24
Apr
2009

Neue Diät

Der unerfreuliche Zustand meiner Ohren um Ostern hat mich zu drastischen Massnahmen veranlasst: Ich habe eine neue Diät gestartet. Sie besteht aus dem Verzicht auf einige ziemlich schwer verzichtbare Lebens- und Genussmittel:

Kaffee gar nicht mehr (auch kein Tee und keine Colagetränke)
Schokolade (ausser ein winziges Schöggeli nach dem Essen)
Wein, Bier oder andere Alkoholika (höchstens ein Glas pro Tag)
Käse (nur noch zwei kleine Scheiben pro Tag)
Schweinefleisch (gar nicht mehr)

Dazu esse ich möglichst salzarm

Ich weiss, diese Diät klingt wie die Erfindung eines rasend gewordenen Körnlipickers. Ich hätte von mir aus nie so etwas getan. Ich liebe Kaffee. Ich liebe meinen kleinen Rotwein-Schwips an einem rauschenden Fest. "Der Mensch lebt nicht vom Verveine-Tee allein", war stets meine Devise. Und Käse gehört ganz einfach zu meinen Grundnahrungsmitteln. Erfunden (oder kolportiert) hat diese Diät die American Vestibular Society Und ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass sie wirkt. Ausser Cortison ist sie das einzige, was wirkt. Aber sie ist auf Dauer verdammt schwer durchzuhalten. Deshalb sündige ich, wenn ich mich sicher fühle.

Seit Sonntag lebe ich strikt nach Körnlipickers Vorgaben und trinke keinen Kaffee mehr. Jetzt bin ich zwar morgens etwas dröge. Aber ich kann mich auf der Strasse wieder spontan umdrehen. Ohne Angst, gleich auf den Kopf zu fallen. Das rechte Ohr hat mir bislang keine Beschwerden mehr gemacht. Und auf dem linken höre ich wieder etwas besser.

Nur: Am Montag und Dienstag hatte ich plötzlich dieses äusserst unangenehmen, penetrante Ziehen in den Oberschenkeln und im Unterbauch. Eine Qual! Ich schleppte mich durch die Tage. Die Schmerzen liessen erst nach, als ich am Dienstagabend an einem Apero von Freunden eine ordentliche Portion Chorizo (Schweinefleisch!) und Käse zu mir nahm.

20
Apr
2009

Jungfräulicher

Elizabeth George ist eine der besten angelsächsischen Krimiautorinnen der Gegenwart. Sie beweist es auch in ihrem neuesten Werk. Zwischen diesem mächtigen Konvolut der Spannung hat sie doch immer auch mal Platz für ein intelligentes Spielchen mit der Sprache.

Zum Beispiel hier, als der reativierte Detektiv Thomas Lynley eine Frau befragt, die gerade am Krabbenkuchen backen ist. Mit Olivenöl, wie sie sagt: "E.V.O. Extra virgin olive oil. The virginest you can find. If there are degrees of virginity in olives." (S. 430 in der Hodder-Taschenbuchausgabe). Auf Deutsch: "Olivenöl extra vergine*. Das jungfräulichste, das man bekommen kann. Wenn es denn Abstufungen von Jungfräulichkeit gibt bei den Oliven."

Das Gebrabbel, das jetzt folgt, überlese ich. Ich schmunzle darüber, dass George eine Steigerungsform braucht, wo es gar keine gibt. Frau ist jungfräulich oder sie ist es nicht, so will es unsere Weltsicht. Und dann ertappe ich mich bei einer Frage: Kann die Aufgabe der Jungfräulichkeit vielleicht doch ein gradueller Prozess sein? Ein Prozess, der sich über Tage, Wochen oder gar Jahre hinzieht? Ich meine: Jungfräulichkeit ist etwas höchst Paradoxes. Man kann sie von aussen nicht sehen, und doch ist sie für den sozialen Status eines jungen Mädchens entscheidend. Und sagt jetzt nicht, heute und im Westen sei das nicht mehr so. Im Gegenteil: Ich bin sicher, dass viele junge Mädchen heute kaum drauf warten können, ihren Freundinnen zu erzählen, dass sie (endlich) ihre Jungfräulichkeit losgeworden sind.

