10
Aug
2008

Schwäne

Abends in der Seebar in Luzern. 4 Schwäne ziehen vorbei, über den nächtlichen See, schön der Reihe nach.

Madame Lila glaubt derweil endlich, dass sie einen Caipirinha in der Hand hat, und dass er auch richtig gemacht ist, nicht zu sauer...

derweil 8 Schwäne über den See ziehen, wieder einer hinter dem anderen...

... derweil klar wird, dass Madame Acqua eine gute Frisur hat, auch aus der Nähe...

... derweil Madame Lila von der Lichterreihe erzählt, dort, weit in der Ferne. Dass es dort einen Lift gibt, vom Berg fadengerade hinunter in den See, schwindelerregend...

... so dass wir auf Satellitenbauer mit Höhenangst zu sprechen kommen. Und Herr Nedganzbachert die Frage aufwirft, ob Satellitenbauern mit Höhenangst schwindlig wird, wenn sie Satellitenbilder betrachten...

derweil 12 Schwäne vorbeiziehen...

Langsam erstaunen uns diese Schwäne. Herr T. erzählt, warum sie hier sind. Dass es da einen Adligen gab, draussen, in der Luzerner Landschaft. Hinter dem Schloss hatte er einen Weiher, weshalb sein Schloss Wyher und er Herr von Wyher hiess. Der Adlige pflegte dem König von Frankreich seine Bauern als Söldner zu verschachern...

... und zum Dank für die Söldner schenkte der König von Frankreich dem Herrn von Wyher vier Schwäne für seinen Weiher, so die Frogg. Und die Schwäne, ja, die vermehrten sich prächtig, so prächtig, dass der Herr von Wyher den Luzernern ein paar Schwäne weiterverschenkte. Die lebten fortan im Vierwaldstättersee und vermehrten sich prächtig....

... 16 Schwäne ziehen vorbei...

... und Madame Canela wird ihren grossen Auftritt erst noch haben, weiter oben im Montana, beim heissen Barpiano-Songraten zusammen mit Madame Acqua...

... derweil unten 20 Schwäne vorbeiziehen, mit stolz gereckten Häuptern...

...derweil Frau Frogg vor einer unerklärlichen Erschöpfung die Augen und Ohren zufallen und sie im Halbschlaf nach Hause wankt...

... derweil unten bei der Seebrücke der Geist von Herrn von Wyher die letzten 24 Schwäne am Schnürchen aus dem Wasser zieht, sie alle in einen Sack, zum Hammetschwandlift bringt, wo sie im Schein einer senkrechten Lichterreihe Pianomusik hören und sich prächtig vermehren...

8
Aug
2008

Unser Freund in Pamukkale

In Pamukkale fanden wir ein richtiges Landidyll: Das Motel Vier Jahreszeiten. Ich habe in der Türkei zwar luxuriösere Zimmer gesehen. Aber die Wirtsfamilie war unübertrefflich freundlich und ihr Garten eine Oase der Musse. Über dem Swimming Pool kreisten die Schwalben, darum herum standen Granatapfelbäume.

Der Wirt riet uns, den berühmten weissen Berg am frühen Morgen zu besteigen. Nachher sei es zu heiss und würde nur so wimmeln vor Touristen. Wir beherzigten seinen Rat und brachen gegen sechs Uhr früh auf. Es sollte ein abenteuerlicher Aufstieg werden. Schon an der ersten Strassenkreuzung begegnete uns ein Hund. Ein verdreckter Köter, der heftig mit dem Schwanz wedelte und ab und zu um sich schnappte. Er folgte uns. Liess sich nicht ignorieren und auch nicht abschütteln. Schliesslich tätschelte Herr T. ihm vorsichtig den Kopf und sagte: „So, geh jetzt endlich nach Hause, Du dummer Hund!“ Da war es definitiv um den Köter geschehen. Sofort adoptierte er Herrn T. und wich fortan kaum noch von seiner Seite.

Der Kassenwart am Fuss des Berges verkaufte uns gern eine Eintrittskarte, der Hund kümmerte ihn nicht. So betraten wir die berühmten Sinterterrassen von Pamukkale zu dritt. Wir waren die ersten an jenem Morgen.

