Pistolenschüsse
Schmutziger Donnerstag in der Luzerner Altstadt
Hier in Luzern ist gerade die Fasnacht ausgebrochen. Da sind Sitte und Moral und anständiges Benehmen immer grosse Themen, wie man auch auf dem Bild oben sieht - es zeigt einen Sittenpolizisten beim Tändeln mit einer Klientin. An der Fasnacht darf man alles, was man sonst nie darf, heisst es.
Wobei das nicht für die Schüler der Stadt Luzern gilt. Die dürfen an die Schulfasnacht keine Spielzeugwaffen mehr mitnehmen - ihr wisst schon: Ritterschwerter und Chäpsli-Pistolen*.
"Die haben das wegen der Sauerei verboten", erklärte mir Gottenbub Tim (8) mit seinem kompetentesten Ton. "Diese Chäpsli geben so eine Sauerei." Man kann Kindern ja nicht erklären, dass Schiessen mit Chäpsli-Pistolen politisch nicht korrekt ist. Deshalb das Kindermärchen von der Sauerei. Immerhin ist wohl die Sauerei die wahre Ursache dafür, dass die Kids auf dem Pausenplatz nur noch auf einem extra dafür bezeichneten Plätzchen mit Konfetti und Luftschlangen um sich werfen dürfen. Die Patentante (49) langte sich an den Kopf, als sie das hörte. Wo kommen wir hin, wenn an der Fasnacht die Chäpsli-Pistolen und die Konfetti verboten werden?! Können dergestalt gezähmte Kinder überhaupt normale Erwachsene werden?!
Nun ist die Patentante seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen fasnachtsabstinent. Denn an der Fasnacht trifft sie immer die ätzende Schwester der Schwerhörigkeit: die Hyperakusis, auch Lärmempfindlichkeit (hier mehr hier über sie).
Aber dann packte er mich heute doch, der Fasnachtsvirus. Zum ersten Mal seit Jahren. Mit gut verstöpselten Ohren machte ich mich am Nachmittag für ein Viertelstündchen auf ins Getümmel in der Altstadt. Das erste was ich hörte, war: Die Chäpsli-Pistole ist keineswegs aus dem fasnächtlichen Soundpanorama verschwunden. Im Gegenteil! Was für ein Geknalle! Hinter jeder Ecke Cowboys, Räuber, Polizisten! Gott sei Dank ist noch niemand auf die Idee gekommen, Ohropax zu verbieten.
Später machte ich zu Hause eine Google-Bildersuche nach Chäpsli-Pistolen. Da wurde mir klar, was man heute für Spielzeugwaffenarsenale man heute so kaufen kann. Wahres Kreigsspielzeug! Plötzlich begriff ich das Verbot.
* Das sind diese Spielzeug-Pistolen, mit denen man rosarote Streifen mit Knallerbsen verschiessen kann. Keine Ahnung, wie das auf Hochdeutsch heisst.
diefrogg - 27. Feb, 20:21
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bonanzaMARGOT - 28. Feb, 14:32
die fünfte jahreszeit geht an mir vorbei wie ... schnee im frühling oder wie ein auto in der garage.
diefrogg - 28. Feb, 15:14
Sehr verständliche...
Haltung, denke ich. Ich habe sie auch jahrelang daheim im guten Stübchen oder weit draussen auf dem Land verbracht. Aber gestern, als ich kurz in der Stadt war, habe ich begriffen, was ich früher an ihr mochte: Diese lauten Trommeln und Pauken, dieser nicht zu zähmende Lärm zerreisst die geordnete Luft über der Stadt. Das hat etwas Anarchisches, etwas Befreiendes! und dann natürlich der kollektive Rausch. Man kann ihn als dumpfbackig verstehen - aber auch als Ausbruch aus den Zwängen des Alltags. Ich habe da zwei Seelen in meiner Brust - und jede Menge Ohropax.
schneck08 - 1. Mär, 22:32
Bei uns hier hiessen die immer "Käpsele"-Pistolen. Die aufgerollten altrosafarbenen Papierstreifen mit den "Erbsen" voller Schiesspulver konnte man auch mit dem Fingernagel anreissen, dann machte es "Flummp" und die Finger wurden schwarz und gelb. Und taten weh, wenn man ungeschickt war. "Käpsele" kommt ja wahrscheinlich von "kleiner Kapsel" - so sehen die Explosivbeulen ja aus auf dem Papierstreifen.
diefrogg - 2. Mär, 11:35
Jaja, genau!
Du hast es erfasst! Ich wusste nicht mehr genau, wie die Chäpsli aussehen, aber wir haben jeweils mit Steinen draufgehauen, dann sind sie auch losgegangen. Steinzeitmethoden halt!
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