20
Okt
2007

Die grosse Chefin

Immer, wenn ich nicht mehr weiter weiss, verlege ich mich aufs Ärzteshoppen. Diesmal gehe ich zu Carmencela Schild. Die Frau ist Ärztin und Akupunkteurin und hat in Frösch den Ruf, auch schon in aussichtslosen Fällen geholfen zu haben. Sie hat überdies eine rätselhafte Herkunft, ist Latina, vielleicht sogar Indianerin, heisst es.

Frau Schild ist bekannt und gefragt. So gefragt, dass sie in einer klassizistischen Villa hinter dem Hotel Palace kleines Imperium aufgebaut hat. Dort arbeiten Akkupunkteure und Ernährungsberater, Homöopathen und Ozontherapeuten und wer weiss was sonst noch.

Als ich das erste Mal in die Villa betrat, verirrte ich mich zunächst und landete am Empfang der Akkupunktur-Abteilung. Dort wuselten chinesische Sekretärinnen vor ihren Bildschirmen. Am richtigen Empfang wuselten schweizerische und lateinamerikanische Sekretärinnen vor ihren Bildschirmen. All diese Bildschirme hatten eins gemeinsam: In irgend einer Ecke prangte auf ihnen ein Bild von Carmencela Schild, lichtumflort, die mit dem siegesbewussten Anflug eines Lächelns in die Kamera blickt wie weiland der Massimo Lider.



Oder vielleicht doch wie der Grosse Vorsitzende:



So wusste ich schon, wie die Chefin aussah, als ich sie schliesslich vor mir hatte: freundlich, selbstsicher und aufmerksam.

Ich schilderte ihr mein Problem.

„Ich kann Ihnen helfen“; sagte sie. „Aber es ist etwas kompliziert und wird lange dauern.“

Und es wird teuer werden, verdammt!

18
Okt
2007

JETZT

Wenn die Frogg wieder mal Angst hat, dann erinnere ich sie jeweils daran, dass sie lernen muss, jetzt zu leben. JETZT! Dann sagt sie jeweils: „Aha. Ich soll also ein Goldfisch werden“ und zitiert mir aus der Schulabschluss-Rede von Blue van Meer vor:

"People make fun of the goldfish. People don't think twice about swallowing it." ... But: "If you live like a goldfish"... "you can survive the harshest, most thwarting of circumstances. You can live through hardships that make your cohorts - the guppy, the neon tetra - go belly up at the first sign of trouble." ... "The most incredible thing about goldfish ... is their memory. Everyone pities them for only remembering their last three seconds, but in fact, to be so forcibly tied to the present – it’s a gift. They are free. No moping over missteps, slip-ups, faux pas or disturbing childhoods. No inner demons. Their closets are light filled and skeleton free…..» S. 251 aus diesem Taschenbuch:



Zu Deutsch: "Die Leute machen sich lustig über Goldfische. Die Leute zögern nicht, sie hinunterzuschlucken." Aber: " Wenn Du lebst wie ein Goldfisch, kannst Du die härtesten, frustrierendsten Umstände überleben. Du kannst Entbehrungen überstehen, die Deine Kollegen, den Millionenfisch und den Neonsalmler schon beim ersten Anblick dazu bringen würden, mit dem Bauch nach oben zu schwimmen. Das Unglaublichste an Goldfischen ist ihr Gedächtnis. Jeder bemitleidet sie dafür, dass sie sich nur an ihre letzten drei Sekunden erinnern. Aber so unerbittlich an die Gegenwart gefesselt zu sein, ist eigentlich ein Geschenk. Goldfische sind frei. Bei Goldfischen gibt’s kein Trübsal blasen über Fehler, Missgeschicke, Tritte ins Fettnäpfchen oder schlimme Kindheiten. Keine inneren Dämonen. Die Schränke von Goldfischen sind gut beleuchtet und skelettfrei.“ (Übersetzung von mir)

Na prima!

13
Okt
2007

Zwischen Panik und Erschöpfung

Heute tue ich vor allem eins. Ich taste mich vorsichtig auf dem Grat zwischen Panik und Erschöpfung durch den Tag. Versuche, nicht dauernd daran zu denken, dass mir die tiefen Töne wieder mal… naja, Ihr wisst schon.

Mein Ohrenarzt sagt, er verstehe meine Angst nicht. Die Medikamente würden doch wirken. Aber das was vor zwei Wochen.

Und überhaupt hat mein Arzt gut reden. Er hat nicht 25 Jahre Erfahrung mit einem Hydrops im linken Ohr. Ich aber habe das, verdammt nochmal! Mit einem Hydrops, der stets klein und harmlos anfing. Der sich aber in seinen fetten Zeiten noch von den besten Medikamenten nicht die Bohne beeindrucken liess. Der mir heftiges Ohrenpiepen bereitete und mich in den Besitz eines Hörgerätes brachte. Eines Hörgerätes, das meine Hörschwäche an einem schlechten Tag aber auch nicht befriedigend korrigierte. "Sie brauchen ihr rechtes Ohr, sonst gehts nicht", sagte jedenfalls meines Hörgeräteakustikerin nach unserem letzten Treffen.

