offene Briefe

9
Nov
2016

Verdammtnochmal!!!

Mittlerweile verbringe ich mehr Zeit mit dem Versuch, mich auf mein Wordpress-Kommentar-Konto einzuloggen als mit Bloggen selber. Das ärgert mich dermassen, dass ich im Moment üüüberhaupt keine Lust habe, von twoday nach Wordpress umzuziehen. Jawohl!

Und, ja, ich war auch geschockt wegen Donald Trump. Aber lamentieren hilft nix - jetzt können wir nur abwarten, was kommt.

24
Dez
2014

Weihnachtsgeschichte zeitgemäss

Weihnachten im christlichen Abendland anno 2014 gibts hier zu feiern. Köstliches Video!



Allen meinen Lesern ein frohes Fest!

1
Jan
2014

Neujahrsvorsatz

Beim Bloggen bin ich eine Schreiberin - keine Leserin und schon gar keine Vernetzerin. "Ich schreibe, also bin ich", lautete bislang stets meine Devise. Ich gebe zu: Ich habe den Grundgedanken des Bloggens willentlich nicht begriffen. Von ein paar Leuten gelesen zu werden, reichte mir. Der eine oder andere Kommentar reichte mir. Andere Blogs las ich nebenher in einer freien Minute. Kommentieren? Eher selten. Stöckchen und Freitagstexter und solcherlei? Das hätte mich alles nur von dem abgelenkt, was ich zu sagen hatte.

Wenn ich mir das so überlege, denn wird mir klar, wie viel ich von meinen Leserinnen und Lesern in all diesen Jahren bekommen habe. Unglaublich viel!

Aber zurzeit weiss ich nicht so recht, ob ich immer noch etwas zu sagen habe.

Ist dieser Blog alt und müde? Oder bin nur ich es? Habe ich nur eine uninspirierte Phase? Soll ich etwas anderes machen? Aber was?

Ich klickte mich ein bisschen durch meine Blogroll und entdeckte eine Menge Neues. Herrn shhh und lamamma angestossene Diskussion übers Vernetzen von Blogs. Merkwürdig. Spannend. Oder ein Gedicht von tinius mit einer Diskussion, die genau meine derzeitigen Fragen ans Bloggen auf den Punkt bringt.

Ich glaube, ich sollte im Neuen Jahr mehr Blogs lesen. Und mehr kommentieren.

In diesem Sinne wünsche ich Euch ein inspiriertes Neues Jahr - ohne Vernetzungszwang aber mit vielen glücklichen virtuellen Begegnungen.

17
Mrz
2013

Die Liebe zu den Grossvätern

Am 10. Mai 1945 war der Krieg auch für Fred Feuerstein vorbei. Seine Truppe in der Festung Lorient kapitulierte. Aus mündlicher Überlieferung wissen wir, dass er vorübergehend in Kriegsgefangenschaft geriet.

Sonst wissen wir nichts. Erst im Jahr 1953 schreibt er wieder an Erna, weil er geschäftlich unterwegs ist. Er ist dabei, einen Absatzmarkt für Velveta-Käse in Mannheim aufzubauen:



Er findet Mannheim russig, die Mannheimer proletarisch und seinen Job ungeheuer hektisch. Er schreibt fast nur noch über finanzielle Engpässe. Dabei geht es insgesamt aufwärts mit Feuersteins. Sie haben ein neues Haus, und Fred fährt jetzt auch Auto. Für alte Geschichten hat er keine Zeit mehr. Nur an einer Stelle outet er sich als einer jener Kleinbürger, die bei Ausbruch leichter öffentlicher Unordnung noch bis ans Ende ihres Lebens gerne lästern: "Im Dritten Reich hätte es das nicht gegeben!"

Es steht also fest: Fred Feuerstein mutierte in der Wehrmacht nicht zum heimlichen Regimekritiker als den ihn die Familien-Überlieferung gerne sieht.

Soll man ihn deswegen weniger gut mögen? Ich weiss es nicht. Es gibt Dinge, die mir an diesen Briefen Eindruck gemacht haben: Wie er hier seine Frau angesichts der Bedrohung vom Atlantik her um Verzeihung dafür bittet, dass er sie in dieses Schlamassel gebracht hat. Sehr berührend.

