9
Sep
2008

Ironie des Schicksals

Schon seit Tagen will ich Euch einen Eintrag präsentieren, der in etwa so geht: "Ich habe lange gesurft. Sehr lange. Bis ich am Schluss hier gelandet bin."

Jetzt bin ich tatsächlich am Ende des Netzes angelangt, aber auf eine ganz andere Art: Seit gestern legt ein Problem mit meinem BitDefender meinen Internet-Zugang lahm. Herr T. hat Stunden vor meinem Computer verbracht und versteht die Welt nicht mehr.

Frage ich nach - sei es aus Interesse, Anteilnahme oder Ungeduld - wird er so tobsüchtig wie ich ihn noch nie erlebt habe. Im Hause Frogg herrscht Untergangsstimmung.

Diesen Eintrag hier schreibe ich mit unfreundlich hingeraunzter Genehmigung von Herrn T. auf seiner Kiste. Wie es hier weitergehen soll, weiss kein Mensch.

Ich glaube, ich mache mir jetzt ein schönes Tässchen Tee und lese ein Buch.

6
Sep
2008

Im Städtchen

Ich habe mich schon oft gefragt, weshalb die Frogg nie wirklich aus ihrem Städtchen weggezogen ist. Weshalb sie zwar mit dem Gesicht und mit offenen Augen zur Welt gelebt hat. Weshalb sie sich aber immer von ihrer grossen Zuflucht, dem Städtchen Frösch, den Rücken decken liess.

Lag es daran, dass die Leute hier so freundlich sind? Ja, sie sind freundlich. Die Leute hier haben einen breiten Dialekt, die Laute greifen Raum in ihren Mündern. Sie neigen zu einer katholischen Jovialität wie man sie etwa in Irland kennt. Sie haben diese Freude am Schnörren*, am gemeinsamen Trinken und salbadern. Sie glauben, dass etwas Gschnörr, ein paar gute Sprüche, Gelächter, alte Wunden heilt, verzeihen leichter macht und viele Türen öffnet. Sie sind sehr erpicht aufs Schnörren, wenig erpicht aufs Streiten. Früher hat mir das gefallen. Ich liebte es. Heute... Naja, ich kanns immer noch, wenns sein muss.

Das Städtchen ist nicht klein. Aber es ist überschaubar. Ein Gemeinplatz besagt, dass man hier immer Leute trifft, wenn man auf die Gasse geht. Und wenn man mit den alten Freunden nicht mehr so gut kann, so ist sie doch gross genug, dass man ein paar neue findet.

Vor langer Zeit wollte ich weg. Mich neu erfinden. Mich überhaupt erfinden.

Aber ich bin wieder zurückgekommen. Zweimal. Einmal ungern. Ich musste. Einmal kam ich mit einem Lächeln zurück. Ich erfand mich hier.

Vielleicht bin ich auch immer wiedergekommen, weil man in die Fremde nur sich selber mitnehmen kann. Und manche, das hatte die Frogg als Kind gelernt, sind sich selber in schlechten Zeiten ein mieser Tröster, eine Hölle von einer Heimat. Die Frogg hat schon als Kind Menschen gekannt, die sich selber abhanden kamen. Oder allgemeinverständlicher: die den Verstand verloren.

Vielleicht lag es daran. Daraus, dass andere sich verloren haben, hat sie geschlossen, dass auch ihr das passieren könnte. Irrümlicherweise, bislang. Zum Glück. Aber vielleicht war sie deshalb immer sehr vorsichtig damit, sich selber, an die Grenze ihrer Belastbarkeit zu bringen. Die Einsamkeit einer fremden Stadt, das lernte sie schnell, brachte sie nahe an diese Grenzen. Vor ihr floh sie stets gerne in ihr Heim, ihr Städtchen zurück.

Aber die Neugier auf die Fremde ist geblieben. Die Faszination des Unbekannten. Die Frage, was gewesen wäre, wenn...

Was wäre, wenn...

*auf Hochdeutsch etwa: plaudern oder auch herumquatschen.

3
Sep
2008

Ein neues Leben

Habt Ihr schon einmal die Chance bekommen, ein völlig neues Leben anzufangen? Einen neuen Job, mit dem Ihr nie gerechnet hättet? An einen Ort zu ziehen, wo Ihr nie erwartet habt, vielleicht einmal hinzuziehen? Weit weg? An einen Ort, wo Euer Liebster eher nicht hinwill. Wo Ihr keine Freunde habt, aber auch keine lästigen alten Bekannten.

Ihr hättet Euch neu erfinden können.

Habt Ihr es getan?

25
Aug
2008

Die Frogg schmollt

Sehr geschätzter Herr Steppenhund

Bitte verzeihen Sie meine wohl allzu unwirsche Reaktion auf Ihre Bemerkung gestern Abend. Ich kann sie mir selber nicht ganz erklären. Ich erinnere mich nur, dass die Frogg noch heute morgen schmollend in einer Ecke sass. "Blöder Besserwisser!" maulte sie, "kleistert mir diesen dämlichen Allerweltsratschlag auf diesen schönen, poetischen Eintrag drauf! Wo's ums Älterwerden, um die Beziehung zur Mutter und um die Frage nach dem Ich geht. Und er... 'lächeln, lächeln, lachen...' (mit äusserst unschönen Mundbewegungen äfft sie einen imaginären Herrn Steppenhund nach) Dass ich nicht lache!"

"Was soll denn daran so falsch sein?" frage ich, "Herr Steppenhund meint es doch nur gut! Und ausserdem hat er Recht: eine positive Lebenseinstellung...",

"Nö, der meint es überhaupt nicht gut! Der mag keine Frauen mit Falten um den Mund und..."

