Weinen Männer nicht?
Er sei "sexuell komplett übersteuert" gewesen, berichtet Georges im "Tagesanzeiger" vom letzten Samstag. Plötzlich habe er nur noch Geschlechtsteile gesehen. Und: "Auf einmal explodierte ich fast vor Energie, wurde schneller aggressiv und konnte nicht mehr weinen." Georges war 33 und bis dato eine Frau gewesen. Nun hatte er begonnen, sich mit Testosteron zu behandeln. Er ist ein Transsexueller.
Nicht weinen ist also eine Begleiterscheinung des Mannseins?! Frau Frogg staunte nicht schlecht. Sie hatte immer geglaubt, das mit dem Weinen sei Erziehungssache. "Männer weinen nicht!" und all das Zeug. Doch offenbar haben Männer ihrer Hormone wegen weiter vom Wasser weg gebaut als Frauen.
Das würde mich mit meinem neuen Vorbild Seneca versöhnen. Der hat es nämlich gar nicht mit dem Weinen. "Auch im Hinblick auf das All der Dinge zeigt derjenige doch einen höheren Geistesschwung, der mit dem Lachen als der mit dem Weinen nicht an sich halten kann", schrieb er in "von der Seelenruhe". Dazu sagt Frau Frogg: "Pardon, aber wer lacht und nie weint, ist ein Zyniker." Nichts gegen das Lachen. Nichts gegen eine gesunde Portion Zynismus im richtigen Moment! Aber nur wer weint, lernt die tiefsten Tiefen seiner Seele kennen. Glaubt mir. Ich habe eine Zeit lang viel geweint, und es ist noch nicht lange her. Ich weiss es.
Überhaupt: Mir scheint, Gemütsruhe im Sinne von Seneca eher wie Gefühlsunterdrückung von der übelsten Sorte. Ich bin froh, dass ich mich nicht mit so viel Gelassenheit durch die Welt zwingen muss wie er empfiehlt. Ich käme mir vor, als hätte ich einen Mühlstein in der Brust.
Vielleicht liegt es einfach daran, dass er hormonell ein bisschen übersteuert war?
Der Soundtrack dazu:
Nicht weinen ist also eine Begleiterscheinung des Mannseins?! Frau Frogg staunte nicht schlecht. Sie hatte immer geglaubt, das mit dem Weinen sei Erziehungssache. "Männer weinen nicht!" und all das Zeug. Doch offenbar haben Männer ihrer Hormone wegen weiter vom Wasser weg gebaut als Frauen.
Das würde mich mit meinem neuen Vorbild Seneca versöhnen. Der hat es nämlich gar nicht mit dem Weinen. "Auch im Hinblick auf das All der Dinge zeigt derjenige doch einen höheren Geistesschwung, der mit dem Lachen als der mit dem Weinen nicht an sich halten kann", schrieb er in "von der Seelenruhe". Dazu sagt Frau Frogg: "Pardon, aber wer lacht und nie weint, ist ein Zyniker." Nichts gegen das Lachen. Nichts gegen eine gesunde Portion Zynismus im richtigen Moment! Aber nur wer weint, lernt die tiefsten Tiefen seiner Seele kennen. Glaubt mir. Ich habe eine Zeit lang viel geweint, und es ist noch nicht lange her. Ich weiss es.
Überhaupt: Mir scheint, Gemütsruhe im Sinne von Seneca eher wie Gefühlsunterdrückung von der übelsten Sorte. Ich bin froh, dass ich mich nicht mit so viel Gelassenheit durch die Welt zwingen muss wie er empfiehlt. Ich käme mir vor, als hätte ich einen Mühlstein in der Brust.
Vielleicht liegt es einfach daran, dass er hormonell ein bisschen übersteuert war?
Der Soundtrack dazu:
diefrogg - 1. Mai, 18:44
13 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
acqua - 2. Mai, 21:03
Ha! Wasser auf meine Biologistinnen-Mühle! ;-)
Seneca kannte halt Freud noch nicht. Vielleicht sollten wir deshalb nicht allzu streng sein mit ihm?
Seneca kannte halt Freud noch nicht. Vielleicht sollten wir deshalb nicht allzu streng sein mit ihm?
diefrogg - 2. Mai, 22:09
Ja, tatsächlich...
Freud hätte sich bei den Römern wohl nicht sehr wohl gefühlt. Die Sprache des Gefühls war, glaube ich, nicht so ihre Stärke. Mal abgesehen von Ovid vielleicht. In den Metamorphosen geht es zuweilen recht romantisch zu und her.
acqua - 2. Mai, 22:13
Ovid hatte teilweise sogar bei mir eine Chance. Dabei ging mir für Latein jedes Gefühl ab. Ich kann auch noch die erste Zeile der Metamorphosen auswedig und im richtigen Versmass aufsagen: "In nova fert animus mutatas dicere formas." Mehr aber auch nicht.
diefrogg - 2. Mai, 22:16
Krass!
Im Gymnasium konnte ich auch noch ein paar Verse aus "Pyramus und Thisbe" auswendig. Ich liebte Latein! Aber jetzt ist alles weg. Du hast ja ein tolles Gedächtnis.
acqua - 2. Mai, 22:23
Das sind sieben Wörter. Für ein tolles Gedächtnis braucht es schon ein bisschen mehr.
(Wobei: Ich könnte dir noch die meisten Kirchenlieder aus meiner Kindheit auswendig vorsingen. Fehlerfrei jedoch nur was den Text betrifft. Aber ich schweife hier immer mehr vom eigentlichen Thema ab.)
