25
Mai
2007

Schreiben und Sex

«Schreiben ist wie Sex: Nur Amateure haben daran Spass», soll Hunter S. Thompson einmal gesagt oder geschrieben haben.

Ich hörte den Satz zusammen mit einer Fangruppe von Hunter S. Thompson. Ich weiss noch, wie die mich angeschaut haben, als ich darauf sagte. «Also, das gibt mir zu denken! Mir hat schreiben nämlich immer Spass gemacht.!» «Ja, Du!» schienen ihre Blicke zu sagen, «Du bist zwar ein Profi, aber doch nur eine kleine Lohnschreiberin! Das kann man doch nicht ernst nehmen!» Und jemand sagte altklug: «Ja, weißt Du, das ist halt eine Frage der Ansprüche!»

Petra Ivanov aber sagt: «Schreiben muss Spass machen! Sonst würde man es gar nicht tun.» Und Petra Ivanov ist vielleicht nicht Hunter S. Thompson. Aber sie ist auch nicht irgendwer. Sie hat immerhin mindestens einen für Schweizer Verhältnisse ziemlich guten Krimi geschrieben.

Ich habe beschlossen: Beim Schreiben halte ich es auf jeden Fall und aus gesundheitlichen Gründen mit Petra Ivanov. Im Job, beim Krimi und beim Bloggen sowieso.

19
Mai
2007

Alle suchen Madeleine

Der Fall der verschwundenen Vierjährigen Madeleine bewegt in Europa sämtliche Boulevard-Medien und Millionen von Menschen. Warum ist das so?

Nun, ich muss gestehen: Die Sache bewegt mich auch. Ich habe Bilder vom Gesicht dieser Mutter gesehen, von diesem schönen, gezeichneten Gesicht, und mir überlegt: Würde ich mir je verzeihen, wenn meinem Kind so etwas passieren würde? Ich meine: Frau wird sich in einer solchen Lebenslage 1000 Mal gut zureden, sie könne doch nichts dafür, dass ausgerechnet ihr Kind verschwunden ist. Aber fühlt sie sich nicht doch immer schuldig?

Aber das ist natürlich nur ein Aspekt. Ich glaube zudem, wir befinden uns hier in den frühen Phasen einer Geschichte, die das Zeug zu einer grossen Tragödie hat. Da fahren durchaus durchschnittliche Eltern mit ihren Kindern in die Ferien. An die Sonne, in den Süden. Hier machen sie ihren einen, klitzekleinen Fehler: Sie lassen ihre Kinder für die Dauer eines Nachtessens allein. Ich meine, eigentlich ist das gar kein richtiger Fehler: Welche Eltern würden ihre Kinder nicht für ein Weilchen allein lassen, wenn das schon geht? Aber genau in dieser Zeit passiert das Furchtbare, und schon kippt alles vom Guten ins Böse.

Wenn das nicht Furcht und Mitleid erregt!

Ich glaube, sogar Aristoteles fände so eine Ausgangslage bewegend. Und damit komme ich zu einer für mich ganz neuen These: Nicht alles, was der Boulevard bringt, ist Mist. Mehr dazu ein andermal.

Für Madeleine hoffen wir, dass sie aus der Tragödie ausbricht und demnächst wohlbehalten nach Hause kommt.

1
Apr
2007

Hardrock Heaven

Gestern abend habe ich im Luzerner Kleintheater Werner Bodineks Stück Himmelblue gesehen. Ein Stück über einen im Leben gescheiterten Rockmusiker namens Blue. Blue stirbt und macht sich im Jenseits auf die Suche nach dem Rock-Himmel. Er sucht lange, trifft unterwegs im Polka-Himmel seine Liebe Frida und scheitert beim ersten Auftritt im himmlichen Rock-Café abermals: Die Grossen verjagen ihn mit Schimpf und Schande, weil: Er weiss «seinen» Song nicht.

Ja, richtig, das Stück basiert auf einer Kurzgeschichte von T.C. Boyle. Bodineks Autor Paul Steinmann hat aber den Schluss geändert: Bei Boyle gibt sich der Held mit Frida und einem Plätzchen im Polka-Himmel zufrieden. Bei Steinmann bekommt er noch eine Chance, kehrt zurück ins Leben und übt fortan unaufhörlich «Voodoo Chile», «seinen» Song. Jenen Song, mit der Sänger sagt, dass er eine einmalige Bestimmung im Leben hat:

«And he said fly on, fly on
Because Im a voodoo chile, baby, voodoo chile»

So lese ich das jedenfalls.

Item.

Ich hatte so meine Probleme mit der Produktion als solches. So war ich nie ganz sicher, ob Bodinek schlecht singt, weil er einen schlechten Rockmusiker spielt; oder ob er schlecht singt, weil er es nicht besser kann.

