6
Mrz
2010

Positiv denken

Und doch glauben Sie,... dass die Pest auch ihr Gutes hat, dass sie die Augen öffnet, dass sie zum Denken zwingt!"
Der Arzt schüttelte ungeduldig den Kopf.
"Wie alle Krankheiten auf dieser Erde. Aber was für die Übel dieser Welt gilt, das gilt auch für die Pest. Das kann ein paar wenigen dazu verhelfen, grösser zu werden. Wer jedoch das Elend und den Schmerz sieht, die die Pest bringt, muss wahnsinnig, blind oder feige sein, um sich mit ihr abzufinden."


Aus Albert Camus: Die Pest
Hamburg, Rowohlt Taschenbuch 1991, S. 83.

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Not quite like Beethoven - 6. Mär, 15:12

Interessantes Zitat, um mal an so einem Extremfall über verschiedene, mir fällt gerade kein neutrales deutsches Wort ein, affections nachzudenken. Ich denke der Knackpunkt ist das Überleben. Solange man nicht überlebt, wüßte ich nicht, was Gutes an der Pest sein sollte. Ja nicht einmal wie man sich mit ihr (im Unterschied zum eigenen Sterben) abfinden sollte.
Aber sobald man überlebt , vermute ich, kommen wieder soooo viele andere Variablen ins Spiel als nur die Pest. Da liegt es wieder mehr an der Persönlichkeit und den sonstigen Umständen, ob und was man daraus macht oder lernt.
Ich würde darum dem Arzt beifplichten. Ich glaube, aus der Pest selbst gibt es nicht viel zu lernen. Außer Hygiene und vielleicht Mitgefühl gegenüber unverschuldetem Sterben.

diefrogg - 6. Mär, 15:56

Das Zitat hat mich...

zunächst gereizt, weil es dem verbreiteten Druck zum positiven Denken in allen möglichen Lebenslagen einen so überzeugten Kontrapunkt setzt. Dann sagte ich mir: "Klar, ein Arzt muss das sagen. Wer das Leiden an Krankheiten einfach so hinnehmen will, wird nicht Arzt."
Soweit ich im Buch bin, fokussiert Camus auch vor allem auf die Überlebenden - und zwar nicht einmal auf jene, die Angehörige verloren haben und trauern. Sondern auf jene, die in der geschlossenen Stadt eingesperrt sind und das Beste aus der Ungewissheit und der allgemeinen Lähmung machen müssen.
Als ich mich in ihre Lage versetzte, wurde mir klar: Ich würde eben doch positiv zu denken versuchen. Ich würde einen Sinn in der Sache suchen. Das würde mir die Kraft zum Weitermachen geben. Sinnlosigkeit einfach so akzeptieren... ich glaube, das ist das Schwierigste, was es gibt.
Ich wäre keine gute Existenzialistin.
Not quite like Beethoven - 6. Mär, 18:07

Gibt es denn überhaupt "gute" Existenzialisten in dem Sinne, dass die sich wohlfühlen oder damit weit kommen?
steppenhund - 6. Mär, 20:34

Ich bin ein Existenzialist, der sich wohlfühlt. Mit Camus habe ich mich nie sonderlich wohl gefühlt. Außerdem habe ich den bei mir als Nihilist schubladisiert.
Aber vermutlich ist er gut, schließlich hat er den Nobelpreis gewonnen.
Ich nehme aber für mich heraus, dass ich mir meine eigenen Urteile fälle, was mir gefällt und was mir zusagt.
Erst vor wenigen Tagen habe ich meinen Existenzialismus an Graham Greene festgemacht. Und anderen.
-
Und die angesprochene Fragestellung empfinde ich langsam als langweilig. Nichts gegen die Bloginhaberin. Es ist ihr gutes Recht, dahingehend aufzuzeigen. doch mit dem Vorrecht des Altersvorsprungs behaupte ich, dass sich eine entsprechende Diskussion für mich selbst seit Jahrzehnten im Kreis dreht.
Letzten Endes ist es die miniaturisierte Version einer Theodizee beziehungsweise bei Camus einer areligösen Theodizee, die a la long deswegen langweilig wird, weil sie nicht auflösbar ist.
Es ist entweder eine Frage des Glaubens oder der eigenen Grunddisposition, zu welcher Antwort man findet. Diese wird sich dann aber auch durch Beiträge anderer nicht beirren lassen. So scheint es mir.
diefrogg - 7. Mär, 10:20

@notquitelikebeethoven:

"Wir müssen uns Sisyphos.als einen glücklichen Menschen vorstellen", schreibt Camus in einem anderen Werk (hier eine Erörterung des Werkes "Der Mythos des Sisyphos" auf Wikipedia. Aber ehrlich gesagt: Ganz kann ich das, was er hier sagt, noch nicht nachvollziehen.
diefrogg - 7. Mär, 10:30

@ Herrn Steppenhund;

Ich habe Ihren Beitrag über Graham Greene gelesen. Allerdings kommentierte ich ihn nicht. Zum einen deshalb, weil ich mich nicht befugt fühle, über das Werk von Graham Greene zu diskutieren. Dafür kenne ich es zu wenig gut.