Und überhaupt können wir ja gar nicht aufhören, unsere Grossväter zu lieben. Vielleicht reicht es, wenn wir sehen, dass sie auch Fehler gemacht haben. Und daraus zu folgern, dass wir auch Fehler machen können.

Mich hat Fred gelehrt, genauer hinzuschauen. Wieder öfter Wort zu erheben, wenn ich sehe, dass meine Umgebung aus Betriebsblindheit oder offener Feindseligkeit andere gering schätzt. Aber ich bin nicht sicher, ob das reicht.

9
Mrz
2013

Fred, der Unbeugsame

Nach Recherchen im Internet verstanden wir endlich, wo Fred Feuerstein den wortkargen Herbst 1944 verbrachte: in einem Dorf namens Plouharnel an der Südküste der Bretagne. Sein Bunker gehörte zur Festung Lorient. Dort harrten 10000 Deutsche aus, als die Alliierten die Bretagne längst besetzt hatten (hier mehr darüber). Das gallische Dorf der Unbeugsamen sozusagen - nur gehörte es nicht Asterix und Obelix, und auch von Wildschweinen ist nie die Rede. Die Deutschen stehlen Essen von den Bauern der Nachbarschaft. Und dann und wann kamen ein paar Rationen per U-Boot übers Meer.

In einem Brief vom 6. Januar 1945 schildert Fred, wie es mit ihm soweit gekommen ist - wobei die Reichszensurstelle eine wahrscheinlich hoch interessante Passage mit grünblauem Farbstift dick durchstrich. Danach schreibt er: "Ich war doch am 4. August mit meinem Zweiten Kompanie-Offizier mit dem Wagen auf Dienstfahrt..., und sind wir beide als die Gefangenen der Franzosen erklärt worden, gemeinsam mit ein paar anderen Deutschen. Auf meine Initiative sind wir zwei aber in den richtigen fünf Minuten eines französischen Gequassels ausgerissen und zu unseren deutschen Kameraden und Dienststellen zurückgekehrt. Und in dem Moment, wo das Gefecht in unserem Ort stattfand, waren wir wiederum für eine Sonderaufgabe mit dem Wagen unterwegs, sonst hätte mich der Amerikaner eventuell geschnappt. Aber meine ganzen privaten Sachen sind den Feinden in Erdeven in die Hände gefallen."

Fred hätte also die Gelegenheit gehabt, sich zu ergeben und so einen bescheidenen Beitrag zur Verkürzung des Krieges zu leisten. Aber er tat es nicht. Fürchtete er, Ehefrau Erna und Tochter Ernestina würden dafür bestraft? Eine Stelle in einem Brief vom 2. Dezember legt dies nahe: "Ich hatte in den vergangenen 90 Tagen viele Grübelstunden, und dann bin ich trotzdem nicht übergelaufen. Obschon Kameraden, die abhauten, mich mitnehmen wollten. Ich denke dabei immer an Euer Schicksal. So verlockend oft die Sicherheit in der Gefangenschaft wirkt, so denke ich doch immer an Euer Schicksal, das aus einem solchen gefährlichen Schritte resultieren könnte. Und wenn ich nicht mehr mit dem Leben davonkomme, so könnt Ihr doch annehmen, dass ich die Pflicht Euch gegenüber im Rahmen des nur möglichen erfüllt habe."

Der letzte Soldatenbrief, den Erna von Fred erhielt, trägt den Datumsstempel vom 25. Februar. Noch dauerte es mehr als zwei Monate bis zum Ende des Krieges. Die Deutschen kapitulieren am 8. Mai 1945. Doch die Männer in Plouharnel harren weiter aus.

6
Mrz
2013

Eingeschlossen

Herr T. und ich arbeiteten uns in einer finsteren Winternacht durch die Briefe von Fred Feuerstein. Wir lasen fieberhaft. Herr T.s Grossvater sprach zu uns wie ein Geist. Eilig griffen wir die Umschläge vom Sommer 1944 und danach heraus. Wo war Fred damals? Was erzählt er?

