26
Jan
2005

Deutsche und Schweizer

«Wenn zwei Schweizer vor einer Tür stehen, dann gibt es eine Schlange. Weil jeder dem anderen den Vortritt lassen will.» Das hat ein Deutscher zu meinem Bruder gesagt, der Schweizer ist.

Einmal habe ich zu meiner Freundin Helga (einer Deutschen) gesagt: «Deutsche verwenden sehr viel Energie darauf, Konflikte eskalieren zu lassen.»

Da sagte meine Freundin Helga: «Und Schweizer verwenden sehr viel Energie darauf, Konflikte nicht eskalieren zu lassen.»

Wir haben beide recht.

Bitte verbieten!

Wenn ich noch einmal den Ausdruck weisse Pracht in einer Zeitung lesen muss, fange ich an zu schreien! Bitte auf den Index setzen!

23
Jan
2005

Makabre Geschichte

Ferien im Engadin, 1. Tag
Wer mit dem Zug nach Scuol reist, fährt an Ardez vorbei.



Dort hat der Tiger die Sommerferien seiner Kindeheit verbracht. Jedes Mal, wenn wir jetzt im Zug Ardez passieren, erzählt er genüsslich eine Geschichte, die er damals mitbekommen hat.

«Früher, ganz früher, mussten die Leute von Ardez ihre Toten drüben in Galtür begraben. Sie trugen die Leichen jeweils über einen Pass hinüber nach Österreich. Im Winter aber war der Pass zugeschneit. So deponierte man die Leichen irgendwo auf dem Weg nach Galtür. Stell Dir vor, all die gefrorenen Leichen am Passweg! Wenn es dann Frühling wurde, holten die Leute die Leichen ab und trugen sie hinüber.»

Es ist nicht etwa so, dass die Frogg gähnend abwinkt, wenn der Tiger diese Story erzählt. Nein. Sie will sie jedes Mal wieder hören.

Unterdessen haben wir recherchiert und herausgefunden, dass der Totentransport genau umgekehrtverlief. Und dass wir nicht die ersten sind, die fasziniert sind von der Geschichte.

14
Jan
2005

Schrecklicher Tag

Früher habe ich ja einmal behauptet, ich würde gerne skifahren. Aber glaubt mir, das ist gar nicht wahr. Ich hasse skifahren. Ganz besonders am Tag, bevor ich in die Skiferien fahren muss. Da könnte ich alle Skipisten zusammenkneueln und auf den Mond schiessen und sämtliche Skier mitsamt ihrem Erfinder hinterher.

So ein Tag ist heute.

Stellt Euch vor, morgen muss ich für eine ganze Woche in die Skiferien!

Ich tue das nur dem Tiger zu Liebe, das schwöre ich Euch.

In einer Woche melde ich mich zurück.

Ah ja. Auch sonst ist heute ein schrecklicher Tag. Warum? Ach, das gehört nicht hierher. Büroärger.

12
Jan
2005

Voyeurismus?

Nach dem Essen sagt Corinna: «Doch. Ich finde es richtig, wenn die Medien Angehörige von Flutopfern zeigen. Das hilft auch allen anderen Angehörigen von Opfern. Sie identifizieren sich mit den Leuten in den Medien und fühlen sich weniger allein.»

Jeder anderen hätte ich widersprochen. «Das ist Voyeurismus!» hätte ich gesagt. «Man muss den Angehörigen beim Trauern ihre Ruhe lassen.» Aber Corinna widerspreche ich nicht. Corinna versteht sich auf Katastrophen. Sie hat selber eine überlebt. Als der Leibacher vor drei Jahren in den Zuger Kantonsratssaal stürmte, sass sie dort auf der Journalistenbank. Sie wurde schwer verletzt.

Jetzt sitzt sie hier und trinkt Kaffee und sagt ihre Meinung, fast als hätte sie selber vergessen, dass einmal so etwas passiert ist.

9
Jan
2005

Über Betty Bossi

In den achtziger Jahren ging ein alter Strassenmusiker namens Paul in unserer WG aus und ein. Wenn es etwas Rechtes zu Essen gab, faltete er am Tisch die Hände und sagte: «Thank you, Betty Bossi.» Paul war Engländer, aber er hatte das Wesen der Schweizer Küche begriffen wie kein zweiter.

Betty Bossi war eine Firma, die Kochbücher publizierte. Doch für alle Hausfrauen und Hobbyköche und selbst für die WG-Bewohner der Schweiz war Betty Bossi damals unentbehrlich. So unentbehrlich wie für die Rüebli auf dem Felde der Regen und der Sonnenschein.

Dazu passte: Viele Leute glaubten, Betty Bossi sei eine wirkliche Person.

Ihre Kochbücher wurden wohl deshalb so beliebt, weil sie für unsere Mütter die preiswerte Erlösung vom Kochschulmief der fünfziger Jahre waren. Denn in den Schulkochbüchern unserer Mütter gab es nichts als schwarzweisse Zeichnungen, Rindfleisch-im-Saft-Sparsamkeit und Fettflecken. Noch für meine Kochlehrerin war selbstgemachte Mayonnaise das höchste der Gefühle. Einfach, weil das französisch klang. Alle Rezepte in Betty Bossis Büchern aber war alles bunt und «gluschtig».

Betty Bossi aber war nicht nur gluschtig. Sie hatte für jeden Geschmack und jede Lebenslage etwas: Käseschnitte spezial oder Kalbsfilet im Teig; Ratatouille oder Randensalat, Linzertorte oder Tiramisu (das damals gerade in Mode kam). So kam es, dass bald alle Schweizer Haushalte Kochbücher von Betty Bossi besassen. Nicht alle dieselben. Aber alle mindestens eines.

In der Schweiz herrschte der Monotheismus von Betty Bossi.

Bücher aus dem Ausland kaufte man ja nicht. Die enthielten Fehler, dass wusste man. Mit Büchern aus dem Ausland wurde die Mousse zu flüssig und den Tortenboden zu staubig. Betty Bossi-Bücher aber waren Schweizer Bücher und enthielten keine Fehler.

Ja, das war eine goldene Zeit.

Aber sie ist vorbei. Heute kann man mit Kochbüchern allein keine rechten Geschäfte mehr machen. Hat ja niemand mehr Zeit zum Kochen.

Das merkte auch Betty Bossi. Recht früh sogar. Ohne Krise.

Heute macht sie vor allem Convenience Food. Pizza und Salate. «Ziemlich teuren convenience food», findet die Frogg.

Herr T. aber sagt: «Betty Bossi macht den besten Convenience Food.»

Er hat sich noch nie gerne von den Göttinnen der Vergangenheit getrennt.

*«gluschtig»: schweizerdeutsch, Adj., hauptsächlich für Essen, etwa: «Lust erweckend»
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Journal einer Kussbereiten

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