Mit der Hermes Giganta
Solche Fragen kommen zu einer himmeltraurigen Zeit, nicht nur wegen des Nebels: Meine Karriere als Journalistin existiert faktisch gerade nicht, auch wenn ich noch bei einer respektablen Zeitung mein Brot verdiene. Meinen Krimi ist Makulatur. Und was ich sonst noch schreiben will, weiss ich nicht. Es fehlt zwar nicht an Ideen. Aber es fehlt an Zeit. An Kraft. Und an Überzeugung.
Aber dann frage ich mich: Wem habe ich irgendetwas versprochen?
Und ich denke an die Zwölfjährige, die ich einmal war. Ich sehe mich an einer alten Schreibmaschine (später nannte ich sie stets "meine Hermes Giganta". Eine Hermes Baby habe ich nie besessen). Mit jener Schreibmaschine schrieb ich beachtliche 300 Seiten meines ersten Romans. Ich schrieb epische Geschichten für die Prinzessin. Und wenn mir gerade nichts einfiel, was selten vorkam, dann sass ich davor und malte mir meine Zukunft aus. Dann sah ich mich als erwachsene Frau mit einer Schreibmaschine in einem Zimmer. Und abends kam mein Mann nach Hause und fragte: "Na, was hast Du heute geschrieben?" Mehr sah ich nicht. Ich sah keine Kinder, keine berauschenden Buchvernissagen, keine Bestsellerlisten, kein Eigenheim und keine tollen Kleider. Nur meine Schreibmaschine und jenen Mann, der zur Tür hereinkam.
Und irgendwie ist genau das ja auch in Erfüllung gegangen - wenn auch nicht ganz genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber das ist schon in Ordnung: Kein Wunsch, keine Vorstellung erfüllt sich ja so, wie man es sich vorgestellt hat. Jedenfalls verhält es sich jetzt so: Wenn ich abends von der Arbeit nach Hause komme, dann finde ich dort Herrn T. vor seinem Computer und er fragt mich: "Na, was steht in der Zeitung von morgen?"
Aber ist dieser Wunsch nicht annähernd so in Erfüllung gegangen, wie er vorgestellt wurde - von und mit Schreiben leben. Der Zwölfjährigen haben Sie etwas versprochen und durch die Prinzessin ist sie Ihnen anscheinend wieder begegnet, Frau Frogg. Vielleicht sieht die Zwölfjährige das Versprechen gar nicht als gebrochen an? Sie arbeiten bei einer respektablen Zeitung - das ist schon viel wert in unserem Job, in Zeiten wie diesen, Herr T. wartet auf Sie, auch das ist nicht nichts und Ihre Bloggemeinde (lesen Sie ruhig nach) hofft sehr auf Ihren Krimi.
Das ist ein wohl gemeinter Tritt in den A**** von einer, der es ganz ähnlich ergeht und ist nicht nur an Sie sondern auch sehr an mich selbst adressiert - und das kleine Mädchen, das ich einmal war, lacht mich schallend aus...
Bei einem SF-Roman würde ich mich wieder einklinken:)
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Und außerdem: wie soll denn eine Schweizerin nach Dürrenmatt einen Krimi schreiben? :)
Das In-die-Quere-kommen...
Ich denke, dass gerade das Nichtsehen von Bestsellerlisten oder Buchvernissagen eine Möglichkeit eröffnet, dass es irgendwann einmal ganz unvermutet eintritt. Oder auch nicht. Spielt das eine Rolle. Das Bild von der Schreibmaschine und dem hereinkommenden Mann ist doch auch so ein sehr schönes.
Ich habe in meinem Leben viel erreicht, doch ich hätte viel mehr erreichen können, wenn ich mich ein bisschen mehr angestrengt hätte. Oder - disziplinierter gewesen wäre!
Heute bin ich zufrieden, selbst wenn ich weder 5 noch einen Nobelpreise gewonnen habe. (Das war wirklich einmal eine Vorstellung, hätte aber eine ganz andere Lebensanlage vorausgesetzt. Nobelpreise sind figurativ gemeint. Mitgliedschaft in irgendeiner Akademie der Wissenschaften hätte schon ausgereicht.)
Es gibt Zeiten, in denen man sich einfach selbst hinterfrägt. Ob das der Herbst sein muss oder gerade eine unangenehme Periode, tut nichts zur Sache.
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Dass ein Krimi als Makulatur bezeichnet wird, finde ich nicht schlimm. Das gilt auch für Dan Brown, selbst wenn sich der ein Vermögen damit verdient.
Wesentlich erscheint mir etwas anderes: es fehlt zwar nicht an Ideen, aber es fehlt an ....... Überzeugung.
Wenn es nichts gibt, von dem man überzeugt ist, dass man selbst die einzige Person ist, die das genauso beschreiben kann, wie man es formuliert haben möchte, wird man nicht zur Überzeugung finden. es gibt viel zu viel gute Bücher, die das, was man selbst schreiben würde, genauso gut oder sogar noch besser ausdrücken können.
Idee ist eine Sache und die zweite ist die eigene Individualität, die sich in die Überzeugung abbilden muss. Wenn ich jetzt ganz "böse" und kritisch urteile, so fallen mir zwei der Einträge hier als bemerkenswert ein. Die Geschichte mit der Prinzessin. Das gäbe eine wunderbare Geschichte über Lebensentwicklungen. (Die gibt es zwar auch in Hülle und Fülle, aber die Frage: "warum warst du die Prinzessin" kann schon Programm sein.) Der zweite Beitrag war die Einleitung zu der Kroatien-Urlaubsreise. Eigentlich wollte ich nicht, aber dann kam es anders.
Das sind die Beiträge, die das höchste Eigenleben für mich aufweisen. Und das sind die Empfindungen, die in einem Buch von Anfang bis Ende durchgängig sein müssen. Der emotionale rote Faden.
Aber ehrlich, so schlimm klingt der obige Beitrag gar nicht. Da steckt viel Potential drinnen. Und durchaus auch Zukunft.
Danke für die...
@steppenhund: Ich kann nicht ganz nachvollziehen, weshalb ein Krimi weniger authentisch sein soll als ein Science Fiction-Roman. Krimi heisst ja nicht zwangsläufig Kolportage. Wobei... nun ja, es ist nicht einfach, die Grenze zu ziehen. Aber ihr Vorschlag, die verschlungenen Pfade einer Entwicklung nachzuzeichnen, hat durchaus etwas für sich.
@katiza: Sie haben vollkommen recht. Das alles ist nicht nichts. Aber es ist eben so: Obwohl ich damals keine Bestsellerlisten sah, ist der Ehrgeiz in die Frogg'sche Persönlichkeit eingeschrieben wie nichts anderes.
@books and more: Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn ich soweit bin!
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