Es muss ihm etwas Merkwürdiges passiert sein. Am 20. August 1944 schreibt er seiner Frau Erna noch ohne Ortsangabe: "Es ist nun schon 16 Tage her, seit wir abgeschnitten sind und acht Tage, seit wir zur Übergabe aufgefordert wurden durch einen Parlamentär. Noch sind wir immer gut verpflegt, wenn auch nur noch der gefahrvolle Seeweg offen ist. Um uns herausnehmen zu können, fehlen die Mittel... Andererseits haben wir Befehl zum Ausharren bis zum letzten Schuss und zum letzten Blutstropfen. … Einige wenige Kameraden sind desertiert... Es ist weit bis zu den anderen Deutschen hinter uns und erst bis zur Reichsgrenze. … Eines ist sicher: dass es nach Abschluss hier für die Überlebenden nur noch die Gefangenschaft gibt."

Dann bricht der Strom seiner Briefe ab.

Abgeschnitten? Nur über den Seeweg erreichbar? Rätselhaft. Und das Schweigen dauert.

Der nächste Brief ist vom 2. Dezember. Auf dem Umschlag klebt ein Streifen mit Hakenkreuz und der Aufschrift: "Geöffnet von der Reichszensurstelle". Fred schreibt jetzt mit Bleistift auf grobfasriges Papier: „Es sind nun 117 Tage, seit wir wie Gefangene eingeschlossen sind." Und er hat seit dem 21. Juni keine Nachricht von Erna. Mehr als fünf Monate.

Im Dezember 1944 folgen mehrere Briefe einander. Sie haben alle Kleber von der Reichszensurstelle, sind alle ähnlichen Inhalts. Fred ist eingeschlossen. Er wartet auf Briefe von Erna. Er ist hungrig. "Man ist halt ab und zu ausgebrochen und hat sich Kartoffeln, Geflügel und Vieh vor der Nase der Feinde bei den französischen Bauern kurzerhand geholt. In der Not wird der Krieger zum Dieb. Freilich gabs dabei auch mal Zünder, aber wir haben ja auch Waffen und Blei."

Seine Isolation versteht er als Sühne für das, was er seiner Familie angetan hat.

Diese Briefe tragen wenigstens eine - nicht sehr gut leserliche - Ortsangabe: Er hat sie in an einem Ort namens Plouhamel oder Plouharnel geschrieben. Am 21. Dezember dann eine Karte mit einem gedruckten Text. Fred darf Weihnachtsgrüsse in die Heimat schicken: „Nachstehende Nachricht wurde durch Funk aus der eingeschlossenen Festung L’Orient am 10. Dezember übermittelt."

Wir griffen nach Google und Wikipedia.

2
Mrz
2013

Freds verlogene Sentimentalität

Fred Feuerstein überlebte den Ansturm der Alliierten im Juni 1944. Er blieb an einem unbekannten Ort in Frankreich und schrieb weiter seiner Frau Erna in Deutschland. Nur das Papier wurde schlechter.

Hatte die Zeit in der Wehrmacht ihn wirklich zu einem Kritiker des Nazi-Unwesens gemacht, wie er später behauptete? Wenn ja, so wäre er jetzt wortkarg gewesen. Wegen der Zensur. Aber er wurde nicht wortkarg. Im Gegenteil. Er gibt dem Drang nach, die Lage neu zu beurteilen. Und er tut es auf eine Art, die meine Sympathie für ihn schwer beschädigt.

So lästert er am 11. Juni über zwei Nachbarn Ernas, die nicht an der Front sind: "Heute kommen die Egoisten an den Tag in der ernsten Stunde. Dass so ein Müller oder Meier noch zu Hause sitzt. Junge Leute, ohne Bresten, gesund und ausgeruht." Fred scheint zu vergessen: In Deutschland herrschte Allgemeine Wehrpflicht. Wer nicht an der Front ist, hat sehr gute Gründe. Oder er profitierte von einer korrupten Stelle im System.

Am 5. Juli hofft er noch immer auf den Sieg: "Ich höre gerade, dass die V-1-Waffe gegen England so schrecklich gewirkt hat und demnächst auch V-2 drankommt, noch stärker."

