7
Mrz
2009

Packende Liebesgeschichte


Das Buch ist bald zwei Jahre alt. Ausserdem dürfte es eher Schweizer Leser interessieren. Dennoch kann ich es nicht lassen, hier darüber zu schreiben. Denn ich finde es gerade unglaublich packend. Es schwebt in meiner Gunst ohne Ruhm über allen sieben Wellen und sämtlichen Feuchtgebieten.

Ich stehe auf Seite 272, und bislang hat es mir viel von Peter von Roten erzählt, einem Mann voller Widersprüche: Er stammt aus einer katholisch-konservativen Walliser Aristokratenfamilie. Aber er ist auch Armeegegner und hat linke Tendenzen - und das während des Zweiten Weltkrieges! Er ist auf eine Art verklemmt wie es vielleicht nur unsere Schweizer Väter sein konnten. Doch während die meist schwiegen, gelingt es Peter, seine Dilemmas und Unsicherheiten so eindringlich in Worte zu fassen, dass es zuweilen richtig weh tut, immer aber fesselt. Er tut es in den 40er-Jahren in Briefen an Iris Meyer, die später seine Frau wird. Einige Briefe sind in langen Strecken wörtlich zitiert. Und wo Peter nicht selber zu Wort kommt, füllt Autor Wilfried Meichtry mit gut informierter Intuition die Lücken.

Nun ist Iris von Roten-Meyer auch nicht niemand: In den fünfziger Jahren schrieb sie ein heftig umstrittenes Standardwerk des Schweizer Feminismus. Auch ihre Briefe beeindrucken durch eine aussergewöhnlich hoch entwickelte Fähigkeit, ihr Empfindungen in Worte zu fassen. Sie war zudem alles, was ihr späterer Ehemann nicht war: urban, ehrgeizig, auch nach aussen unkonventionell.

Dass die beiden in ihren Briefen zunächst unaufhörlich streiten, liegt nicht nur in der Verschiedenheit der beiden begründet. Vor allem er sträubt sich zunächst ungeheuer gegen die Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübt. Manchmal ist er ein solcher Umstandskrämer und dabei so witzig, dass man gleichzeitig lachen und ihn schütteln will. So wird die Annäherung der beiden vielleicht zum kompliziertesten breiflich dokumentierten Liebeswerben der Weltgeschichte.

Jetzt warte ich darauf, dass Meichtry mir noch mehr über Iris erzählt. Denn sie interessiert mich mehr als die noble Familie von Roten, der Meichtry (zu) viel Raum gibt. Streckenweise erliegt er leider der Versuchung, sich zu ihrem Familienhistoriker zu machen und wirkt dann provinziell. Ich verstehe zum Beispiel nicht, was das Kapitel über Peters Rilke-Recherchen (ein Gerücht besagt, dass Rilke unehelicher Sohn eines von Roten war) mit der Geschichte des Liebespaars Peter und Iris zu tun hat.

Mit seiner Herangehensweise liegt Meichtry übrigens quer zum aktuellen öffentlichen Bewusstsein: Wer Peter von Roten googelt, findet zu ihm fast nur noch Zugang bei Einträgen über seine Frau. Das ist aussergewöhnlich. Normalerweise verschwinden ja auch starke Frauen in der Geschichtsschreibung hinter ihren Ehemännern.

Aber noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er Iris bald der gleichen gründlichen und verständigen Analyse unterziehen wird wie Peter.

Wilfried Meichtry: Verliebte Feinde - Iris und Peter von Roten, Ammann Verlag, Zürich 2007

6
Mrz
2009

Rattenscharfer Humor

Mein Lieblingsautor zgraggenschagg überbietet sich wieder einmal selber!

5
Mrz
2009

Die Polizei kam um 02.30 Uhr

Ich hätte mich neulich nicht so spöttisch über das Gossauer Polizeiwesen äussern sollen. Sowas rächt sich. Ich hätte es wissen müssen.

Vergangene Nacht war ich froh um die Polizei. Sie erschien um 2.30 Uhr morgens. Wenn es nach der Frogg gegangen wäre, hätten die Ordnungshüter ruhig noch früher kommen können. Sie lag nämlich seit 2 Uhr wach. In ihrem Bett im vierten Stock. Geweckt durch glasklaren, zimmerlauten, ätherischen Sound. Er kam aus dem ersten Stock. Dort wohnt ein junger Mann, den ich noch gar nie gesehen habe. Ich kenne nur den Namen auf seinem Klingelschild und habe mich wegen dieses Namens schon gefragt, ob es sich bei ihm um eine Figur aus einem Harry Potter-Roman handeln könnte.