Zum anderen, weil ich dem Katholizismus als angeblich Sinn stiftender Institution stets misstraut habe. Das hat zum einen mit schlechten Erfahrungen mit der katholischen Kirche zu tun. Zum anderen damit, dass ich in meiner Jugend nach Links neigte und damit zur Ansicht, Religion sei Opium für das Volk. Nur: Im Moment ist es mir egal, woher das Opium kommt, das mich gewisse Zustände aushalten lässt. Ich glaube, ich würde seine tröstende Kraft nutzen im vollen Bewusstsein darum, dass es sich um Opium handelt.

Im übrigen verstehe ich nicht ganz, weshalb sie zu einem Thema einen zehnzeiligen Exkurs schreiben, das Sie im Grunde langweilt ;)
steppenhund - 7. Mär, 10:51

Auch wenn Graham Greene den Katholizismus als Repräsentant einer religiösen Gesinnung darstellt, ist dies nur eine Ausprägung, eine Variante eines Gottesglaubens. Genauso gut hätte er Protestantismus oder etwas anderes wählen können. Es geht um die Gegenüberstellung des atheistischen Existenzialismus zu einem religiösen Existenzialismus.
-
Über die Langeweile. Sehen Sie, da frage ich mich manchmal, warum ich überhaupt kommentiere. Die Aussage besteht ja gerade darin, dass man sich mit dem Thema lange beschäftigen kann, bis man draufkommt, dass es keine schlüssige Antwort gibt, wonach jede weitere Betätigung zum langweiligen Gähnen führt. Ich weß nicht, ob sie dieses Verständnis mit dem ;) andeuten wollten. Doch ich habe den EIndruck, dass ich meine Meinung offensichtlich nicht mit ausreichender Klarheit dargestellt habe. Das wiederum ist sehr wohl ein Grund, warum ich kommentiere. Ich teste meine eigene Kommunikationsfähigkeit.
diefrogg - 7. Mär, 11:28

Aha, Herr Steppenhund!

Sie testen hier Ihre Kommunikationsfähigkeit. Dann erkläre ich Ihnen hiermit gerne, wie Ihr erster Kommentar auf mich gewirkt hat. Also
1) Sie empfänden die angesprochene Fragestellung als langweilig, schreiben Sie. Ich lese das und denke: Aha, ich langweile Herrn Steppenhund. Ich bin leicht gekränkt.
2) "Nichts gegen die Bloginhaberin", schreiben Sie dann gleich. Als wüssten Sie, dass Sie mich mit dem vorherigen Satz kränken würden. Ich frage mich, ob ich das als Entschuldigung durchlasse und komme auf: Nein, eigentlich nicht. Denn ich ahne, dass Sie jetzt gleich dazu ansetzen, meinen Lesern auf meinem Blog zu sagen, dass Sie längst über alles Bescheid wissen, was hier thematisiert wird. Ich kann mich sogar des Verdachtes nicht erwehren, dass Sie ab und an ganz gerne eine Gelegenheit nutzen, uns 45-Jährigen Jungspunden beizubringen, dass Sie als 60-Jähriger doch ein überlegenes Wissen und überlegene Lebenserfahrung haben. Das haben Sie bestimmt, und ich schätze bei der Lektüre Ihrer Text Ihre Lebenserfahrung und Ihr breites Wissen. Aber ganz glücklich macht mich die Art und Weise, wie Sie es diesmal demonstrieren, nicht.
3) Sie erwähnen eine von mir angesprochene Fragestellung. Ich weiss, ehrlich gesagt, nicht genau, welche Fragestellung Sie meinen.
4) Ich lese: Sie konnten die von Ihnen aufgeworfene Frage nicht klären. Da ich nicht sicher weiss, um welche es sich handelt... naja.
5) Das alles schreibe ich lieber nicht, weil es Sie vielleicht kränken würde. Da greife ich lieber zu oberflächlicher Ironie: So sehr kann das Thema Sie nicht langweilen, wenn es Ihnen gelingt, 10 Zeilen darüber zu schreiben. Das wollte ich mit dem ";)" sagen.
steppenhund - 7. Mär, 12:01

ad 3) "Und doch glauben Sie,... dass die Pest auch ihr Gutes hat, dass sie die Augen öffnet, dass sie zum Denken zwingt!" Camus-Zitat.
Das ist die angesprochene Fragestellung. Ist doch eine, oder?

