Mein Comeback
Es geht mir relativ gut (in Gesprächen klopfe ich mir jeweils an dieser Stelle mit der Faust dreimal an den Schädel. Dazu sage ich: "Holz aalänge")*. An den meisten Tagen höre ich am Morgen auf dem rechten Ohr annähernd 100 Prozent. Ich höre sogar links etwas besser. Nur die Abende sind öfter begleitet von Gepfeife, Gegurgel und Hörnachlass.
Dennoch schien es mir letzte Woche an der Zeit, mein Comeback im öffentlichen Leben unseres Städtchens in die Wege zu leiten. Am Montag bot sich eine gute Gelegenheit: Herr T. hatte Mitstreiter aus der Kulturszene zum Essen eingeladen. Leute, mit denen ich früher öfter beruflich zu tun gehabt hatte.
Nun, die Gäste kamen, setzten sich und... begannen über Geld zu streiten. Ich hätte es wissen müssen. Kulturschaffende reden fast immer über Geld. Und wenn sie nicht über Geld reden, dann streiten sie über Geld. Sie stritten höflich. Aber so ausdauernd, dass darob das Essen in Vergessenheit geriet. Und zu spät essen hat verhängnisvolle Folgen für Frau Frogg's Gehör: Meistens stürzt mein gutes Ohr ab, wenn ich zu lange nichts zu mir nehme.
Da mich der Streit langweilte, zog ich mich in mein Zimmer zurück. Als mein Ohr abzustürzen begann, schlich ich in die Küche und holte eine Schale voller Gemüse aus den wartenden Pfannen. Aber es war schon zu spät. Als der Abend endlich gemütlich wurde, war mein Gehör auf einem Tiefpunkt und meine Laune ebenfalls. Ich ging früh zu Bett.
Am nächsten Tag bot sich bereits ein weiterer, diesmal richtig öffentlicher Anlass zum Üben: ein Podium. Das Thema hat nicht viel zur Sache. Es ging um ein kulturelles Luftschloss unseres Städtchens. Klingt alles wunderbar, wird aber sehr wahrscheinlich scheitern. Am Geld. Mir gings aber sowieso nicht um die Sache. Mir gings ums Sehen und Gesehen werden. Ich sorgte vor und ass (mein Ohrenleiden wird mich zur Kugelfröschin machen). Ich ging hin. Ich sah. Ich hörte. Ich merkte: Ich habe mich verändert. Ich brauche es weniger, beachtet zu werden.
Am Schluss stand ich an der Bar, mit Herrn T., einem alten Bekannten aus der Polit-Szene und meiner Stadtparlamentarierin, von der ich bislang nur den Namen und das politische Programm gekannt hatte. Sie ist jung, bildschön und entschlossen, etwas zu leisten (Herr T. und ich sind uns noch unseins, ob sie auch klug ist. Aber ich halte zu ihr.).
Es war ein schöner Abend. Noch musste ich mich der Frage nicht stellen, was ich dereinst an einem Podium machen werde, wenn ich es nicht mehr richtig verfolgen kann. Erst dem Heimweg klang mein Ohr, als wäre ein Tauchsieder drin. Aber am nächsten Tag fühlte ich mich gut. Als wäre alles wie früher.
* "Holz aalänge" heisst auf Deutsch: Holz berühren. Indem man Holz berührt kann man nach einem bei uns verbreiteten Aberglauben Übel abwenden: jenes Übel, das man zu provozieren droht, indem man zu erkennen gibt, dass man mit dem Lauf einer bestimmten Sache zufrieden ist.
Dennoch schien es mir letzte Woche an der Zeit, mein Comeback im öffentlichen Leben unseres Städtchens in die Wege zu leiten. Am Montag bot sich eine gute Gelegenheit: Herr T. hatte Mitstreiter aus der Kulturszene zum Essen eingeladen. Leute, mit denen ich früher öfter beruflich zu tun gehabt hatte.
Nun, die Gäste kamen, setzten sich und... begannen über Geld zu streiten. Ich hätte es wissen müssen. Kulturschaffende reden fast immer über Geld. Und wenn sie nicht über Geld reden, dann streiten sie über Geld. Sie stritten höflich. Aber so ausdauernd, dass darob das Essen in Vergessenheit geriet. Und zu spät essen hat verhängnisvolle Folgen für Frau Frogg's Gehör: Meistens stürzt mein gutes Ohr ab, wenn ich zu lange nichts zu mir nehme.
Da mich der Streit langweilte, zog ich mich in mein Zimmer zurück. Als mein Ohr abzustürzen begann, schlich ich in die Küche und holte eine Schale voller Gemüse aus den wartenden Pfannen. Aber es war schon zu spät. Als der Abend endlich gemütlich wurde, war mein Gehör auf einem Tiefpunkt und meine Laune ebenfalls. Ich ging früh zu Bett.