Seit er seine düsteren Anwandlungen hat, nenne ich ihn Wormtail Junior. Die düsteren Anwandlungen bewegen ihn dazu, laut in seinem Zimmer herumzutramplen, Gegenstände durch die Gegend zu werfen und dann stundenlang laute Musik zu hören. Er hat sie noch nicht lange. Vielleicht seit zwei, drei Monaten. Aber er bekommt sie stets zu nachtschlafener Zeit. Mich hat er im letzten Monat zweimal geweckt. Frau Baumgartner aber, die Nachbarin im Stock über ihm, hat schon ganz dunkle Ringe unter den Augen. Ich mache mir Sorgen um sie.

Herr T. und ich stiegen drei Stockwerke hinunter. Das ganze Treppenhaus widerhallte vom Flirren, Sirren, Klingeln und Bimmeln von Juniors Sound. Wir klingelten auch. An Juniors Wohnungstür. Nicht, dass er die Tür geöffnet hätte. Nein, nein. Junior öffnet die Tür nicht, wenn er seine finsteren Anwandlungen hat. Und wenn er sie öffnet, dann sagt er Dinge wie: "Wenn der Lärm Sie stört, dann müssen Sie halt ein eigenes Haus kaufen!" Das hat mir Frau Baumgartner erzählt.

Deshalb hatte sie auch bereits die Polizei gerufen. Die dann auch kam.

Heute Morgen passierte dann plötzlich ziemlich viel wegen Juniors nächtlicher Soundkulisse. Ihm droht die Kündigung. Und ich finde ich mich in der ungemütlichen Rolle der ältlichen Mieterin wieder, die ihre Nachtruhe mit Fingernägeln und Zähnen und notfalls vor Gericht verteidigt. Und die von meiner fast 90-jährigen Nachbarin, darf ich zu meiner Ehrenrettung sagen.

3
Mrz
2009

Erbrecher-Jagd

Dieses von Herrn T. geprägte Wort umschreibt die Tätigkeit, der die Polizei von Gossau seit gestern frönt. Er hat mir erlaubt, es Ihnen, Herr Phrasardeur, zu widmen.

1
Mrz
2009

Frau Frogg's Fernsehwoche

Am Sonntag endete hoch offiziell meine Zeit als Nachtschattengewächs*. Das hat auch gute Seiten. Zum Beispiel bin ich jetzt wieder frei, meine Abende vor dem Fernseher zu verbringen.

Mit zwanzig hätte ich ja nie gedacht, dass ich einmal gern fernsehen würde. Die junge Frogg verabscheute, ja, boykottierte die Mattscheibe. Fernsehen war in ihren Augen nichts für richtige Leute. Es war etwas für Menschen, die sich eigentlich eher wie Pflanzen benehmen. Dachte sie damals. Aber dann veränderte sich die Frogg. Sie arbeitete tags, war abends müde, ach was, gerädert. War manchmal nicht mehr in der Lage, sich vom Sofa vor der Flimmerkiste zu erheben.

Es war, als würde der Geist aus der Mattscheibe sich für ihre jugendliche Verachtung rächen.

Ich werde also fernsehen. Fortan wird meine Fernsehwoche so aussehen:
Den Auftakt bildet stets die Tagesschau auf SF1. Nur so hat der Abend seine rechte Ordnung.

Der Montag beginnt dann mit Desperate Housewives auf SF2.


(Quelle, passend: www.tvfanatic.com)

Nach der letzten Staffel wollte ich ja aussteigen. Die Stories um die Weiber waren mir zu vorhersehbar geworden. Aber als ich Gabby (ganz links im Bild) überraschend rundlich und mit zwei dicken Töchtern wiedersah, überlegte ich es mir doch noch einmal anders. Danach will Herr T. Grey's Anatomy sehen, aber das langweilt mich. Zu viel Pathos. Zu viel Blut.

Bis 21.50 Uhr tue deshalb jeweils etwas Vernünftiges. Zum Beispiel bloggen. Dann folgt die Nachrichtensendung 10 vor 10 auf SF1.