Jetzt brauche ich auch mein Hörgerät nicht mehr. Denn eines Tages begann sich mein Hydrops mit einem heftigen Schwindelanfall zu verabschieden. Zwei Wochen lang hatte ich danach Schwindelanfall auf Schwindelanfall. Seither höre ich auf dem linken Ohr wieder merklich besser und brauche mein Hörgerät nicht mehr. Seither weiss mein Ohrenarzt, dass ich nicht die Menière'sche, sondern die Lermoyez’sche Krankheit habe. Immerhin.

Und jetzt?

Jetzt bin ich sicher, und mein Ohrenarzt stellt das auch gar nicht in Abrede: Jetzt habe ich zwei kleine, harmlose Hydropse: einen auf dem linken, und ein auf dem rechten Ohr.

7
Okt
2007

Ärger mit Wählerin Frogg

Ich bin empört über Wählerin Frogg. Nun hat sie sich doch wieder schockieren lassen von diesem Rechts-Links-Geschrei! Dabei wollte sie bis zu den Parlamentswahlen vom 21. Oktober an den Walkampf-Schlagabtäuschen zwischen SVP und Linken mit zugehaltenen Ohren vorbei gehen. Ich meine, dieses Geplänkel hört ja nie auf, und es hängt ihr seit Jahren zum Hals raus. Bis zum Vorwahlkampf im August hatte sie bereits so viel davon mitbekommen, dass es ihr bis zum Bauchnabel hing. Als im Setember auch noch alle "Verschwörung Verschwörung! zu schreien begannen, hing es ihr sofort bis zu den Knien.

Sie zog schon in Erwägung, für einmal nicht SP zu wählen. „Ich meine, kann man eine Partei noch ernst nehmen, die sich so reflexartig in eine Gegnerposition zwingen lässt?“ fragte sie rhetorisch. "Dann wähl doch zum ersten Mal in Deinem Leben eine Mittepartei!" schlug ich vor. Aber die Frogg traut den Mitteparteien FDP und CVP nicht. „Die Mitteparteien“, sagt sie, „verkaufen uns am Schluss ja doch an die SVP.“ Wenig später ging sie auch noch am Plakat einer CVP-Kandidatin vorbei, deren Slogan lautet: „Es ist d‘Ida“. „Also, ehrlich“, sagte die Frogg, „kann man eine Partei wählen, die nicht weiss, ob sie ihre Slogans in Schweizer- oder Hochdeutsch abfassen soll?“ Sie beschloss daraufhin, ihre Liste mit den bewährten Linken zu füllen und basta.

Bis am Freitag eine Karte von einer geschätzten Tante vom Lande kam, einer CVP-Politikerin. Das Bild auf der Karte zeigte d‘Ida, und die Tante schrieb, die Frogg müsse d‘Ida wählen, weil, es könnte knapp werden für d‘Ida mit zwei CVP-Listen im Kanton. Nun muss sich die Frogg d’Ida auch noch auf dem Netz anschauen und mal abklären, ob diese Frau nicht vielleicht doch wählbar sei. Als ob das nicht schon genug Aufwand wäre!

Und dann waren da gestern diese Krawalle zum SVP-Triumphmarsch in Bern. Und was macht die Frogg? Sie ereifert sich lautstark darüber, dass die Linksautonomen nichts Gescheiteres wussten als ihrem sattsam bekannten Anti-Rechts-Reflex zu folgen, den Marsch der SVP zu attackieren und damit der SVP noch mehr Wähler in die Arme zu treiben. Ich meine, die Frogg findet die Linksautonomen seit Jahren kindisch, ist da irgend etwas neu?! Sie würde besser ihre Nerven schonen, ihren Wahlzettel endlich ausfüllen (mit oder ohne d’Ida), und sich wieder mit lohnenden Themen auseinander setzen!

Aber nein, sie regt sich auf!

Bis sie sich doch ein wenig über d'Ida informiert und endlich schnallt, wie dieser Slogan gemeint ist. So. Da hat sie doch wenigstens was zu lachen! Zum Glück gibt es unsere Mitteparteien!

6
Okt
2007

Hyäne, Ratte, Krokodil

Im Moment ist die Angst vor dem Taubwerden meine treueste Begleiterin. Sie ist ein grässliches Vieh. Zu ihren Vorfahren müssen Hyänen und Riesen, Ratten und Krokodile gehören, so schaurig sie sieht aus. Sie lässt mich nur los, wenn ich abends total erschöpft ins Bett sinke. Aber schon fünf, sechs Stunden später faucht sie mich wieder an, bis ich wach bin. Dann haut sie mir Krallen und Zähne in die Magengrube, nagt an meinen Eingeweiden, zerrt mich aus dem Bett und schüttelt mir die Glieder.

Klar, diese Angst hat ihre Berechtigung. Ich habe die Lermoyez’sche Krankheit, sagt mein Ohrenarzt. Und die, so habe ich vor ein paar Tagen im Internet gelesen, greift offenbar häufiger auf beide Ohren über als mein Ohrenarzt glaubt.

Dennoch.

So kann es nicht weiter gehen.

Ich habe beschlossen, dem Vieh etwas entgegen zu setzen. Das Jetzt. Ich meine, JETZT. Gelegentlich, nicht immer, gelingt es mir. Gestern zum Beispiel gelang es mir. In der Nacht auf heute habe ich elf wohltuende Stunden am Stück geschlafen.
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Journal einer Kussbereiten

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Freni - 28. Nov, 20:21
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Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
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