Am nächsten Tag bot sich bereits ein weiterer, diesmal richtig öffentlicher Anlass zum Üben: ein Podium. Das Thema hat nicht viel zur Sache. Es ging um ein kulturelles Luftschloss unseres Städtchens. Klingt alles wunderbar, wird aber sehr wahrscheinlich scheitern. Am Geld. Mir gings aber sowieso nicht um die Sache. Mir gings ums Sehen und Gesehen werden. Ich sorgte vor und ass (mein Ohrenleiden wird mich zur Kugelfröschin machen). Ich ging hin. Ich sah. Ich hörte. Ich merkte: Ich habe mich verändert. Ich brauche es weniger, beachtet zu werden.
Am Schluss stand ich an der Bar, mit Herrn T., einem alten Bekannten aus der Polit-Szene und meiner Stadtparlamentarierin, von der ich bislang nur den Namen und das politische Programm gekannt hatte. Sie ist jung, bildschön und entschlossen, etwas zu leisten (Herr T. und ich sind uns noch unseins, ob sie auch klug ist. Aber ich halte zu ihr.).
Es war ein schöner Abend. Noch musste ich mich der Frage nicht stellen, was ich dereinst an einem Podium machen werde, wenn ich es nicht mehr richtig verfolgen kann. Erst dem Heimweg klang mein Ohr, als wäre ein Tauchsieder drin. Aber am nächsten Tag fühlte ich mich gut. Als wäre alles wie früher.
* "Holz aalänge" heisst auf Deutsch: Holz berühren. Indem man Holz berührt kann man nach einem bei uns verbreiteten Aberglauben Übel abwenden: jenes Übel, das man zu provozieren droht, indem man zu erkennen gibt, dass man mit dem Lauf einer bestimmten Sache zufrieden ist.
diefrogg - 31. Jan, 13:51
6 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Not quite like Beethoven - 31. Jan, 15:26
Was für ein trauriges Beispiel Kulturschaffender. Wirklich, übers Streiten bei der Einladung das Essen vergessen -- ich glaube mit so Leuten käme ich nicht zurecht. Ansonsten: Freut mich, das Comeback, ich wünsche weiterhin erfreuliche Erlebnisse.
diefrogg - 31. Jan, 15:28
Ja, diese ständigen...
Geldsorgen sind mit ein Grund, weshalb ich mich in den letzten Jahren weniger für Kultur und mehr für Politik interessiert habe. Politiker streiten zwar auch über Geld. aber sie wissen, wann es Zeit ist, aufzuhören. Edit: Früher fand ich diese ständigen Diskussionen über Geld ja komisch. So nach dem Motto: "Was unsere hehren Kulturschaffenden aber auch für niedere Themen wälzen, so an einem Abend in der Kneipe." Aber im Kontext eines drohenden Gehörnachlasses bekommen sie eine tragische Färbung, die sich offenbar leider auch auf den Text übertragen hat.
Kätzerin - 1. Feb, 02:31
Auf's Holz klopfen
sagen wir ansonsten. Birgt den gleichen Sinn, aber Du hast's beispielhaft beschrieben. :-)
Ich freu mich mit Dir über gesundheitliche Fortschritte, und ich wünsch Dir, daß es damit weiter bergauf geht. Und eh ich mich herzlich grüßend verabschiede, in der Vornacht träumte mir, ich würde zwar meine frühere Kleidung tragen, aber sie säße doch beschämend knapp. Jetzt weiß ich jedenfalls, warum ich diese mir etwas unangenehme Traumerscheinung hatte. Gottlob, es war nur eine relativ flüchtige. ;-)
Ich freu mich mit Dir über gesundheitliche Fortschritte, und ich wünsch Dir, daß es damit weiter bergauf geht. Und eh ich mich herzlich grüßend verabschiede, in der Vornacht träumte mir, ich würde zwar meine frühere Kleidung tragen, aber sie säße doch beschämend knapp. Jetzt weiß ich jedenfalls, warum ich diese mir etwas unangenehme Traumerscheinung hatte. Gottlob, es war nur eine relativ flüchtige. ;-)
diefrogg - 1. Feb, 13:02
Ein seltsamer...
Aberglaube, nicht? Ich werde dieser Sache mal forschenderweise nachgehen müssen!
books and more - 1. Feb, 03:54
Statt Ihres "auf dem rechten Ohr annähernd 100 Prozent. Ich höre sogar links etwas besser." las ich gerade:
"auf dem rechten Ohr annähernd 100 Prozent. Links sogar noch etwas besser!"
Mit den besten Wünschen!
"auf dem rechten Ohr annähernd 100 Prozent. Links sogar noch etwas besser!"
Mit den besten Wünschen!
diefrogg - 1. Feb, 13:01
:) Da haben Sie ja...
geradezu ein Wunder herbeigelesen, Herr books and more!
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