DSCN0845

Herr T. regte sich zunächst noch ein bisschen auf, wenn unser neuer Kumpel wieder einmal um sich schnappte. Bald aber sagte er: „Wahrscheinlich schnappt er bloss nach seinen eigenen Flöhen.“ Die Frogg hielt den Hund dagegen auf vorsichtiger Distanz. Mit Tierliebe ist unsere Frogg noch nie in hohem Masse gesegnet gewesen. Da der Hund und ich nun aber gemeinsam Herrn T.s Rudel bildeten, musste ich mich wohl oder übel mit ihm arrangieren. Für den Notfall nahm ich einen Stein in die Hand. Nur für den Notfall. Ich brauchte ihn nicht. Einstweilen.

Vielmehr begannen wir uns für die phantastische Landschaft um uns herum zu interessieren.

DSCN0849

Der Berg sieht aus wie ein Gletscher. Aber der Gletscher ist aus aus körnigem Stein, durchflossen von Wasser aus heissen Quellen. Der Hund tollte ein bisschen darin herum, verrichtete auch mal seine Notdurft auf das Unesco-Welterbe. Der Aufstieg dauerte zehn Minuten. Oben winkte uns ein Polizist zu. Erst der zweite Mensch, den wir an diesem Morgen sahen.

"Scheibenhonig!", dachte die Frogg. Jetzt bekommen wir Ärger wegen dem Hund. Doch weit gefehlt. Der Ordnungshüter wollte uns nur darauf aufmerksam machen, dass wir unsere Schuhe auszuziehen hätten. Als wir das getan hatten, verschwand er. Über mangelnde Gesellschaft brauchten wir uns dennoch bald nicht mehr zu beklagen. Aus einem Wäldchen kam ein ganzes Hunderudel angetrabt. Hier zwei von ihnen:

DSCN0850

Insgesamt waren es vier oder fünf Stück. Sie beschnupperten unseren Kumpel und tollten ein bisschen mit ihm herum. Wir dachten derweil, wir könnten uns jetzt unauffällig aus dem Staub machen und in aller Ruhe die antike Stadt Hierapolis hier oben besichtigen.

Aber weit gefehlt. Kumpel folgte Herrn T. unbeirrbar und die anderen Hunde hefteten sich an Kumpels Fersen. Als wir die Ruinen der Stadtmauer erreichten, begannen sie, die Hackordnung im Rudel festzulegen. Kumpel kam schlecht weg: Zeitweise umkreisten die anderen ihn zu viert, knurrten ihn an, und ihm blieb nichts anderes übrig als den Nacken zu beugen. Wir hätten hier oben hundesoziologische Studien machen können.

Doch dann wurden die Kerle aufdringlich. Interessierten sich viel zu sehr für uns. Eine alte Hündin gesellte sich zu ihnen, eine Riesin mit riesigen Zitzen. Sie sah gefährlich aus. Selbst Herr T. griff jetzt zu einem Stein und gebrauchte ihn - wenn er auch nur auf die Pfoten der Angreifer zielte. So gelang es uns eine Weile, die Bestien auf Distanz zu halten. Doch unser Kumpel folgte uns unbeirrt. Klar. Für ihn waren wir als Rudel attraktiver als seine hierarchieversessenen Artgenossen, mutmassten wir. Und ausserdem erhoffte er sich von uns wohl bald einmal eine Fütterung.

Und nach ihm kamen stets auch die anderen. "Wir werden sie nur los, wenn wir unseren Kumpel vertreiben. Ich meiner richtig. Mit Steinen", analysierte die Frogg die Situation. Aber das brachte Herr T. nicht übers Herz. Und die Frogg eigentlich auch nicht, wenn sie sichs richtig überlegte. Nur: Mit sechs streunenden Hunden im Schlepptau durch eine antike Stadt zu spazieren ist nicht wirklich das Wahre. Und Hilfe, etwa in Gestalt von Parkwärtern, war weit und breit keine in Sicht.

