19
Aug
2009

Eine extrem starke Frau

Neulich erzählte ich einer Kollegin von meiner Kroatien-Reise. Da hat sie mir dieses Buch über Monika Hauser gegeben. Es erzählt, wie die Frauenärztin in Bosnien eine Hilfsorganisation für vergewaltigte Frauen aufgebaut hat. Trotz seines in meinen Augen missglückten Titels fesselt es mich, wie mich schon lange kein Buch mehr gefesselt hat.

Weil es drei Dinge bewirkt:

1) Monika Hauser ist eine Frau meiner Generation und in der Schweiz aufgewachsen. So komme ich in den ersten Kapiteln nicht umhin, laufend meine Biografe an jener von Hauser zu messen. Dass ich dabei nicht besonders gut wegkomme, wurmt mich zwar ein bisschen. Aber dafür kann ich gut einschätzen, wie viel Kraft, Empathie und Zivilcourage diese Frau hat. . Ich kann nicht beurteilen, was es heisst, ein Hilfswerk aufzubauen. Aber ich kann mir vorstellen, was es bedeutet, eine Bresche in die Bastion der chauvinistischen Frauenärzte von anno dazumal in einem Landspital zu schlagen. Und das hat Monika Hauser getan, im Südtirol, in Schlanders.

2) Spätestens im zweiten Drittel erfüllt mich tiefe Dankbarkeit dafür, nie Opfer eines ernst zu nehmenden sexuellen Übergriffs geworden zu sein.

3) Es schärft mein Bewusstsein dafür, wie wichtig der liebevolle Umgang mit meinen Mitmenschen ist - auch hier, auch in meinem Job.

4) Es stellt Fragen nach der Herkunft psychosomatischer Krankheiten. Fragen, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Aber es sind Fragen, die für mich relevant bleiben.

18
Aug
2009

Bei den Schönen und Reichen

Trogir ist ein unglaublich schönes Städtchen. Das ist auch dem internationales Jetset nicht entgangen. Deshalb legen dort am Quai rund um die Stadt die fetten Yachten an. Herr T. und ich liebten es, uns beim Frühstück am Quai über die Schiffe und ihre Besitzer lustig zu machen. Die Boote tragen Markennamen wie Pershing Als Kinder des Kalten Krieges müssen wir an das hier denken, wenn so etwas lesen. "Möchtegern-Weltherrscher!" lästerten wir dann jeweils. Eins der Schiffe war auf den Namen "Revitalizer" getauft. "Potenzprothese!" schnödeten wir und schilderten einander den greisen Krösus und seine jugendlichen Gespielinnen, die der leuchtend weissen Meeresvilla vielleicht bald entsteigen würden.

Die ultimative Anekdote zu diesem Ort erzählt uns Ivica. "Ich sitze gerne so am Quai und schaue abends den Leuten zu", sagt sie. "Eine Abends sah ich ein junges, schickes Paar vorbeigehen. Beide hübsch und aufgedonnert. Da kommt eine Blondine in Hot Pants und Tank Top. Sie geht am Paar vorbei. Er linst der Blonden nach. Seine Liebste sieht es und stellt ihm geistesgegenwärtig ein Bein. Er stolpert zu Boden. Seine Liebste flötet mitleidsvoll: 'Ach, Schatziii!!! Bist Du hingefallen?! Du Ärmster!!!'"

Nun ja, wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Ivica nahm es nie so genau mit dem Wahrheitsgehalt ihrer Geschichten. In Wirklichkeit hiess sie auch gar nicht Ivica, aber das macht auch nichts. Sie war jedenfalls eine in Deutschland geborene Kroatin. Und sie erzählte in gestochen scharfem Deutsch die unglaublichsten Geschichten. Wir sassen zu Viert mit ihr am Quai von Trogir, nippten unsere Cocktails und brüllten vor Lachen.

Sie wusste zum Beispiel, dass Bill Gates mit seiner Yacht noch Kroatien gekommen war. Die liege aber nicht im Hafen von Trogir. Nein, überhaupt nicht in irgendeinem Hafen. Nein, nein, Herr Gates habe seine Yacht draussen in einer Bucht parkiert. Er habe Hafengebühren sparen wollen.

Später las ich dann zwar irgendwo, Gates habe den Hafen nahe der Krka-Fälle aufsuchen wollen. Das habe er aber nicht gekonnt, weil seine 65-Meter-Yacht dafür zu lang gewesen sein. Doch die Geschichte von Ivica ist da einfach viel besser, auch wenn sie vielleicht nur gut erfunden ist.