Wenn man aber Sex nicht als Akt der Selbstbehauptung im jugendlichen Umfeld betrachtet, ist das erste Mal nur ein Schritt in einem langen Prozess: jenem der Entdeckung der eigenen Sexualität.

George ist da wahrscheinlich derselben Ansicht. Jedenfalls schwadroniert sie in ihrem 550-Seiter so eloquent übers Windsurfen, Vaterschaft und die grosse Trauer um den Ehepartner wie über verschiedene Erscheinungsformen der weiblichen Sexualität. Jungfräulichkeit in ihrer absoluten Form ist kein grosses Thema. Ziemlich lesenswert, finde ich.

* Aus erster Pressung. Text von mir selber dilettantisch übersetzt. Ich fange gar nicht erst an, mir vorzustellen, wie ein Profi sich müht, die Köstlichkeit dieser Stelle ins Deutsche mitzunehmen.

Elizabeth George: Careless in Red, Hodder, 2009.

18
Apr
2009

Stilles Herzrasen

Junior hat gerade einen Anfall. Wenn ich das Fenster aufmache, höre ich von unten Bässe und Gitarren heraufröhren. Das gefällt mir. Eigentlich gefällt mir Juniors Sound. Nachts hat er unser biederes Treppenhaus auch schon zu einem sirrenden Gewächshaus für Tropenpflanzen gemacht. Tags aber steht er eher auf heavy stuff. Ich werde es ihm nie sagen können, aber gerade jetzt lausche ich seinem Georgel da unten mit einem grossen Glücksgefühl. Es erinnert mich daran, dass ich tiefe Töne wieder richtig gut hören kann.

Es hat in letzter Zeit auch andere Tage gegeben. Am Ostersamstag musste ich nach einer ruppigen Woche mit viel Blubbern und Quäken auf meinem guten Ohr zum rosaroten Gift greifen. Das bringt mir zwar die tiefen Töne zurück. Aber nachher verfolgt mich jedesmal tagelang das Vieh.

Am Mittwochmorgen erwachte ich um 6.30 Uhr aus einem verstörenden Traum. Die Wirklichkeit erwies sich schnell als noch verstörender: Ich konnte die Stadt nicht hören. Die Stadt, dieses unaufhörliche, mächtige, halblaute Dröhnen, das der Wind überallhin trägt. Wenn ich die Stadt nicht höre oder wenn die Stadt gurgelt, dann steht es schlecht um mich. Grottenschlecht. Der Sound der Stadt gehört unbedingt auf die Liste der unentbehrlichen Geräusche. Ach was: Er gehört auf die Liste der Unesco. Er ist Weltkulturerbe.

Klar, dass ich Panik bekam. Mein Herz raste. Und dann passierte das Allerschlimmste: Ich konnte mein Herz nicht klopfen hören. Ihr wisst schon: diesen dumpfen elektrischen Zweitakt. Ich konnte ihn nicht mehr hören. Nur ein schwaches, hastiges zweitaktiges Rauschen hörte ich. "Hört man sein Herz mit dem Innenohr schlagen?" fragte ich mich entsetzt. "Klar", sagte die Stimme der Vernunft, "Womit den sonst?"

Einen Moment lang lag ich da wie gelähmt.

Vielleicht denkt Ihr jetzt, die Frogg sei vollständig verrückt geworden. Ist sie nicht. Das alles ist bloss eine Begleiterscheinung der Meniere'schen Krankheit, die ich inzwischen auf beiden Ohren habe (das gibt es, da ist Wikipedia nicht à jour). Mein Hausarzt hat einmal zu mir gesagt hat: "Wissen Sie, Leute, die Ihr Gehör verlieren, leiden viel mehr als Leute die blind werden." Er konnte mir nicht sagen, warum. Aber er sagte: "Die werden manchmal fast wahnsinnig." Ich weiss jetzt, warum.

