14
Jan
2005

Schrecklicher Tag

Früher habe ich ja einmal behauptet, ich würde gerne skifahren. Aber glaubt mir, das ist gar nicht wahr. Ich hasse skifahren. Ganz besonders am Tag, bevor ich in die Skiferien fahren muss. Da könnte ich alle Skipisten zusammenkneueln und auf den Mond schiessen und sämtliche Skier mitsamt ihrem Erfinder hinterher.

So ein Tag ist heute.

Stellt Euch vor, morgen muss ich für eine ganze Woche in die Skiferien!

Ich tue das nur dem Tiger zu Liebe, das schwöre ich Euch.

In einer Woche melde ich mich zurück.

Ah ja. Auch sonst ist heute ein schrecklicher Tag. Warum? Ach, das gehört nicht hierher. Büroärger.

12
Jan
2005

Voyeurismus?

Nach dem Essen sagt Corinna: «Doch. Ich finde es richtig, wenn die Medien Angehörige von Flutopfern zeigen. Das hilft auch allen anderen Angehörigen von Opfern. Sie identifizieren sich mit den Leuten in den Medien und fühlen sich weniger allein.»

Jeder anderen hätte ich widersprochen. «Das ist Voyeurismus!» hätte ich gesagt. «Man muss den Angehörigen beim Trauern ihre Ruhe lassen.» Aber Corinna widerspreche ich nicht. Corinna versteht sich auf Katastrophen. Sie hat selber eine überlebt. Als der Leibacher vor drei Jahren in den Zuger Kantonsratssaal stürmte, sass sie dort auf der Journalistenbank. Sie wurde schwer verletzt.

Jetzt sitzt sie hier und trinkt Kaffee und sagt ihre Meinung, fast als hätte sie selber vergessen, dass einmal so etwas passiert ist.

9
Jan
2005

Über Betty Bossi

In den achtziger Jahren ging ein alter Strassenmusiker namens Paul in unserer WG aus und ein. Wenn es etwas Rechtes zu Essen gab, faltete er am Tisch die Hände und sagte: «Thank you, Betty Bossi.» Paul war Engländer, aber er hatte das Wesen der Schweizer Küche begriffen wie kein zweiter.

Betty Bossi war eine Firma, die Kochbücher publizierte. Doch für alle Hausfrauen und Hobbyköche und selbst für die WG-Bewohner der Schweiz war Betty Bossi damals unentbehrlich. So unentbehrlich wie für die Rüebli auf dem Felde der Regen und der Sonnenschein.

Dazu passte: Viele Leute glaubten, Betty Bossi sei eine wirkliche Person.

Ihre Kochbücher wurden wohl deshalb so beliebt, weil sie für unsere Mütter die preiswerte Erlösung vom Kochschulmief der fünfziger Jahre waren. Denn in den Schulkochbüchern unserer Mütter gab es nichts als schwarzweisse Zeichnungen, Rindfleisch-im-Saft-Sparsamkeit und Fettflecken. Noch für meine Kochlehrerin war selbstgemachte Mayonnaise das höchste der Gefühle. Einfach, weil das französisch klang. Alle Rezepte in Betty Bossis Büchern aber war alles bunt und «gluschtig».

Betty Bossi aber war nicht nur gluschtig. Sie hatte für jeden Geschmack und jede Lebenslage etwas: Käseschnitte spezial oder Kalbsfilet im Teig; Ratatouille oder Randensalat, Linzertorte oder Tiramisu (das damals gerade in Mode kam). So kam es, dass bald alle Schweizer Haushalte Kochbücher von Betty Bossi besassen. Nicht alle dieselben. Aber alle mindestens eines.

In der Schweiz herrschte der Monotheismus von Betty Bossi.

Bücher aus dem Ausland kaufte man ja nicht. Die enthielten Fehler, dass wusste man. Mit Büchern aus dem Ausland wurde die Mousse zu flüssig und den Tortenboden zu staubig. Betty Bossi-Bücher aber waren Schweizer Bücher und enthielten keine Fehler.