Ausserdem entdeckt er seinen Hass auf die Franzosen. "Sie haben ein schäbiges, erhabenes Lächeln, als ob sie sagen wollten: Jetzt geht’s …(unleserlich) mit Euch", schreibt er am 9. Juni. Und am 20. August kommt die Stelle, an der sich mir schier der Magen umdrehte: "Die Franzosen sind nun satanisch hasserfüllt feindlich. Und wir haben dieses Sauvolk mit Glacéhandschuhen angefasst und ihre Kriegsgefangenen bei uns so anständig behandelt. Das ist der Dank dafür, dass sie nun hinter Büschen und Mauern lauern und aus den Häusern schiessen auf alles, was deutsche Uniform trägt. So kann nur der Franzose hassen. Er wird uns auch gar nie verstehen lernen. Er will das auch nicht. Wir Deutsche sind doch gewiss keine Engel. Aber wenn wir Frauen und Kinder sehen, dann werden wir weich."

Nichts rechtfertigt die sentimentale Verlogenheit, den blanken Zynismus dieser Stelle. Es waren Deutsche, die 75000 jüdische Frauen, Kinder und Männer aus Frankreich deportierten. Aber vielleicht hat Fred ja nie nach ihrem Schicksal gefragt. Und, naja, vielleicht hatte ihm nie jemand vom Massaker von Oradour vom 10. Juni 1944 erzählt. Dort ermordeten Deutsche 642 Menschen. Die Frauen und Kinder trieben sie in eine Kirche und zündeten das Gotteshaus an.

Aber dass die V-1 Tausende Zivilisten tötete und verletzte, müsste er eigentlich gewusst haben.

Doch, nein: Fred wollte keine Tatsachen sehen. "Wer zum Mörder wird, entwickelt die Begabung, es nicht zu merken", ein Zitat von Julia Voss zu diesem Thema.

Fred schlägt lieber blind mit Worten um sich.

Bis Ende August der Strom seiner Briefe versickert.

24
Feb
2013

Er schliesst mit dem Leben ab

Als die Alliierten am 6. Juni 1944 französischen Boden betraten, konnte der deutsche Gefreite Fred Feuerstein nur noch eine kurze Notiz an seine Frau und seine Tochter verfassen (hier nachzulesen).

Dass seiner Welt der Zusammenbruch drohte, hatte er aber bereits im Mai erkannt. Am 21. Mai 1944 schliesst er in einem Brief an seine Frau mit dem Leben ab. Ihn plagen Schuldgefühle: "'mea culpa‘ muss ich mir immer wieder sagen. Wahrhaftig eine harte Sühne. … Ich möchte jetzt nicht gerne scheiden und bei meiner Familie einen Berg von Schuld hinterlassen, ungesühnt und nicht wieder gut gemacht wie ein trauriger Lump, dem alles gleich ist. Sollte mir ein Leid geschehen, … so nehme Du, meine innigst geliebte … meinen herzlichen, tiefgefühlten Dank für alles, aber auch restlos alles, was Du vom ersten Tag an unserer jungen Liebe über die 20 Jahre hinweg mir und meinem Kinde geopfert hast. … Sollte ich nicht wiederkehren, dann bitte ich Dich, dem Kinde eine gute Erziehung und Schulung angedeihen zu lassen und dass in ihm nur meine guten Tugenden fortleben werden, nicht aber etwaige Erbansätze negativer Art auswachsen können."

Was ist es, was Fred nun so bitter bereut? Genau können wir es nicht sagen. Sicher ist, dass er in der Schweiz geschäftlich gescheitert war und einen Berg Schulden hinterliess. Er suchte in Grossdeutschland mit Frau und Tochter ein neues Auskommen - was in der Familie nicht auf ungeteilten Begeisterung stiess. So schreibt der 41-jährige Fred am 11. März 1943 aus der soldatischen Schnellbleiche irgendwo in Österreich: "Die Briefe von (Deiner) Mutter in Aarau sind ja recht blöd und ein Teil der Zeilen von Dorli* auch. Wenn die glauben, Dich und Ernestinli hinein (in die Schweiz) zu lotsen, dann mögen sie es tun. Ich glaube zwar kaum, dass Du neugierig wärest... der Mutter den "Holmer"** zu machen und dann noch die materiellen Sorgen. Die Mutter jammert ja selber im gleichen Brief über die Teuerung. Lies einmal richtig die Inkonsequenz im Brief! ... Gib ihnen doch einmal klar und deutlich zu verstehen, dass Du es hier doch trotz des Krieges materiell sorgenfrei hast."