Und abgeleitet davon: kann man aus absolut Schlechtem etwas Gutes entnehmen?
-
Und ich habe geantwortet, dass ich es nicht weiß. Selbst mit 15 Jahren Vorsprung nicht. Und dass es mich daher auch nicht mehr selbst interessiert, weil es letztendlich für mich eine frustrierende Fragestellung bedeutet. (Das ist jetzt eine zusätzliche Information.)
-
Ich werde mich zurücknehmen. Ich habe mich schon als 20-Jähriger geärgert, wenn andere auf ihr Alter und "ihre Erfahrung" gepocht haben. Als 40-Jähriger habe ich mich weniger darüber geärgert, weil ich teilweise schon die gleiche Erfahrung in der Gegenrichtung ausgelöst habe.
Es geht nicht um eine "überlegene Lebenserfahrung", es geht um "eine andere Erfahrung". Eine, die sich aus teilweise sehr unkonventionellen Lebensabschnitten zusammen gesetzt hat.
Wenn Sie mir mit ihrer Erklärung allerdings sagen wollen, dass ich mein "überlegenes Wissen" ausspielen möchte und damit quasi protzen möchte, kann ich mich zurücklehnen. Ich habe im realen Leben gelernt, dass dies nur Neid und Missgunst hervorruft.
Da Sie meine Entschuldigung nicht zulassen, nehme ich dies als Verweis und werde mich in Zukunft danach richten.
diefrogg - 7. Mär, 13:01

Danke, Herr Steppenhund!

Das ist eine klare und präzise Antwort, die ich zu schätzen weiss! Keinesfalls möchte ich auf solche Kommentare künftig verzichten. Es ist gut zu wissen, dass Sie mit 25 Jahren Vorsprung das Rätsel auch nicht gelöst haben!
punctum - 7. Mär, 20:25

Positiv zu denken, heißt meiner Ansicht nach bei solchen Dingen nicht unbedingt, dass man unbedingt das Gute darin sehen (suchen / finden) muss, sondern dass man eben nicht aufgibt, sich nicht damit abfindet. Das kann dann schon überlebenswichtig sein - und vielleicht auch zu positiven Lösungen führen.

(Ein für mich wichtiges Buch von Graham Greene war übrigens "Ein ausgebrannter Fall", obwohl ich, als ich es vor langer Zeit das erste Mal las, von Burn out nicht die leiseste Ahnung hatte.)

jueb - 7. Mär, 22:32

Ich habe ganz große Schwierigkeiten mit der Formulierung "positiv denken", sie ist nicht zuletzt aufgrund zu vieler, zu simpel gestrickter Psychoratgeber unter die Räder gekommen - gewissermaßen platt gestanzt. Manchmal habe ich den Eindruck - Heerscharen von Psychologen werden mir widersprechen und möglicherweise haben sie ja recht - positiv denken lässt sich vielleicht einbläuen, aber nicht wirklich erlernen.
diefrogg - 8. Mär, 19:18

Eine Zeitlang...

hatte ich's ganz gut drauf mit dem Positiven Denken. Man fokussiert auf die positiven Dinge, übt sich in Dankbarkeit und lässt sich nicht von jeder Kleinigkeit die gute Laune verderben. Aber im Moment muss ich sagen: Ich habe die Fähigkeit dazu glatt verloren.
Was das "sich abfinden" betrifft: Kämpfen ist schon ok. Aber mit gewissen Dingen muss man sich, glaube ich, einfach abfinden. Sonst verschwendet man zu viel Energie.
Not quite like Beethoven - 8. Mär, 21:25

Ich mag die Aufforderung positiv zu denken auch nicht. Sie ist zu platt, zu - wie soll ich sagen - vergeistigt. Ich finde, die Aufgabe besteht eher darin, und das haben Sie ja eben so ähnlich gesagt, Heiterkeit zu einem Teil seines Wesens zu machen. So finde ich es auch gut ausgedrückt...
punctum - 8. Mär, 21:32

Das ist natürlich richtig. Etwas Gegebenes akzeptieren, was ja schon schwer genug ist, auch. Aber nach Möglichkeit nicht resignieren, nicht alles aufgeben - es bleibt ja immer noch irgendwas Gutes (auch wenn man es momentweise nicht sieht). Immer nur positiv sein, wäre allerdings auch... anstrengend, und wirklichkeitsfremd dazu. Ich glaube an ein ständiges Auf und Ab - nur "Ab" gibt es eben auch nicht, wenn auch das "Auf" womöglich immer mal seinen Charakter verändert.
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