Dann fiel mir ein, was ich in solchen Lebenslagen jeweils sonst tue: Ich streiche mit der Hand über mein Duvet. Wenn das Duvet normal klingt, dann ist die Welt mindestens halbwegs in Ordnung. Wenn das Duvet beim Drüberstreichen dröhnt, ist eine weitere Dosis rosarotes Gift angesagt. Die Welt war halbwegs in Ordnung. Ich flüchtete in Herrn T.'s Arme und lauschte eine Stunde lang, wie er die Klaviatur seines Atems bearbeitete. Das beruhigt mich immer. Da endlich hörte ich, wie die Stadt langsam erwachte.

Ob ich mir das alles eingebildet habe oder ob ich wirklich am frühen Morgen meine Tieftöne verloren hatte und sie erst mit dem Prozess des Erwachens langsam zurückkamen? Beides ist möglich, glaubt mir. Ich weiss es bis heute nicht.

Es hat auch keinen Sinn, darüber nachzudenken. Ich werde jetzt aufstehen, ein bisschen putzen und Juniors Bässe geniessen, so lange ich noch kann. Junior zeiht im Juni aus. Wir haben ihn hinausgeekelt. So kompliziert ist das Leben.

14
Apr
2009

Postkarte aus dem Tessin

tessin09 008

Dieses Bild zeigt den Monte San Salvatore am Luganersee am Ostersonntagmorgen (fotografiert vom Monte Brè aus).

Ihr seht also: Das Wetter war nicht immer blendend. Aber meistens (entgegen anders lautender Prognosen). Und selbst wenn das Wetter einmal nicht mitspielt, ist das Tessin eine Osterreise doch immer wieder wert.

Diesmal:

- Wegen des wunderbar verschrobenen Hotels Brè Paese und des wunderbar schrägen Hoteliers Paul Gmür
- Wegen des Dörfchens Brè Paese - einer Augenweide
- Wegen der grossartigen Gastfreundschaft unserer Freunde in Mendrisio
- Wegen des himmlischen Zickleins, das es in Gandria zu schlemmen gab
- Weil in den Wäldern des Tessins der Kopf frei wird für die Träume, die im Geäst lauern

Wie konnte ich je etwas anderes behaupten!?

9
Apr
2009

Ab in den Süden!

Jedes Jahr an Ostern erlebt man hierzulande dasselbe Phänomen: Die Bewohner der Deutschschweiz brechen in Scharen auf. Sonnenhunger hat sie gepackt. Sie wollen dem lahmarschigen Frühling im Norden ein Schnippchen schlagen, indem sie die Sonne im Süden suchen. Genauer: im Tessin. In unsere landeseigene Sonnenstube. Jedes Jahr dieselben Bilder: Kilometerlange Staus am Gotthard, platschvolle Züge.

Auch Herr T. und ich stürzen uns ins Getümmel. Dabei weiss ich es lägst: Die fürchterlichsten Erkältungen holt man sich an Ostern im Tessin. Denn wer nicht Millionär ist, muss im Tessin über Ostern abseits der Seeufer logieren. Und abseits der Seen gbt es im Tessin nur Berge. Dort brennt einem vielleicht am hohen Mittag schon die Sonne aufs Näschen. Aber das machen die Tessiner Hoteliers mit ihrem mediterranen Misstrauen vor geschlossenen Türen abends und morgens mehr als wett. So schüttelt einen am Morgen Zugluft wach, die wahrscheinlich direkt aus der Arktis kommt. Und richtig geheizt ist auch nirgends. Da kann der Geniesser-Ausflug schnell zur Überlebensübung werden, das weiss die Frogg mittlerweile.

Und dann hat man sowieso keine Gewähr, dass es im Tessin wirklich schönes Wetter ist. Es kann durchaus so sein. Oder so.

Dieses Jahr haben wir uns spät entschlossen und vor einer Woche doch noch ein Zimmer in einem Albergo reserviert. Wir hätten es nicht tun sollen. Der Wetterbericht hat die fieseste Wetterlage für einen Ausflug ins Tessin überhaupt angekündigt: Föhn. Was das bedeutet, muss ich nur Nichtschweizern erklären. Wir lernen es hierzulande in unserer ersten Geografiestunde: Wenn der Föhn bläst, ist das Wetter im Norden schön. Im Tessin aber regnet es.

Dennoch, Freunde: Morgen reisen wir. Ich bin also für ein paar Tage weg.
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Journal einer Kussbereiten

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