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(Quelle: www.menschenmitmeinungen.ch)

Nicht etwa, weil Moderator Stephan Klapproth die weissesten Beisser weit und breit hat. Nein. 10 vor 10 schaue ich mir an, damit ich weiss, wann ich ins Bett muss. Ich kenne nämlich Deutsche, die sagen: "Alle Schweizer gehen nach 10 vor 10 schlafen." Und manche Schweizer sagen, 10 vor 10 sei der grösste Sexkiller der Schweiz. Für News-Journalisten ist sie sowieso Pflicht. Nicht, dass sich daraus Schlüsse über das Sexleben von News-Journalisten ziehen liesse... Ihr seht also, die Sendung ist stets in aller Munde. Man muss sie gesehen haben. Und ich gehe danach auch tatsächlich ins Bett - um dort noch eine Stunde zu lesen.

Am Dienstagabend steht bei mir jeweils der Dienstagskrimi auf dem Programm. Seltsamerweise. Denn das Dienstagsrimi-Gucken war schon das heiligste Ritual meiner Eltern. Als junger Mensch fand ich ihn deshalb das Schlimmste von Allem. Aber irgendwie hat er sich wieder in mein Leben geschlichen, der Dienstagskrimi. Und so hänge ich mit Herrn T. auf dem trauten Zweiersofa, lasse "Ein Fall für Zwei" oder etwas Ähnliches über mich ergehen.



Später am Abend bleibe ich dann einmal im Monat länger auf als bis "10 vor 10": zum Literaturclub. Das belohnt für etwaige Langeweile beim Krimi. So viele gescheite, eloquente Frauen aufs Mal! So viele interessante Bücher.

Am Mittwoch kommt auf dem Schweizer Fernsehen diese unerträgliche Sendung "Deal or No Deal". Eine Unterhaltungsendung mit leicht bekleideten Frauen in blonden Perücken und Geldkoffern. Zum Weinen langweilig. Am Mittwoch werde ich ausgehen müssen - es sei denn, SF2, Arte oder ORF lockten mit einem erträglichen Spielfilm.

Nur zu dumm, dass man nach fast zwei Jahren Existenz als Nachtschattengewächs fast nicht mehr weiss, wie Ausgehen geht. Denn auch am Donnerstag werde ich ausgehen müssen.

Am Freitag muss ich zum Glück weiterhin abends arbeiten. Denn am Fernsehen gibts da ja nichts als Unterhaltungssendungen, Horror und Action. Halt, nein: Auf dem Schweizer Fernsehen gibts die Polit-Diskussion Arena. Aber wer will sich an einem Freitagabend die rituellen Wadenbeissereien zwischen SVP und SP auch noch anhören?

Am Samstag ist Herr T. häufig weg. Wenn ich dann nicht auch ausgehe, mache ich mir einen gemütlichen Fernsehabend. Der Samstag ist überhaupt der beste Fernsehabend der Woche. Die Programmgestalter scheinen ihn eigens für spielfilmsüchtige Nachtschattengewächse geplant zu haben. Und falls das einmal nicht stimmen sollte, hat die Frogg wohlweislich ein paar DVDs auf Lager.

Wenn ich am Sonntag nicht arbeite, streiten Herr T. und ich: Er will den Tatort. Ich habe mich noch nicht damit abgefunden, dass die Segnungen des Samstags vorbei sind und will einen Spielfilm. Zwischendurch zappen wir jeweils kurz auf Anne Will, und dann gehts zum obligatorischen Teil: Giacobbo/ Müller. Mit Abstand die beste Satiresendung, die das Schweizer Fernsehen zu bieten hat (wahrscheinlich die einzige). Die Sendung hatt(e) in Peter Tate eine echte Kultfigur. Diskussionen über die Frage, ob der sympathische Engländer wohl wiederkommt, verleihen auch Abendgesellschaften unter studierten Zeitgenossen Würze und Leben.


(Quelle: profile.ak.facebook.com)

* Wobei ich anfügen möchte, dass mein Job sich anders entwickelte als ursprünglich erwartet. Ich freundete mich nicht nur mit Britney Spears an. Nein. Eine Zeitlang hatte ich jeden Nachmittag Besuch von Nicolas Sarkozy. Ueli Maurer lächelte mich an, dann schlug die Bankenkrise mir täglich mehrmals die Faust in die Magengrube. Sonntags telefonierte ich regelmässig mit einem Ständerat, dessen Namen ich hier für mich behalte. In letzer Zeit hatte ich auch abendliche Zusammentreffen mit Barack Obama. Leider sind sie meist etwas hektisch. Dennoch werde ich sie vermissen.
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Journal einer Kussbereiten

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