18
Dez
2011

Nie mehr klagen

"Berta nervt mich manchmal richtig", sagte Acqua, "Alles, was sie sieht, setzt sie mit ihrer Krankheit in Verbindung. Sie erzählt eigentlich nur noch, was sie alles nicht mehr kann." Sie berichtet von einer Bekannten, die an einer chronischen Krankheit leidet. "Dabei ging es ihr nach dem ersten Schub richtig gut. Sie arbeitete weniger und begann Dinge zu tun, die sie vorher kaum noch getan hatte. Aber die kann sie jetzt auch nicht mehr tun. Natürlich verstehe ich, dass das weh tut. Aber es nervt auch, dass sie an nichts anderes mehr denken kann."

Acqua redete nicht über mich - hoffe ich. Aber sie brachte ein Thema zur Sprache, über das ich in den letzten Tagen oft nachgedacht habe: Nach den grossen Hörstürzen im Herbst 2009 änderte ich mein Leben. Ich arbeitete weniger und entdeckte meine Liebe für die Musik. Aber wie wird es weitergehen, wenn die Probleme mit meinem Gehör mich noch mehr einschränken?

Dann erinnere ich mich an jenen Tag im November 2009. Ich war eben aus dem Spital gekommen. Nicht, weil ich besser hörte. Sondern, weil sie nicht mehr wussten, was sie dort mit mir machen sollten. Ich bestieg mit Gedonner in den Ohren den Hügel, an dem ich aufgewachsen war. Als ich oben war, blickte ich ins Gewölk und machte einen Deal mit dem Herrgott: "Wenn Du mich noch ein, zwei Jahre Musik hören lässt, dann werde ich mich nachher niemals über meine Taubheit beklagen!" sprach ich.

Von jenem Tag an brauchte ich noch einen Monat, bis ich wieder Musik hören konnte. Seither habe ich in meiner Freizeit nicht viel anderes getan.

Aber natürlich habe ich längst andere Dinge gefunden, über die ich mich beklagen kann.

Und gestern, als es mir richtig beschissen ging, hatte ich grosse Lust, über mein verlorenes Musikgehör in Wehklagen auszubrechen.

Aber heute höre ich wieder besser. Die Jingles am Radio klingen zwar noch falsch. Aber mit Kopfhörern kann ich es - mit reduzierter Lautstärke - wieder richtig krachen lassen. Schaut in das Video rein. Spektakuläre Performance!

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books and more - 18. Dez, 14:08

Das nenne ich mir einmal ein gepflegtes Abhotten!

diefrogg - 18. Dez, 14:14

Ich nenne es...

die Dialektik der fünfziger Jahre ;)

Im Hintergrund die braven Mädchen mit den teuren Abendkleidern, die in die Hände klatschen. Und vorne der Mann aus dem schwarzen Süden, der das Haus zum Kochen bringt.
acqua - 18. Dez, 21:09

Ähhmm... Das habe ich hoffentlich nicht wirklich so gesagt!?! Ich bin eigentlich sogar überzeugt, dass ich das nicht so gesagt habe! Und dass ich nicht dich meinte, habe ich glaubs auch ziemlich klar gemacht.

diefrogg - 19. Dez, 10:15

Nein, ich weiss...,

dass Du nicht mich gemeint hast. Aber zu denken gegeben hat es mir natürlich trotzdem... Und es tut mir leid, falls ich Dich falsch zitiert habe. Ich hätte Dich gegenlesen lassen sollen ;) Ich habe das wirklich ungefähr so in Erinnerung... Ich nehme aber gerne Änderungswünsche entgegen und werde auch nachträglich Änderungen machen, wenn Du es möchtest.
acqua - 19. Dez, 21:58

Neinein. Es reicht mir, wenn ich hier im Kommentar richtigstellen kann, dass ich dir nicht in erster Linie erzählt habe, wie sehr mich "Berta" "genervt"* hat. Stattdessen habe ich dir geschildert, wie ich beim Nachdenken über "Berta" angefangen habe zu verstehen, wie verschissen so eine progrediente chronische Krankheit ist. Denn nie kann man sich in einem Zustand (und sei er auch noch so schlecht) einrichten, weil es immer und jederzeit noch schlimmer kommen kann. Seither "nerve" es mich nicht mehr so sehr, wenn "Berta" sich praktisch ausschliesslich über ihre Krankheit definiert.

*Witzige Vorstellung übrigens, diese Person bei der nächsten Begegnung Berta zu nennen.
diefrogg - 20. Dez, 09:27

Ja, das stimmt,

und dieses Gespräch hat mir genau diesen Aspekt der ganzen Sache eben auch vor Augen geführt - wofür ich Dir sehr dankbar bin, und was ich eigentlich hätte erwähnen sollen. Es hätte die Bedeutung des Gesprächs auch klarer gemacht. Es hat mir nämlich vor Augen geführt, was auf mich zukommen könnte und dass es vielleicht Wege gibt, wie man sich darauf vorbereiten kann.

Aber nächstes Mal werde ich auf jeden Fall Rücksprache mit Dir nehmen, bevor ich Dich "zitiere". Wahrscheinlich hätte ich die Sache dann auch anders aufgegleist. Nochmals sorry!
Jossele - 19. Dez, 19:06

Mit ihnen, weil Leben ist Vieles.

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