16
Aug
2009

Sommernacht im Büro

Wieder einmal bin ich als Nachtschattengewächs im Einsatz. In unserem neuen Büro haben wir eine Klimaanlage. Sie kühlt richtig ordentlich. Zuweilen gehe ich nach draussen, um mich ein wenig aufzuwärmen.

14
Aug
2009

Desinfiktion

Gestern um 16.30 Uhr an der Frontsitzung* unserer Redaktion: Wir, rund ein Dutzend Redaktoren, gehen unsere Stoffe für die heutige Zeitung durch. Auch der Kollege Aufseher stellt seine Themen vor. Aufseher präsentiert sich gern als Boulevardsau. Er sagt etwas über die Schweinegrippe. Er will etwas von "Desinfektion" sagen und sagt "Desinfiktion".

Die Redaktorin und gelernte Literaturkritikerin Frogg findet den Versprecher richtig poetisch. So passend zu diesen Zeiten steigender Verunsicherung. Alle fabulieren schon seit Wochen über ein Problem, das real noch gar nicht existiert.

"Desinfiktion! Gutes Wortspiel", sagt sie fröhlich in die versammelte Runde.

"War nur ein Versprecher...", sagt er. Er sieht richtig verlegen aus.

Da wird mir klar, dass wir uns wohl gründlich missverstehen. Er glaubt bestimmt, er habe "Desinficktion" gesagt.

* Für Nicht-Zeitungsmenschen: Die Frontsitzung einer Zeitung findet jeweils gegen Abend statt. Die versammelten Redaktoren entscheiden dort, welche Stoffe auf der Front der Ausgabe des nächsten Tages präsentiert werden.

12
Aug
2009

Sozialismus mit Pinienduft

Ich habe über Kroatien gelästert und gelästert. Es wird höchste Zeit, dass ich mein Augenmerk auch auf meine schönen Erinnerungen an das kleine Land an der Ostadria richte. Hier die 10 Highlights unserer Reise:

1) Sozialismus mit Pinienduft: Pinienwälder laden überall an Istriens Küsten zum Spazieren. Und siehe da: Die Ufer sind zwar mit Hotels zugepflastert. Da steht auch die eine oder andere Villa. Der Zugang ist Normalsterblichen aber nicht verwehrt wie an manchen Schweizer Seen. Nein. Auf tiptopen öffentlichen Wegen kann man in diesem Land stundenlang durch duftende Parklandschaften dem Meer entlang wandeln. Eine Wohltat.

walking in malj losinj, croatia

2) Die Euphrasius-Basilika in Porec. Ein Wunderwerk byzantinischer Baukunst aus dem 4. Jahrhundert. Die Gesichter auf den Mosaiken wirken so lebendig, dass man denkt, sie würden gleich zu sprechen anfangen.


(Quelle: wikipedia.org)

3) Fisch auf kroatische Art (schmeckte besonders gut im Turmrestaurant von Porec)

4) Diesen diskreten Touch slawische Lebensart (hier nur ein Beispiel)

5) Die Arena von Pula

6) Mein kleiner Lieblingsstrand in Malj Losinj

malj losinj, crotia

7) Die Krka-Fälle, eine riesige Wasser- und Waldlandschaft, die der Tourist auf einem unglaublichen Labyrinth von Holzstegen erkunden kann

8) Das köstliche Stück Rind auf dalmatinische Art, das wir in Trogir gegessen haben

9) Die Altstadt von Dubrovnik. Die schönste Mittelmeer-Altstadt, die ich je gesehen habe (ausser Malaga, gell canela!)!

DSCN1427

10) Ein Gefühl doppelter Dankbarkeit: Grosse Dankbarkeit für die Gastfreundschaft der Menschen in Istrien und Dalmatien. Und nicht wenig Dankbarkeit dafür, in ein in einem gewissen Sinne heileres Land heimkehren zu dürfen: Die Lektüre einiger Bücher über die jüngere Geschichte dieses Landstrichs hat mir vor Augen geführt, welches Glück wir in unserer Heimat haben: Wir haben zwar Jurassier und Tessiner, Schwyzer und Appenzeller. Aber die würden nicht plötzlich erklären, sie wollten jetzt ohne Rücksicht auf die Kosten einen eigenen Staat Appenzell, Schwyz, Tessin oder Jura.
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