Ja, das war eine goldene Zeit.

Aber sie ist vorbei. Heute kann man mit Kochbüchern allein keine rechten Geschäfte mehr machen. Hat ja niemand mehr Zeit zum Kochen.

Das merkte auch Betty Bossi. Recht früh sogar. Ohne Krise.

Heute macht sie vor allem Convenience Food. Pizza und Salate. «Ziemlich teuren convenience food», findet die Frogg.

Herr T. aber sagt: «Betty Bossi macht den besten Convenience Food.»

Er hat sich noch nie gerne von den Göttinnen der Vergangenheit getrennt.

*«gluschtig»: schweizerdeutsch, Adj., hauptsächlich für Essen, etwa: «Lust erweckend»

5
Jan
2005

5. Januar, 12 Uhr mittags

Draussen läuten gerade die Sonntagsglocken. Der Tiger ruft aus seinem Zimmer: «Hast Du die Fahnen auf Halbmast gehängt?!»

«Bin eben dabei!», rufe ich.

Eben ist auch mir eingefallen, woran uns die Sonntagsglocken an einem Mittwoch erinnern sollen. Und warum im ganzen Land die Fahnen auf Halbmast hängen.

Die Spendenkontonummer der Glückskette kann der Tiger längst auswendig:

Er ruft: «10-15000... Strich...»

«Strich sechs, Stichwort Seebeben Asien!» rufe ich hinüber. Die Adresse der Glückskette kann ich schon gar nicht verlinken. Total überlastet.

Soll man überhaupt über die Katastrophe schreiben?

Ja. Man soll es versuchen. Finde ich.

3
Jan
2005

«80 Tage» mit Philemon Frogg

Ich musste den Streifen «In 80 Tagen um die Welt» einfach bei erster Gelegenheit sehen. Schliesslich reise ich seit geraumer Zeit unter dem Decknamen Philemon Frogg durch virtuelle Welten. Und schon früher habe ich keinen Hehl daraus gemacht, dass Phileas Fogg bei der Erfindung meines Nicks Pate gestanden hat.

Und gestern habe ich nun Phileas Fogg im Kino gesehen.

Nun?

Naja, der Anblick war zunächst einmal enttäuschend. Ich meine, dieser Fogg hätte Frogg’s kleiner Bruder sein können. Aber wie die Frogg ist er ängstlich, weltfremd und ungeschickt – und ein verkanntes Genie obendrein. Dabei bräuchte die Frogg genau im Bezug auf diese Eigenschaften nun wirklich keine brüderliche Konkurrenz!

Ausserdem: Kommt ein geistiger Vater so milchgesichtig daher?

Nein, entschied die Frogg.

Nur der Umstand, dass er überhaupt keinen Kunstverstand hat, unterscheidet ihn ein bisschen von der Frogg (einen van Gogh findet er total daneben, weil van Gogh violette Bäume malt – aber das muss man einer Figur des 19. Jahrhunderts verzeihen).

Nein, an den berühmten Fogg von David Niven der hier nicht heran. Und unser Bild von Phileas Fogg beruhte offenbar nun mal auf der Verfilmung von 1958, mit David Niven in der Hauptrolle. Den habe ich als Kind gesehen uns seither ist Niven ist in meiner Erinnerung für alle Zeiten ein Englischer Gentleman um die fünfzig, eine pedantische, aber liebenswürdig väterliche Figur. Und einen solchen Herrn Papa und keinen anderen wünschte sich die Frogg. Jawohl.

Und sonst? Ich muss sagen, ich hätte mir ein bisschen mehr Werktreue gewünscht. Fogg hätte die Reise so, wie das neue Drehbuch sie will, nie in 80 Tagen geschafft. Aber das haben schon andere bemerkt.

Gut unterhalten habe ich mich allerdings trotzdem, ich muss es gestehen.

Deshalb, wieder mal *** (von 5 möglichen)
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