Trotzdem: Das Stück zu sehen lohnte sich, weil es mir eine Erkenntnis bescherte: Rockmusik lässt uns glauben, dass wir mehr sind als ein biederes Persönchen irgendwo in Frösch oder Bielefeld oder Niederwurlitz. Polka dagegen sagt uns, dass es schon in Ordnung ist, ein biederes Persönchen zu sein wo immer man ist.

Allerdings liess es mich mit ein paar Fragen zurück: Würde ich mich mit dem Polka-Himmel zufrieden geben. Und: Wo würde ich hingehen, wenn man mich nicht mal im Polka-Himmel dulden würde?

16
Mrz
2007

Lebenshilfe für Büromenschen

Irgendwo habe ich lesen einmal als Überlebenshilfe bezeichnet. Wie ich das meine, habe ich bislang nicht ausgeführt. Jetzt aber werde ich es tun – ansatzweise jedenfalls.

Ich muss dazu sagen, dass ich ein Büromensch bin. Seit mehr als einem Jahrzehnt friste ich meine Tage in Grossraumbüros. Meistens haben diese kleine Zwischenwändchen, die man mit Papier behängen kann. Meine Wändchen würde ich am liebsten mit Zitaten aus Büchern vollhängen.

Zum Beispiel:

«We haven’t the chance of a snowball in hell.»
Der Satz ist aus «Ulysses» von James Joyce, das schwöre ich. Um genau Angaben zu suchen, bin ich aber zu faul. Aufgehängt hätte ich ihn in meinem ersten Büro. Einem Büro in einem zum Untergang verdammten Betrieb. Dass er das war, wussten alle. Schon als er gegründet wurde. Nur wir kämpften wie die Löwen gegen das Verderben. Manchmal aber wurde die frogg frustriert über das Unterfangen oder ihre Kollegen. Wenn das passierte, dann zitierte sie leise diesen Spruch vor sich hin. Dann wurde sie jedes Mal vergügt.

Das ist zehn Jahre her. In meinem jetzigen Büro würde ich schon lange gern den hier aufhängen:

«Ja, mach nur einen Plan
sei n ur ein grosses Licht!
Und mach dann noch ‚nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlecht genug.
Doch sein höh’res Streben
Ist ein schöner Zug.»


Bertolt Brecht: «Die Dreigroschenoper», dritter Akt, Szene 7

Oder den hier.

Getan habe ich es nie. Wahrscheinlich bin ich einfach zu faul. Ich bin nun mal faul, was die visuelle Erscheinung meines Büros betrifft. Meistens sieht es schon auf meinem Schreibtisch aus, als hätte darunter ein Erdbeben Stärke 8 stattgefunden. Mit Wanddekorationen fange ich gar nicht an, bevor ich einmal richtig aufgeräumt habe.

Es kann aber auch andere Gründe haben. Aber die werde ich hier erst erörtern, wenn ich meinen Schreibtisch aufgeräumt habe. Oder wenn ich pensioniert bin.

Nur so viel: Sie helfen, diese Sprüche. Sie helfen. Auch wenn man sie nur leise aufsagt.

10
Mrz
2007

Wie Frauen lesen

Ja. Jetzt stelle ich mir die Frage doch noch. Und für ein wenig Unterstützung bei der Antwort griff ich zu Ruth Klügers «Frauen lesen anders». Ich hatte das Buch vor ein paar Jahren aus einer Grabbelkiste gekauft und lange ungelesen im Gestell stehen gehabt (weil ich meine feministische Phase für abgeschlossen hielt).



Nur: Ruth Klüger liess mich im Stich. Im ersten Teil des Buches weist sie lediglich nach, dass viel Literatur sexistisch ist, ob von Frauen oder von Männern, und auch kanonisierte Literatur wie jene von Friedrich Schiller. Sexistisch im Sinne von:

1) Frauen kommen gar nicht vor
2) Sie werden lediglich als Anhängsel von Männern dargestellt
3) Sie werden auf stereotype Art und Weise dargestellt.

Das ist für die Frogg nichts Neues.

Im vierten Essay gibt es dann ein paar interessante Zitate über schreibende Frauen. Zum Beispiel: «Die Autorität der schreibenden Frau wird angezweifelt, bewusst oder unbewusst (ein Autor masst sich ja ipso facto seinen Lesern gegenüber Autorität an). In Amerika wurde einmal durch ein Experiment festgestellt (...), dass Informationen, die von Männern ausgehen, mehr Glauben geschenkt wird als denselben Fakten, wenn Frauen sie vermitteln.» (S. 97).

Da ging mir das Licht auf, das für mich das Buch lesenswert gemacht hat: Ich begriff, warum ich mich immer dagegen gesträubt habe, meinen uralten männlichen Nick in einen weiblichen umzuwandeln.

Im Rest des Buches zeigt Ruth Klüger dann vor allem eins: Wie Ruth Klüger liest – und sie liest vielleicht nicht anders, aber vor allem anderes als die Frogg, nämlich kanonisierte deutsche Literatur. Und damit wäre bewiesen: Es gibt keine spezifisch weibliche Art zu lesen.
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