Kurzum: Die Situation war beunruhigend. Als wir das Amphitheater erreichten, dürfte mein Gesicht so ausgesehen haben wie diese in Stein gehauene Maske am Eingang.

DSCN0852

Seltsamerweise verschwanden hier aber plötzlich unsere neuen Begleiter wie ein Spuk. Auch Kumpel war weg.

Erst als wir das Amphitheater betreten hatten, fand wir sie alle wieder. Hier wurde auch klar, weshalb sie abgehauen waren: Sie hatten sich neue Touristen angelacht. Hier, auf den Publikumsplätzen, hatte sich eine Frühaufstehergruppe aus Osteuropa breit gemacht. Ideal für unsere Begleiter. Kumpel hatte schon ein neues Herrchen adoptiert, ein Russenkind. Er reagierte nicht einmal mehr, als wir ihm "tschüss!" winkten.

Ein paar Minuten lang vermisste ich ihn richtig, den untreuen Gesellen!

7
Aug
2008

Katze

Abend in Kuşadası. Nach anderthalb Wochen rastloser Reiserei haben wir endlich eine Pause. Endlich Ferien. Wir sitzen am Fuss der mittelalterlichen Burg in einer Bar. Es ist wunderbar warm. Zu unserer Linken brandet das Meer. Zu unserer Rechten steht ein Fernsehapparat auf einem Stuhl. Am Fernsehen läuft Fussball*: Die Russen besiegen gerade die Schweden.

Unter dem Stuhl hat eine Katze sich etwas geschnappt. Eine Eidechse. Sie setzt sich hin und lässt das Tierchen zwischen ihre Vorderbeine fallen. Starrt es aufmerksam an. Wartet.

Jetzt flüchtet die Eidechse. Aber das ist keine Eidechsenflucht, kein Aufschimmern, Huschen und Verschwinden. Das ist nicht viel mehr als ein demütiges, graues Wegzittern. Sie schafft die anderthalb Meter bis zu den rettenden Ritzen des Burgfelsens nicht in einem Anlauf. Sie hat ja schon keinen Schwanz mehr. Sie muss pausieren.

Die Katze wartet. Und wartet. Da läuft die Eidechse wieder los, ja, diesmal schafft sie es! Doch schon schiesst die Katze nach vorn, packt ihr Opfer mit samtenen Pfötchen, schubst es unter den Fernseher zurück. Jongliert es ein paarmal zwischen seidigen Vorderbeinen, wirft es hoch in die Luft und fängt es auf. Dann lässt sie es wieder fallen. Wartet, bis es davonschleicht. Wartet.

Die Katze ist schön. Ihr Fell glänzt. Sie ist schlank, aber nicht mager wie die verschupften Viecher, von denen Hundert- und Tausendschaften in Istanbul herumstreichen. Schon am ersten Abend kamen wir beim Galataturm an zwei solchen Katzen vorbei. Die eine schrie markerschütternd, denn die andere hatte sie gerade am Nacken gepackt und drückte sie unbarmherzig auf den Boden.

Nein. Unsere Katze in Kuşadası musste nicht kämpfen. Sie hatte Musse zum Spielen. Tat sie auch. Jetzt schaute sie wieder zu, wie die Eidechse losbeinelte. Das Spiel begann von vorne.

Fussball interessierte mich nicht mehr. Ich starrte gebannt auf ein Naturschauspiel. Ich weiss, dass Katzen grausam sind zu ihren Opfern. Aber ich hatte es noch nie mit eigenen Augen gesehen.

Beim fünften Mal wechselte die Eidechse die Richtung. Sie lief auf unseren Tisch zu. Einen Meter von uns weg stoppte sie. Blieb liegen.

Da pfiff der Schiedsrichter am Fernsehen zur Halbzeit. Zwei angeschickerte Engländerinnen trampelten laut redend an unserem Tisch vorbei. Beinahe wären sie auf unsere Eidechse getreten. Beinahe wünschte ich mir, sie hätten es getan. Hätten das Leiden des Tierchens verkürzt, ohne es zu wissen.