Nur eben: Ein Jahr später war es mit der Sorglosigkeit vorbei. Ehefrau Erna und Tochter Ernestina lebten in einer Stadt, auf die 1944 Bomben fielen. Fred begriff, dass seine Emigration aus der Schweiz ein Fehler gewesen war.

Er muss verzweifelt gewesen sein, voller Scham - und wütend. Gegen wen aber richtete sich seine Wut? Gegen den so genannten Führer? Gegen die Ideologie, der er aufgesessen war? Noch stellt er offenbar die nationalsozialistische Vererbungslehre nicht in Frage. Und sonst?

Wir werden sehen.

* Schwester von Erna
** "Holmer" ist schweizerdeutsch und kommt von "Hol mir". Der "Holmer" ist etwas ähnliches wie der Schani: Einer, der für den Chef unbequeme Arbeiten erledigt.

20
Feb
2013

Als die Amerikaner kamen

Der 6. Juni 1944 ist ein Wendepunkt in der Geschichte Europas. An jenem Tag landeten die Alliierten an der Küste der Normandie. Der Sieg über die Hitler rückte in Griffnähe. Es ist ein fürchterlicher Tag: Gegen 4500 junge Amerikaner, Briten und Kanadier und zwischen 5000 und 9000 Deutsche verlieren ihr Leben. Es war ein Dienstag.

Dass die Invasion drohte, wusste Fred Feuerstein, der als deutscher Gefreiter* irgendwo an der Westfront sass. Doch wann? "Möglicherweise kommt der Thommy überhaupt nicht", schreibt er noch, als er am 4. Juni wie jeden Sonntagabend einen Brief für seine Frau Erna beginnt. Bis er richtig loslegen kann, wird es diesmal Montag. Er berichtet: "Schau, ich wollte gestern den Sonntagnachmittag mit Briefeschreiben verbringen. Erst musste ich mich rasieren, waschen und vom Mittagsschlaf bin ich erst um 16.30 Uhr erwacht. Abendbrotstülle essen und schon ist es aus mit der Freizeit. Da schreit einer: 'Gefreiter Brodmann, sofort aufs Büro!' Dolmetschen. Wie ich zurückkomme, fragt schon der Zweite Kompanie-Offizier: 'Feuerstein, schauen Sie mal, wo ich etwas Schönes zu fressen kriege.' Also wieder ins Dorf. Er geht aber gleich mit. Weil er niemanden hat, schleppt er mich zu einer Tournée von Kneipe zu Kneipe. Und wies die pommerschen Schnapspreussen haben: zu jedem Glas Wein einen grossen Cognac."

Auch die französischen Besatzten fanden wohl diese Trinkgewohnheiten etwas merkwürdig.

Fred versucht nüchtern zu bleiben. Doch die Zumutungen gehen noch weiter: "Dann musste ich ihm Gesellschaft leisten beim Essen, aber selber zahlen! Die Getränke hat er freilich gezahlt … der Herr Oberleutnant war blau, blau. Nun muss ich in der Früh um sechs Uhr wieder aufstehen und heute Nacht wieder Wache schieben, während der Monsieur, einem guten, fabelhaften Franzosenbett schlafen kann bis am Vormittag."

Dann schimpft Fred über Kleinkram und Papierkrieg - bis der Brief, bislang sorgsam mit blauem Füller geschrieben, plötzlich abbricht.

Die letzte Seite beginnt er neu. Er schreibt hastig und mit Bleistift - offenbar am Morgen des 6. Juni: "Liebste Erna! Herzallerliebste Ernestina**! Diese Wache-Nacht gabs Alarm. Wie Ihr vernommen habt, ist der Thommy am Angreifen und wie. Es wird hart auf hart gehen. Ich schreibe an vorderster Linie, wo ich den Chef hinbegleitet habe. Nun verlasse ich mich aufs Glück. Solltet Ihr vielleicht später lange nichts hören, dann soll Dorli*** beim Roten Kreuz anfragen in Genf. Habt mich lieb, wie ich Euch bis zum letzten Pulsschlag liebe und nochmals innig küsse, Euer Pappa, Dein Fred."