(Wobei: Ich könnte dir noch die meisten Kirchenlieder aus meiner Kindheit auswendig vorsingen. Fehlerfrei jedoch nur was den Text betrifft. Aber ich schweife hier immer mehr vom eigentlichen Thema ab.)
diefrogg - 2. Mai, 22:27
Ja, Du als Biologistin...
müsstest eigentlich die Frage im Titel beantworten können! Und, keine Angst: Ich werde dann nicht fragen, ob die Antwort uns Frauen zu besseren Menschen macht ;)
acqua - 2. Mai, 22:36
Ah. Die kann ich - jedoch nicht unbedingt in meiner Eigenschaft als Biologistin - beantworten: Nein.
Aurisa - 2. Mai, 21:22
Hormone sind ganz erstaunliche Stoffe die aus menschlicher Sicht wahre Wunder wirken koennen.
Vielleicht werden sie darum ja so stark ueberschaetzt ;).
Ich hatte immer schon nahe am Wasser gebaut obwohl ich frueher hohe (!) Testosteronwerte hatte
Und ich war trotzdem nicht aggressiv.
Und an all dem hat sich nichts geaendert obwohl ich heute null Testosteron dafuer aber Oestrogene im Blut habe
Vielleicht werden sie darum ja so stark ueberschaetzt ;).
Ich hatte immer schon nahe am Wasser gebaut obwohl ich frueher hohe (!) Testosteronwerte hatte
Und ich war trotzdem nicht aggressiv.
Und an all dem hat sich nichts geaendert obwohl ich heute null Testosteron dafuer aber Oestrogene im Blut habe
diefrogg - 2. Mai, 22:11
Tja, Frau Aurisa,
Sie sind ja nun auch eine Autorität auf dem Gebiet! Ich stelle also mit Erleichterung fest: Nicht alle Männer weinen nie. Nur: Wirken die Hormone nun Wunder oder werden sie überschätzt?
Walter B - 2. Mai, 22:54
Doch!
Ich kann es bezeugen. Ich kenne einen Mann, der hat schon öfters geweint, sogar ganze Nächte lang, bis seine Seele richtig aufgeweicht war, durchtränkt mit Tränen und Schmerz. Natürlich geschah das ... wegen einer Frau – besser: um eine Frau. Ob das angeschlagene Selbstverständnis als Mann damals mit den durchweinten Nächten oder eher mit der abwesenden Frau zusammenhing, ist nicht bekannt ... Auch die hormonelle Situation wurde zu jenem Zeitpunkt nicht seriös abgeklärt. ;-))
diefrogg - 3. Mai, 17:55
So eine Abklärung...
wäre wahrscheinlich interessant gewesen ;) Aber im Ernst! Es tut gut zu lesen, dass es Männer gibt, die auch mal Tränen über Frauen vergiessen. Das Umgekehrte hat es nämlich auch schon gegeben - in mindestens einem Fall ;)
steppenhund - 2. Mai, 23:12
Ich glaube, hier wird zu viel Aufhebens gemacht. Ich keine einige Männer, die weinen. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ich gebe nur ein Beispiel, ich weine bei manchen Musikstücken. Es gibt weitaus wichtige Anlässe, warum ein Mann weinen kann.
Den Erziehungsdruck, dass Männer nicht weinen dürfen, halte ich für ein "absolutes" Verbrechen. Daraus entstehen dann Menschen, die nicht zögern werden, auf den roten Knopf zu drücken. (Den Zusammenhang zu erklären, erspar ich mir hier.)
Und gar nicht off topic: Alice Miller ist gestorben.
Den Erziehungsdruck, dass Männer nicht weinen dürfen, halte ich für ein "absolutes" Verbrechen. Daraus entstehen dann Menschen, die nicht zögern werden, auf den roten Knopf zu drücken. (Den Zusammenhang zu erklären, erspar ich mir hier.)
Und gar nicht off topic: Alice Miller ist gestorben.
diefrogg - 3. Mai, 18:03
In der Tat...
das passt. Ich habe sogar dieser Tage einen Nachruf auf Alice Miller gelesen.
Was den Befehl "Knaben weinen nicht!" berifft: Es ist eventuell möglich, dass ich auch schon zu einem Buben gesagt habe: "Nun wein doch nicht so! Du bist doch ein grosser Bub!" Es gibt Situationen im Umgang mit Kindern, in denen das angezeigt erscheint. (Ich habe es sicher nicht gesagt, als ich meinen dreijährigen Göttibuben mitten in der Nacht mit einer Sturzflut von einem Nasenbluten in meinem Gästebett vorfand, da kannst Du beruhigt sein, Veronika!).
Aber insgesamt scheint es mir richtig, dass Kinder lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und ihnen Ausdruck geben zu können.
Was den Befehl "Knaben weinen nicht!" berifft: Es ist eventuell möglich, dass ich auch schon zu einem Buben gesagt habe: "Nun wein doch nicht so! Du bist doch ein grosser Bub!" Es gibt Situationen im Umgang mit Kindern, in denen das angezeigt erscheint. (Ich habe es sicher nicht gesagt, als ich meinen dreijährigen Göttibuben mitten in der Nacht mit einer Sturzflut von einem Nasenbluten in meinem Gästebett vorfand, da kannst Du beruhigt sein, Veronika!).
Aber insgesamt scheint es mir richtig, dass Kinder lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und ihnen Ausdruck geben zu können.
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