* Wir schreiben den 19. Juni, es ist immer noch Fussball-Europameisterschaft.

5
Aug
2008

Naive Journalisten

Journalist Oliver Stock schreibt über die Naivität seiner Berufskollegen in Peking. "Sie fliegen ein, berichten uns von ihrem Staunen und sind wieder weg." (gelesen im punkt.ch auf Seite 3).

Da fällt mir ein: Dasselbe tue ich, wenn ich hier von meiner Reise in die Türkei berichte. Aber ist das wirklich schlecht?

31
Jul
2008

Psychosomatisch

Sehr geschätzte Frau Walküre

Von Ihnen und nur von Ihnen akzeptiere ich Mutmassungen über die psychosomatische Natur meines Ohrenleidens. Ich tue es, weil ich Sie als wohlmeinende Leserin kenne und überzeugt bin, dass Sie sie aus Anteilnahme äussern. Einer Anteilnahme, zu der sie ja niemand verpflichtet. Dass sie sie dennoch aufbrigen, weiss ich zu schätzen.

Im Allgemeinen aber gehe ich dieser Art von Mitgefühlsbekundungen anders um: Ich schütze mich vor ihnen und jenen, die sie von sich geben. Ich nenne solche Leute die Lottis dieser Welt und erzähle ihnen nichts, aber auch gar nichts Persönliches. Denn ich bin zur Überzeugung gelangt, dass psychosomatische Theorien im Allgemeinen eine Abwehr der Gesunden, der Beschränkten und der Herzlosen vor der Krankheit sind. Weil sie sich nicht vorstellen können (oder wollen), dass es Dinge gibt, über die eine Einzelner keine Macht hat. Oder, weil sie gerne helfen würden oder gar müssten, aber nicht wissen wie.
Oh, ich habe schon Ärzte zu psychosomatischen Theorien Zuflucht nehmen hören! Meinen ersten Ohrenarzt zum Beispiel. Erst diagnostizierte er mir (fälschlicherweise) einen Hörsturz. Dann riet er mir, künftig weniger herumzustressen (wobei er mir nicht erklären konnte, wie er das genau meinte). Dann gab er mir eine kleine Broschüre mit. Darin stand, Hörsturzpatienten seien häufig besonders ängstliche Menschen. Ja, prima! Natürlich ist die Frogg ein besonders ängstlicher Mensch. Das weiss ich seit Jahren. Aber dagegen konnte der Ohrenarzt auch nichts tun (die Psychotherapeutin übrigens auch nicht). Auch gegen das Ohrenleiden konnte der Ohrenarzt nichts tun! Immerhin fühlte er sich wahrscheinlich besser, nachdem er die Schuld daran meiner gestörten Persönlichkeit zugeschoben hatte.

Ich nenne das nicht helfen, ich nenne es dem Opfer einen Tritt in den Arsch geben.

Ich fand das widerlich. Ich wechselte den Arzt.

Ein guter Entscheid, finde ich heute noch. Denn, ja, ich war verängstigt, besonders damals, vor acht Jahren. Ich hatte Angst vor einem weiteren Hörsturz. Ich war erschöpft, weil ich vor Sorge und vom Tinnitus nicht schlafen konnte. Wunderts jemanden, dass ich mich extra gestresst fühlte und deshalb erst recht ideal präpariert für einen weiteren Hörsturz? Eben. Dass ich ausserdem keine Lust hatte, mich auch noch mit Persönlichkeitsdefiziten auseinander zu setzen, die mir jemand angedichtet hatte, der mich zweimal kurz in seiner Praxis gesehen hatte? Eben. Und genauso wie vor acht Jahren geht es mir auch im Moment.

Man lernt, sich selber zu schützen in solchen Lebenslagen.

Nur, damit das allen klar ist.

Ihnen, geschätzte Frau Walküre, danke ich für die Mitteilungen von neulich und bitte um Verständnis für meine vielleicht allzu heftige Reaktion. Sicher verstehen Sie, dass ich Dethlefsen zum jetzigen Zeitpunkt ungern lese.

Herzlich grüsst
diefrogg
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