"Er mag keine Frauen mit heruntergezogenen Mundwinkeln", werfe ich ein.

"... wenn er darin einen Unterschied sähe, hätte er diesen Kommentar nicht geschrieben, oder?! Der will mir doch erklären, was ich mit meinem Mund anstellen soll, damit er sich nicht ekeln muss, wenn er mir je auf der Strasse begegnet!" schimpft die Frogg.

"Aber liebe Frau Frogg! Hier darf jeder einen Kommentar schreiben. Das weisst doch! Sonst bist Du doch auch nicht so leicht gekränkt!"

"Grumbel! Grumbel!" kommt es aus der Schmollecke.

"Und überhaupt: Du bist selber Schuld. Du stellst Dich in diesem Text als Suchende dar. Als Unwissende. Du weisst, dass man damit gutgemeinte Ratschläge geradezu provoziert. In Deinen eigenen, leider immer noch unpublizierten gesammelten Lebensweisheiten steht doch: Starke Menschen stellen sich nie als Suchende dar! Das wirkt schwach und könnte gutgemeinte, aber unbedarfte Ratschläge provozieren. Starke Menschen stellen sich immer glücklich dar. Sie tun so lange so als wüssten sie den Weg, bis sie es selber glauben."

"Du weisst genau, dass ich auf eine andere Art stark bin", sagt sie. "Ich will mich den unbequemen Fragen stellen! Lass andere sich in ihrem Glück, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Erleuchtung suhlen! Ich tapse mit einer kleinen Laterne in der Hand im Dunkeln weiter. Ich schreibe über Falten und frage, ob ich eine verbitterte Mutter habe! Jawoll!"

"Dann musst Du lernen, mit den unappetitlichen Wahrheiten zu leben, die das an den Tag bringt!" sage ich. "Zum Beispiel der Tatsache, dass niemand Frauen mit Falten um den Mund mag!"

"Pah!" sagt die Frogg und zieht die Mundwinkel nach unten.

Sie sehen, geschätzter Herr Steppenhund, da war nichts zu machen, obwohl ich mich heftig bemüht habe. Es ist nun mal so: Falten sind ein Thema, bei dem Frauen besonders heikel reagieren. Da ist die Frogg offensichtlich keine Ausnahme! Ich kann deshalb nichts tun, als Sie zu bitten, inskünftig Diplomatie walten zu lassen, wenn es hier um derartiges geht. Ich weiss, Sie sind ein gescheiter Mann, der sich auf den Umgang mit Frauen versteht. Sie können das! Genau deshalb hoffe ich, dass Sie mich weiterhin lesen und hier auch mal wieder einen Kommentar stehen lassen!

Mit lächelndem und augenzwinkerndem Gruss aus dem Hause Frogg!

P.S.: Was aber die nach unten ziehenden Falten in meinen Mundwinkeln betrifft, so hat Ihr Rat zu lächeln doch geholfen: Heute habe ich mich im Spiegel angelächelt und dabei etwas höchst Merkwürdiges beobachtet: Es sind Lachfalten. Oder vielmehr: Lächelfalten. Sie werden tiefer, wenn ich lächle. Es gibt also Lachfalten, die nach unten zeigen. Wie merkwürdig!

24
Aug
2008

Vor dem Spiegel

Meine ersten Fältchen bekam ich zwischen den Augenbrauen. Senkrecht. Zornesfalten nennt man sie, ich aber nenne sie die Falten des Beharrungsvermögens. Meine Mutter hat sie auch, und ich mag sie. Inzwischen sind sie ziemlich tief.

Dann, in den dreissigern, bekam ich Fältchen in den Augenwinkeln. Es waren Lachfältchen, und ich mag sie.

Jetzt sehe ich meiner Mutter immer ähnlicher. Wie sie bekomme ich in den Mundwinkeln tiefe Furchen. Sie zeigen nach unten. Bei meiner Mutter sind diese Gräben stark ausgebildet. Manchmal, wenn ihr sonst so lebhaftes Gesicht plötzlich schlaff wird, sieht man sie deutlich. Sie graben sich in die Haut neben ihrem Kinn wie vertrocknete Rinnsale in eine Sandwüste. Ihr ganzes Gesicht sieht dann für Momente aus wie eine Maske der Bitterkeit. Bis sie wieder zu lächeln, zu gestikulieren und zu erzählen beginnt.

Ich kenne meine Mutter. Ich kenne ihre Geheimnisse. Gerade deshalb weiss ich nicht, welches ihr echtes Gesicht ist: das lebhafte Gesicht oder die Maske der Bitterkeit.

Als ich ein junges Mädchen war, hatte ich einmal einen Religionslehrer, der zu sagen pflegte: "Wenn ihr wissen wollt, ob jemand glücklich ist, seht ihm auf die Mundwinkel. Wenn sie nach oben zeigen, habt Ihr einen glücklichen Menschen vor Euch." Damals schien mir das allzu simpel.

Jetzt aber schaue ich reiferen Frauen immer öfter auf die Mundwinkel. Achte darauf, ob sie diese Furchen haben. Nicht alle haben sie. Ich schon. So sind meine Mundwinkel zwar mehr oder weniger horizontal. Ich glaube, sie zeigen sogar ein wenig nach oben. Aber diese Furchen! Sie zeigen abwärts, und sie werden tiefer.

Manchmal frage ich mich dann: Heisst das, dass ich kein glücklicher Mensch bin?
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