21
Jan
2010

Die beste Zeit

Meinen vorletzten Eintrag über die späten neunziger Jahre habe ich mit diesen Sätzen beendet: "Es war eine gute Zeit. Vielleicht die beste." Mir war klar, dass das mit Blick auf meine gesundheitlichen Perspektiven düster klang. Dass die Kommentare so mitfühlend ausfallen würden (so interpretiere ich sie jedenfalls), hatte ich nicht erwartet. Sonst hätte ich versucht, weniger deprimiert herüberzukommen. (Aber danke trotzdem, für das Mitgefühl!)

Denn es ist die Erinnerung, die mir jene Zeit in so güldenem Licht erscheinen lässt. Damals erschien mir mein Leben nicht besonders angenehm. Ich wusste zwar, dass es ein vergleichsweise interessantes Leben war. Ich war selbstbewusst. Ich war körperlich gut im Schuss. Aber ich war ungern single. Und meinen Job fand ich oft genug bescheuert. Nur: All den Alltagskram, den Ärger, den Stress von anno dazumal hat mein Gehirn in eine entlegene Kammer gezügelt und weggesperrt.

Das hat es auch mit anderen Epochen in meinem Leben getan. Auch mein Leben mit 22 erscheint mir heute in einem weit erträglicheren Licht als damals. Nur weiss ich heute objektiv: Ich möchte nie wieder 22 sein! Ich war ja so verstört mit 22! Mit 34 dagegen, da hatte ich die wesentlichen Dinge allmählich im Griff. Wenn ich wählen könnte, dann möchte ich noch einmal 34 sein.

Im Wissen darum bin ich guter Hoffnung: Wahrscheinlich wird mein Gedächtnis auch in Zukunft der Lage sein, mir meine vergangenen Epochen glücklicher erscheinen zu lassen als sie es wirklich waren. Und vielleicht werde ich einmal rückblickend sagen können: Im Winter 2009/2010, mit 44, erlebte ich grosse Glücksmomente. Dank meinen Hörstürzen entdeckte die Musse. Und ich entdeckte, was mir Musik wirklich bedeutet. Es war auch eine gute Zeit. Ganz objektiv.

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steppenhund - 21. Jan, 21:56

Mir erscheint das als die richtige Einstellung. In meinem Leben habe ich schon mehrmals Enttäuschungen erlebt, die sich erst im Nachhinein als Glücksfälle herausgestellt haben. Wir können nicht wissen, wie sich bestimmte Ereignisse und Beeinträchtigungen sich später als "zielführend" erweisen können.
Für mich ist das auch ein Bestandteil oder ein kennzeichnendes Merkmal von "Leben".

diefrogg - 22. Jan, 13:20

Das sehe ich...

genau wie Sie. Darüber, dass die Erinnerung die Vergangenheit schönt, habe ich früher schon einmal geschrieben. Viel ausgelassener. So, wie ich früher geschreiben habe. Wenn ich das anschaue, dann staune ich darüber, wie sehr die letzten Monate meine Schreibe verändert haben. Mir fehlt dieser Wille zum letzten Dreh, zum Witz. Aber das hat vielleicht auch das sein Gutes.
twoblogs - 22. Jan, 11:58

Ich machte alle moeglichen "Koerper-Experimente" in meinem Leben. Mit 14 z B steckte ich mir einen Eiszapfen ins linke Ohr. Es war toll, diese spitze Kaelte; und dass er dann infolge meiner Koerperwaerme und auch des nachfuehrenden Drucks immer kleiner wurde. Er rann als kuehles Rinnsal ueber Schulter und linke Brust. Ich denke daran mit einer gewissen Lust, obwohl ich seitdem links etwas weniger gut hoere, dh in einer Umgebung mit sehr vielen Menschen muss ich sehr aufpassen, um eine einzelne Stimme ab einer gewissen Entfernung deutlich hoeren zu koennen. Cordialement ! Audrii

diefrogg - 22. Jan, 13:26

Haben Sie sich...

ein Loch ins Trommelfell gestossen? Was man nicht alles für Dummheiten macht in seinen Teens!
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