16
Mrz
2009

Bäuchlein angesetzt

Es ist wieder so weit. Wir alten Freunde schlemmen uns durch unser jährliches Smörgasbord.

Nach dem Kaffee sitzen wir da und warme Gefühle senken sich über uns. Diese Zärtlichkeit, die man nur uralten Freunden gegenüber empfindet, von denen man weiss: Egal, wie weit wir uns von einander entfernen - wir werden irgendwann immer wieder einen Grund finden, einander zu mögen. François reibt sich genüsslich den Bauch und ich entdecke: Er hat das bekommen, was man hierzulande "es Ränzli" nennt. Ein Bäuchlein. Es muss daran liegen, dass auch er endlich Vater geworden ist. Es ist ein kleines Bäuchlein, er fährt schliesslich viel Rad. Aber es ist eins, unverkennbar.

François grinst: "Naja. Ich sage schliesslich immer: Wer will denn ein Sixpack, wenn er ein ganzes Fässchen haben kann?!"

14
Mrz
2009

Krise als Lifestyle - widerlich

Damit wir uns richtig verstehen: Ich finde das Magazin des Tages-Anzeigers noch immer etwas vom Besten, was man hierzulande am Wochenende zu lesen bekommt. Aber wie das "Magi" die "Krise" zum Lifestyle macht, macht mich wirklich tobsüchtig.

Zum Beispiel der erste Satz im aktuellen Editorial (No.11/S. 3): "Allen Ballast von sich werfen, sich befreien von allem Unnötigen und sich auf das Wesentliche zurückbesinnen, das raten uns die Psychologen und Philosophen in Hinblick auf die Rezession, die unser Leben noch eine ganze Weile beeinflussen wird."

Mit Verlaub: Hauptbetroffene dieser Krise werden wieder einmal zwei Gruppen sein:

1) Die jungen Leute: Sie werden einen schwierigen Einstieg ins Berufsleben haben (Wie das sich anfühlt, davon erzähle ich gerne mehr. Ich habe die Krise der 90er-Jahre als Jungakademikerin mit einem auf dem Arbeitsmarkt so gut wie wertlosen Phil-1-Abschluss erlebt).
2) Leute so ab 50: Wenn sie arbeitslos werden, laufen sie grosse Gefahr, überhaupt keinen Job mehr zu finden.

Betroffene beider Gruppen werden vor allem damit beschäftigt sein, sich ihre Selbstachtung und ihre Hoffnung auf die Zukunft zu wahren. Beides betrachte ich nicht als "Wesentliches", das ein Individuum für sich selber aufbringen muss. Die Basis für Selbstachtung und Hoffnung auf die Zukunft sollte eine Gesellschaft eigentlich allen Individuen bieten können.

Aber vielleicht betrachten die "Magi"-Macher die wirklich Betroffenen ja gar nicht als ihre Leser. Vielleicht richtet sich das Editorial ja vor allem an die Züriberg-Millionäre, die im letzten Jahr mal schnell 24 von 75 Milliönchen verloren haben. Dass die sich vielleicht jetzt gerade keinen überflüssigen Luxus mehr leisten können ... ja, das bedarf schon einer tröstlichen Kommentierung! Da muss man den Verzicht zum Trend machen, um das Leiden zu lindern!

13
Mrz
2009

Zwei Fragen über die Liebe


Endlich begreife ich auch, was mich an diesem Buch so begeistert.

Es stellt unüberhörbar und dringend zwei elementare Fragen über die Liebe:

1) Welche Ansprüche stelle ich an einen Partner, mit dem ich dauerhaft zusammen bleiben will? Oder anders gefragt: Was soll es sein, was uns beide zusammen hält? Muss er fähig zu einem so differenzierten emotionalen Austausch wie es Peter von Roten war? Oder genügt auch eine durch gemeinsame Erlebnisse errungene Stabilität der Gefühle?

2) Worauf wäre ich zu verzichten bereit, um die Bindung mit einem geliebten Partner einzugehen?
- Wäre ich bereit, mich wegen meines Partners mit meiner Familie zu zerstreiten?
- Wäre ich bereit, mich mit jemandem einzulassen, der eine komplett andere Weltanschauung hat?
- Wäre ich bereit, dafür an den hinterletzten Ort zu ziehen?

