1
Jun
2005

Amerika lieben und hassen

Dass Begeisterung und Ablehnung gegenüber Amerika sich bei Europäern überlagern, scheint kein neues Phänomen zu sein. Simone de Beauvoir schreibt in ihrem Amerika-Tagebuch zum 5. Februar 1947: «Während dieser ersten Woche war ich von meiner Entdeckung New Yorks viel zu entzückt, um mich von der Lektüre der Tagespresse und der Wochenschriften deprimieren zu lassen. Aber heute Vormittag steigen Wut und Furcht ... wieder in mir auf.» Ursache: Kommunistenhetze, der Kalte Krieg. De Beauvoir weiter: «Europa ist jetzt schon ein Schlachtfeld, und jede Intervention ist gestattet. Man spricht von Europa wie von einem kläglichen, aber unfügsamen Vasallen – und besonders Frankreich gilt als ein sehr unfolgsames Kind.»

Ihre Wut konzentriert sich dann auf einen Chefredaktor, den sie in seinem Büro trifft: «Der grosse Direktor schwingt in seinem Drehsessel herum. Von der Höhe seiner eigenen und der amerikanischen Macht im allgemeinen wirft er mir einen ironischen Blick zu: also in Frankreich amüsiert man sich mit dem Existentialismus? ... Seine Verachtung gilt ... der Vermessenheit eines wirtschaftlich armen Landes, das sich herausnimmt, zu denken. Ist es nicht lächerlich, denken zu wollen, wenn man nicht den Vorzug hat, zu den Köpfen einer grossen amerikanischen Zeitung zu zählen – was übrigens vom Denken dispensiert?»

Es ist nicht sonst nicht meine Art, hier so viel zu zitieren. Aber das hier illustriert so schön, was ich die ganze Zeit schon über das Reisen nach Amerika und unsere Wahrnehmung der Welt im allgemeinen sagen will. Ich glaube, dass man beim Reisen nichts Neues entdecken kann. Ich glaube, der Geist eines jeden ist wie ein Haus auf einem Grundstück. Man kann es neu einrichten und neu streichen, ausschmücken und dekorieren. Man kann Möbel im Estrich und im Keller verstecken und wieder herausholen. Aber es bleibt ein Haus auf einem Grundstück, und erstaunlich viel daran ist vorgefertigt.

Zum Beispiel unsere Ideen über Amerika.

Wir Europäer lieben und hassen Amerika ist also ein fremdfabriziertes Möbelstück in meinem Gedankenstübchen. Aber eben habe ich wenigstens durchschaut, wie es funktioniert: Wir lieben und hassen Amerika, weil Amerika mächtig ist. Weil wir alles lieben und hassen, was mächtig ist.

Und dann schwingt in diesem Text von de Beauvoir noch ein anderer Gedanke mit, der zur Möblierung auch meines Gedankenstübchens gehört: Die Amerikaner sind dumm. Die Amerikaner können die Schweiz nicht von Schweden unterscheiden. Und noch weniger Lugano, Locarno und Lausanne. Auf der anderen Seite: Wer von uns kann Armenien und Aserbeidschan so genau auseinanderhalten? Eben. Die Amerikaner müssen sich von uns nicht vorschreiben lassen, was sie wissen und worüber sie nachdenken sollen. Sie sind mächtig.

Bevor ich nach Amerika reise, werde ich also eine Liste von Klischees über Amerika sammeln. Die werde ich dann noch vorlegen, bevor ich fliege.

9
Mrz
2005

Und tschüss

Derzeit mache ich, was zorra kürzlich vorgeschlagen hat: Ich arbeite an einem Buch. Oder versuche es wenigstens. Keine Zeit für was anderes. Sollte sich das ändern, melde ich mich wieder! Bis dann Gruss an alle meine neu gefundenen Freunde hier!

19
Feb
2005

Fehlerteufel

Gestern habe ich beim Zeitung machen einen Fehler gemacht. Einen dieser Fehler, der einem am nächsten Morgen beim Zeitung lesen als erstes in die Augen sticht: Ich habe Marla Glen mit 2 «n» geschrieben. In einer Bildlegende. Man schreibt Marla Glen mit einem «n», so wie's im Text neben der Bildlegende steht.

Das ist etwas vom Schlimmsten, was einem beim Zeitung machen passieren kann. Das ist einer der Fehler, bei denen man denkt: «Oh nein, Scheisse! 10 Stunden Arbeit vergeben!»

Der Leser sieht ja nie, was man alles richtig macht auf so einer Zeitungsseite. Dem Leser stechen immer nur die Fehler ins Auge. Und zwar nur die banalen Fehler. Ich meine, denken kann einer, was er will, und wenn es noch so blöd ist. Aber wenn er einen Namen falsch schreibt in einer Bildlegende, das ist furchtbar. Steinigenswert. Verdammenswert.

Man möchte sich zur Strafe in den eigenen Hintern beissen vor Ärger. Nachdem man dreimal den Oberkörper um die eigene Achse gedreht hat, ohne dabei die Beine zu bewegen.

Man möchte im Versandhandel ein neues Hirn bestellen. Eines dieser ordentlichen, wohl organisierten Hirne, die funktionieren wie die Hirne einer Rechenmaschine.