* Die Bedeutung der Tatsache, dass Fred 1944 schon seit längerer Zeit Gefreiter ist, wurde mir erst bei der zweiten Lektüre der Briefe klar. Das heisst: Wenn seine "wehrkraftzersetzenden Äusserungen" überhaupt je stattgefunden haben, dann viel früher. Fred wäre nicht aufgestiegen, wenn er sich nicht angepasst verhalten hätte - oder mehr. Noch im Frühjahr 1944 bemüht er sich um eine weitere Beförderung. Die wird ihm jedoch verweigert - wegen der kritischen Lage werde zurzeit niemand mehr befördert, lässt man ihn wissen.

** Ernestina ist Fred Feuersteins Tochter, die Mutter von Herrn T.

*** Herrn T.s Grosstante Dora, Schwester von Erna Feuerstein. Sie war - wie Erna - Schweizerin.

13
Feb
2013

Dürre und düstere Wolken

Wir erinnern uns: Noch am 11. Mai 1944 berichtete Soldat Fred Feuerstein (42) gut gelaunt von einer Einkaufstour in Paris. Doch innert zwei Wochen veränderte sich seine Stimmung dramatisch. Was er am 28. Mai 1944 seiner Frau Erna schreibt, ist ein eindrückliches Dokument des Unbehagens: „Nun ist heute ein Pfingstsonntag hell und klar und heiss, dass man im Schatten dauernd schwitzt. Die wenigen Bauern, die noch Weiden haben, sind mitten im 'Heuet' drin. Es ist seit Tagen wahnsinnig trocken. Immer etwas Wind und klare Sonne, so dass nichts mehr wachsen kann vor Dürre.

Es gibt kein Gemüse mehr, das alte ist weg und das Neue sollte Regen, Regen haben. Die Civiles haben seit vier Wochen nun kein Brot. Die alten Kartoffeln sind ziemlich alle fertig und da fressen die Bauern halt die Eier selber. Es ist eine grosse Misere. Seit vielen Tagen hat man auch keinen Strom, also kein Radio, keinen Kocher, nichts. 'Scheisse'. Keine Limonade, kein Bier, weil die Maschinen nicht laufen ohne Strom. Trinkwasser gibt’s keines. Alles Zisternenwasser ist zu gefährlich. Wir sind wieder gegen Cholera gespritzt worden. Ich habe heute leichtes Fieber davon.

... Von wegen Urlaub hört man schon gar nichts. Es wird auf lange Sicht gesperrt bleiben. Die Transporte sind ja heute soo schwierig, der Thommy hat nun eine neue Taktik, indem er die Bahnanlagen vorwiegend in Arsch haut, um in ganz Europa die Misere zu fördern und unseren Nachschub zu stören. Aber glücklicherweise ist die Verkehrsdichte sehr, sehr gross, so dass auf Umwegen immer mal durchzukommen ist. Aber nach Hause käme ich eben schon nur langsamer wie früher.

Nun liegt ja schon seit Tagen eine Spannung auf Führung und Truppe, weil die „Hunde“ nicht kommen. Jeden Tag wird unsere Abwehr stärker, aber das in den Kleidern schlafen wird schon auch zu bunt. Ich kann nicht mehr einkaufen fahren. Die Kantine ist langsam leergekauft."

Am Schluss versucht er dann doch noch, wieder Normalität zu etablieren - aber es gelingt ihm nicht: "Die Badehauben habe ich noch nicht holen können, weil ich nicht nach Rennes hin konnte. Möglicherweise komme ich demnächst doch noch einmal auf Fahrt, wenn der Thommy nicht kommen sollte und wieder etwas lockerere Bestimmungen sein werden. … Wir haben neue Leute, Volksliste III erhalten, aber gute Kämpfer, die meisten mit Auszeichnungen, zum Teil Cassino-Kämpfer aus Italien. Wir müssen Leute abgegeben, auch keine schlechten Soldaten."

Acht Tage später wird sich die Spannung entladen - mit der Landung der Alliierten in der Normandie. Mehr darüber später.
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Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
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diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

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