um was für verlorene Wonnen muss ein Mensch wissen, der so singen kann! Blind Willie Johnson. Seine himmeltraurige Lebensgeschichte. Ein grosser Musiker, und doch immer mausarm. Zuletzt Strassenmusiker. Als er Mitte 40 war, brannte sein Haus ab. Er hatte kein Geld, woanders hinzuziehen. Also wohnte er weiter in der Ruine. Als es Winter wurde, bekam er eine Lungenentzündung und starb. Verglüht in frostiger Nacht.

Frau Frogg dagegen schlüpfte abends glücklich ins warme Bett und wusste: "Morgen werde ich wieder Musik hören."

Aber am Freitag hatte ich einen weiteren Absturz. An Musikhören war nicht einmal zu denken. Bis abends bewahrte sich Frau Frogg wenigstens eine intakte Kampfmoral. Aber als sie in der Dunkelheit noch einmal allein hinaus auf die frisch beschneite Strasse musste, war es auch damit vorbei. In ihren Ohren dröhnte es. In ihrem Herzen schrie die Angst. Sie trägt hundert Fratzen. Sie redet von Arbeit und von Stress und von Taubheit.

Aber im Grunde ist es die Angst, in frostiger Nacht zu erfrieren.

Am Samstagmorgen war dann wieder alles ok. Der Absturz kam erst am Mittag. Und er war tief.

Heute Morgen? Alles ok. Ich höre ich wieder Blind Willie Johnson.

7
Jan
2010

Wieder Arbeiten

Den eleganten, schwarzen Mantel anziehen
Ins Büro stiefeln
In diese Aura von Freundlichkeit und Kompetenz schlüpfen, die Frau Frogg dort hat (meistens)
Wieder die Alte sein

Mit Kollegen scherzen
Arbeiten ist schön

6
Jan
2010

London Calling

Mein rechtes Ohr hat seinen neuesten Krieg gegen mich beendet. Ich kann wieder Musik hören. Doch ich gebe mich der Verzückung zögernd hin. Vielleicht brauche ich meine Kräfte ja bald wieder, um neues Ungemach auszuhalten.

Da passt es, dass ich Euch diesmal ohnehin einen Song bringen wollte, den ich als Song eigentlich nie so richtig gemocht habe. Okay, die ersten Akkorde haben etwas Elektrisierendes. Sie klingen wie zerberstende Fensterscheiben. Doch den Rest fand ich immer etwas schleppend. Schlecht tanzbar. Zwar wurde die Platte vor 20 Jahren landauf und landab in jeder Disco gespielt, die ein Gramm politisches Bewusstsein hatte. Aber im Grunde verstanden in der Schweiz die wenigsten den Pogo, den man dazu hätte tanzen müssen.

Dennoch gehört der Song unbedingt in meine Sammlung der 10 unentbehrlichen Songs. Er war der Protestsong meiner Generation.

This is:



Unser politisches Bewusstsein von damals war einfach gestrickt: Hier waren wir, jung, links, idealistisch und auf der richtigen Seite von Moral und Wahrheit. Wir wollten etwas. Wir wollten vor allem Lokale für unsere Konzerte, so genannte alternative Kulturräume. Unsere Gegner waren jene, die uns die Räume nicht herausrücken wollten. Die bürgerlichen Kapitalistensäcke, die kalten Krieger, die Faschos.

Wir kannten vor allem ein Kampfmittel. Wir demonstrierten. Wir demonstrierten viel. Für das Zaffaraya und die Reitschule in Bern. Für die Boa in Luzern.

Rückblickend bin ich stolz darauf, dass es in unseren Reihen Leute gab, die mehr konnten als demonstrieren. Solche, die Chancen schaffen, packen und entwickeln konnten. Es muss sie gegeben haben. Sonst hätten die Reithalle und das Zaffaraya nie so lange existiert. Und was die Boa betrifft: Die hat sich... sagen wir... weiter entwickelt.

Frau Frogg gehörte eher zu den Verträumten unter den Demonstranten. Und wenn sie "London Calling" hört, denkt sie heute auch gern an das London der achtziger Jahre. An Bahnfahrten durch die Millionenstadt, die sich still dem Verfall anheim gegeben zu haben schien. Wie hat sich diese Stadt in 20 Jahren aufgemotzt! Unglaublich! Sie denkt an Margaret Thatcher. An English, ihren Grosskapitalisten-Kumpel. Auch er war damals ein junger Linker. Dieses Plakat hing in seinem Wohnzimmer:

2
Jan
2010

Jemandem wehtun

Mein Gehör ist in der Nacht noch weiter abgestürzt. Ausser dem aufgeregten Tinnitus-Gesinge in meinem Kopf höre ich in der Wohnung fast gar nichts mehr. Mittlerweile finde ich in diesem Zustand sogar Hoffen zu anstrengend. Ich habe doch schon so viel gehofft, so oft gewartet! Was kann ich anderes tun als einfach hinzunehmen, was als nächstes kommt?

Aber manchmal verspüre ich den merkwürdigen Wunsch, jemandem weh zu tun.

Meiner Mutter zum Beispiel. Wenn sie sagt: "Es wird Dir nichts anderes übrig bleiben, als wieder zu arbeiten. Auch wenn Du gar nichts mehr hörst." Sie kann ja nicht wissen, welchen Schmerz sie mir mit diesem Satz zufügt. Ich kann es ihr auch nicht erklären. Sie hat sogar recht. Aber ich habe den perversen Wunsch, es ihr heimzuzahlen. Ihr irgend etwas zu sagen, was ihr ebenso wehtut.

Oder Herrn T. Wenn er sagt: "Was willst Du jetzt wieder den Ohrenarzt anrufen?! Du wirst ja sowieso taub! Akzeptier es doch einfach!" Dann würde ich ihn, ehrlich gesagt, am liebsten ohrfeigen. Sehr heftig.

Einstweilen keine Songs mehr

Die Rubrik 10 Songs ist wegen akuter Gehörschwäche bis auf weiteres sistiert. An Musik will ich im Moment gar nicht erst denken.
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