11
Mrz
2009

Buchfink und Känguru

Ihr erinnert Euch vielleicht an meinen Eintrag über jenen Buchfink, der jeweils so blindwütig auf unsere Bürofenster einhackt.

Gestern kam Herr T. nun freudestrahlend in mein Büro und sagte: "Ich habe des Rätsels Lösung! Hör Dir mal das hieran!"

"Das hier" ist die Geschichte eines tapferen Innerschweizer Wahl-Australiers. In einem Bungalow irgendwo im Busch springt nachts ein Känguru durchs Fenster in sein Familienbett. Offenbar hatte das Tier in der Scheibe sein Spiegelbild entdeckt, sich einem Rivalen gegenüber gewähnt und attackiert - genau in jenem Moment, als das Fenster aufging. Was der Held unserer Geschichte machte? Naja, hört es Euch selber an...

Jedenfalls schloss Herr T. messerscharf: "Wenn Kängurus ihre Spiegelbilder in Fensterscheiben angreifen... Warum sollten es nicht auch Buchfinken tun?"

Wunderbar. Dann hättest Du Recht gehabt, Veronika.

Nur: Für uns in Frogg Hall ergibt sich aus dieser Erkenntnis ein unangenehmes Dilemma:
Sollen wir den Vogel quälen und ihm jeden Tag die nervtötende Präsenz eines unbesiegbaren Gegners zumuten?
Oder sollen wir uns quälen und auf die kärgliche Morgensonne verzichten, die dieser Tage unsere sonst so düsteren Büros erhellt?

9
Mrz
2009

Hütet Euch vor Haacker

Er sieht ganz unscheinbar aus, dieser Christoph Haacker. Als könnte er kein Wässerchen trüben. Er sitzt hinter dem Stand seines Kleinverlags Arco und bewacht seine Bücher. Denkt man, wenn man so an der Messe Luzern bucht unterwegs ist wie ich das letztes Jahr war. Was sollte er auch sonst tun? Alle machen das hier so.

Aber wehe man (oder frau) nähert sich Haackers Büchern und lässt seinen Blick aus Hördistanz über die Bände auf seinem Stand schweifen. Dann enthüllt Haacker seine wahre Natur: Er löst sich von seinem Stuhl. Er spricht. Er wird zum Verkäufer. Zu einem hervorragenden Verkäufer. Zum Verführer. Er lässt die Kundin sofort durchschauen, dass er nichts anderes will als ihr etwas verkaufen. Unbedingt. Das ist sein Job. So ist das Leben, machen wir uns einen gepflegten, feinen Spass draus, sagen seine Mundwinkel, derweil er spricht! Und so wird die Kundin nicht gehen, bevor sie ein Buch erstanden hat, einfach weil sie sein Spiel mag. Er muss seine Verkäuferlehre bei einem Türken gemacht haben!

Mir hat er letztes Jahr Ludwig Winders "Die Pflicht" aufgeschwatzt. Er machte mich glauben, es sei ein Krimi. Ist es nicht. Es ist die Geschichte eines Widerstandskämpfers im Prag des Zweiten Weltkriegs. Präzis in der Sprache, karg, parabelhaft beinah. Es war nicht das begeisterndste Buch, das ich letztes Jahr gelesen habe. Aber es vermittelte mir ein paar höchst bedenkenswerte Einsichten über den Geist des tschechischen Widerstands. Über die Situation eines kleinen Landes in der Nähe des Tausenjährigen Reiches.

"Nehmen Sie es nach Hause und lesen Sie es! Wenn es Ihnen nicht gefällt, nehme ich es wieder zurück!" hatte er mir nachgerufen

Nun ja, ich bin ja nicht der Typ, der bei so etwas die Probe aufs Exempel macht!

"Und sonst kommen Sie nächstes Jahr und sagen Sie mir, wie es Ihnen gefallen hat" hatte er auch gesagt.

Das tat ich am Wochenende, als wieder "Luzern bucht" war. Dann kaufte ich ihm ohne lange zu verhandeln Vladimir Körners "Adelheid"ab.

"Aber seien Sie gewarnt! Es ist todtraurig!" rief er mir noch nach.



Erst draussen wurde mir klar: Ich hatte es ihm diesmal viel zu leicht gemacht.
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