Warum bin ich mit so einem fransigen Hirn geboren?

16
Feb
2005

Morgenrituale

Das hier liefere ich noch zu meinem vorletzten Eintrag nach: Antworten zu fünf Fragen:

1) Aufstehen, aufs Klo, auf die Waage, Kaffee und Müsli machen. Dann Badezimmer und anziehen.

2) Wenn ich arbeite, stehe ich um 7.30 Uhr auf. Wenn ich nicht arbeite, schlafe ich aus.

3) Oh ja. Immer. Sonst werde ich tagsüber ohnmächtig. Ich habe einen tiefen Blutdruck.

4) Fünf Minuten, glaube ich.

5) Streit im Badezimmer haben wir nicht. Wenn der Tiger kommt, dann drängelt er einfach rein. Wenn ich komme, dann drängle ich. Aber das nützt meistens nix.

Nörgeln über Dan Brown

Als Dan Brown «Angels & Demons»* (auf Deutsch heisst das Buch Illuminati)

schrieb, hat er ganz offensichtlich zwei Themen minimal recherchiert: die Schweiz und die Schweizer Garde. Wenn er über diese beiden Themen schreibt, macht er einen Fehler nach dem anderen. Zum Beispiel:

1) Heldin Vittoria, erinnert sich an ihre ersten Kindheitsjahre in der Schweiz: «She was nine years old, rolling down hills of edelweiss flowers» (S. 126). Da kann die Frogg nur aufheulen: «Ja, und sie kam unten mit total zerschmetterten Knochen an!!!» Ist es doch der älteste aller Alpenmythen, dass Edelweiss nur an exponierten Stellen wächst. Und dass, wer ein Edelweiss auch nur zu pflücken versucht, bestimmt einen steilen Felshang hinunterstürzt. Klein Vittoria aber rollt zum Spass Edelweiss-Hügel hinunter. Naja, Vittoria rettet im Buch auf spektakuläre den Vatikan mit samt Bewohnern. Da kann sie sicher schon als Kinde mehr als andere...

2) Der Kommandant der Schweizer Garde heisst Olivetti. Ich bitte Euch! Einen italienischeren Namen gibt’s wohl kaum! Dabei wissen wir doch: Gardekommandanten heissen Estermann, Mäder oder Segmüller und entstammten bislang erstaunlich oft dem Luzerner Adel. Weitere Ungenauigkeiten Browns in Sachen Schweizer Garde zähle ich auf Anfrage gerne auf.

3) CERN-Sekretärin Sylvie Baudeloque sitzt in Genf und denkt über die Kirche nach: «The church recorded the benchmarks of her life – funerals, weddings, baptisms, holiday – and it asked for nothing in return» (S. 366). Ja weiss denn Herr Brown nicht, dass man in der Schweiz Kirchensteuern zahlen muss??!!

Okay. Ich bin ja sonst nicht der Typ, der über jeden kleinen Lapsus in einem Buch nörgelt. «Wer schreibt, macht Fehler» sage und ich aus eigener Erfahrung und, «Details, das alles», sage ich, und: «Brown’s Hauptthema sind ja nun mal die Illuminati, die Kunstschätze von Rom und die Antimaterie und nicht die Schweiz und ihre Edelweiss-Bestände».

Aber die Frogg lässt mir keine Ruhe. Sie insistiert: «Meinst Du denn, ich würde das ganze Gelaber über Rom, die Antimaterie und die Illuminati glauben, wenn er über die Schweiz nichts, aber auch gar nichts korrekt hinkriegt?! Und weißt Du, wie viele Leute diese Bücher lesen, weil sie glauben, aus ihnen etwas zu lernen?!»

Na gut. Deshalb Froggs Tipp: Lest Brown, wenn ihr erkältet im Bett liegt (wie die Frogg letzte Woche) oder aus sonst einem Grund die Zeit mit anspruchsloser aber fesselnder Lektüre totschlagen müsst. Aber glaubt dem Kerl kein Wort!

*Dan Brown: «Angels and Demons», London, Corgi, 2001.

13
Feb
2005

Perspektive verloren?

Mein Blogg heisst «Die Welt aus der Frogg-Perspektive». Gestern an der Bar aber sagte ich zu meinem Kumpel Nitro: «Vielleicht haben wir als Blogger gar keine Perspektive! Vielleicht sind wir nur Varianten von Fragebogen-Resultaten. Oder Kühe beziehungsweise Munis am Computer, die die Informationshäppchen im Netz durch unsere Rechner wiederkauen.»

Das war, nachdem ich «Interferenz» gesehen hatte. Eine Produktion, über die ich mir hier kein Urteil anmassen werde. «Il n’y a rien a comprendre», heisst es zu Beginn des Stücks, und ich werde mich hüten, so zu tun, als hätte ich viel davon verstanden. Nur geahnt, dass es um so etwas wie den Verlust der Identität im Medienzeitalter gehen könnte. Unter anderem, natürlich.

Aber heute früh, als ich aufwachte, dachte ich: «Nein, dass wir die Perspektive verloren haben, ist doch eine zu pessimistische Sicht. Hat ja doch jeder von uns seinen eigenen Stil. Seine eigenen Themen.

Jawohl!
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