28
Nov
2008

Panik im Spital

Gestern war ich im Spital (oder, für alle jene, die die Deutschschweizer Hochsprache nicht verstehen: im Krankenhaus). Ich war im Kantonsspital. Oh, nichts Ernstes! Ein ambulanter Routineuntersuch im Frauenspital. Ich hatte deshalb auch keine Angst, als ich mich kurz vor 10 Uhr dem rostbraunen Turm am Stadtrand näherte. Das an sich ist bemerkenswert, denn ich muss zugeben: Die Frogg ist gar keine Fröschin, sondern ein grün verkleideter Angsthase.

Leise Unruhe ergriff mich denn auch, als ich durch den Haupteingang trat. Eine Drehtür. Nun hat die Frogg eine leicht furchtgefärbte Abneigung gegen Drehtüren. Drehtüren haben etwas Heimtückisches, finde ich. Kaspar, ein Bekannter, hatte mir neulich auch noch ausgerechnet von der Drehtür zum Kantonsspital erzählt. "Ideal, weil man damit viel Energie sparen kann", hatte er gesagt. Nur würde es in dieser Tür ständig Notstops geben. Patienten und Besucher würden stecken- und hängenbleiben und sich verklemmen. Das trug auch nicht gerade dazu bei, sie zu beruhigen. Aber sie schaffte die Drehtür. Easy.

Doch nun musste sie zur Patitentenanmeldung. Und als sie die sah, drohte eine Woge Panik sie gleich wieder zur Drehtür hinaus zu schwemmen: Denn vor den fünf kümmerlichen Anmeldungsbüros sah sie eine endlose Wartesitzreihe, vollständig besetzt mit Patienten. Ein paar andere Wartende standen herum. Der halbe Kanton schien genau jetzt ins Spital zu wollen! Wie sollte sie da um 10 Uhr drüben in der Frauenklinik sein?!

Eine ältere Krankenschwester verteilte Nümmerchen. Sie bemühte sich ausserdem, eine Atmosphäre von Ruhe und Effizienz zu verbreiten. Das mit der Ruhe machte sie wunderbar, das mit der Effizienz etwas weniger gut. Aber wenigstens brachte sie die Frogg dazu, sich zu setzen. Obwohl da zwischen Krückenpaaren, werdenden Müttern und Vätern und bleichen Gestalten kaum Platz war. Obwohl die Frogg am liebsten weggelaufen wäre. Mit angstgeweiteten Augen starrte sie um sich. Was war das für ein Ort? Hier würde man eine fürchterliche Krankheit an ihr entdecken! Oder man würde sie verwechseln! Man würde ihr einen Fuss wegoperieren! Man würde sie auf ein Fliessband legen und zu Corned Beef verarbeiten!

"Schau Dich doch um!" sagte sie sich. "Ist doch spannend! Ein Panoptikum der kantonalen Gesellschaft!" Und sie sah sich um. Sah Krücken, werdende Väter und Mütter und bleiche Gestalten. Wenigstens, stellte sie fest, wurde die Schlange vor den fünf Büros schnell kürzer. Was damit zusammenhängt, dass die Schweizer sich im Spital verhalten wie Türken in der Türkei. In der Türkei, hat die Frogg festgestellt, geht kaum jemand allein irgendwohin. Jedenfalls nicht dann, wenn er gebrechlich, alt oder weiblich ist. In der Türkei hatte die Frogg das stets rührend gefunden: dass die Leute dort zu einander Sorge tragen. Dass dort jeder immer jemanden zu finden scheint, der einen schwierigen Gang mit ihm tut. Hier erschien es vor allem praktisch: Wurde eine Nummer aufgerufen, dann standen immer zwei Leute oder gar halbe Kleinfamilien auf statt nur einer.

Die Frogg hatte Nummer 80. Als die Nummer 79 aufgerufen wurde, bekam sie Herzrasen.

Als sie schliesslich in dem kleinen Büro sass, staunte sie, dass sie überhaupt noch wusste, wie sie hiess.

Um 10.15 Uhr war sie dann doch in der Frauenklinik. Der ganze Rest war ok.

Später sagte mir jemand, man könne sich im Kantonsspital auch schriftlich anmelden. Jetzt frage ich mich nur noch, warum mir das vorher niemand gesagt hat. Oder hat man es mir gesagt, und ich habe abgelehnt? Weil man mir nicht gesagt hat, dass ein Gang zur Patientenanmeldung noch mehr Unannehmlichkeiten mit sich bringt als ein Gang zur Post?

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steppenhund - 28. Nov, 17:11

Drehtüren

dienen zur Charakterisierung rücksichtsloser Ellenbogentypen.
"Das ist einer, der hinter dir in die Drehtür hineingeht und vor dir herauskommt."

diefrogg - 28. Nov, 17:30

Das gefällt mir!

Ich muss sagen: Immerhin weiss das Kantonsspital in dieser Hinsicht für Ordnung zu sorgen. Ich habe gar keine solchen Vorgänge beobachtet!
acqua - 28. Nov, 23:12

Übrigens gibt es innen in der Drehtüre einen Knopf, den man drücken kann, wenn die Türe stoppt. Dann beginnt sie sich wieder zu drehen. Denn stoppen tut sie tatsächlich sehr oft. Immer, wenn jemand nicht schnell genug war und von der Türe eingeholt wurde. Für extra langsame Menschen, von denen es in einer Spitaldrehtür ja ziemlich viel gibt, gibt es deshalb noch einen weiteren Knopf vor der Drehtüre. Der macht, dass sich die Türe langsamer dreht. Damit ärgert man dann aber eiliges Spitalpersonal, das zu spät sehr pünklich zur Arbeit eilt.
diefrogg - 29. Nov, 11:45

Danke, Acqua,

dass Du es mir nicht übel nimmst, dass ich hier "Dein" Spital verunglimpfe. Über den Tipp mit der Drehtür bin ich sogar sehr froh. Der wird mir helfen, falls mir einmal ernstlich etwas fehlt. Aber wahrscheinlich werde ich eine Kleinigkeit wie die Patientenanmeldung dann ohnehin als Nebensache betrachten.
walküre - 29. Nov, 20:04

Frau Frogg, "Spital" im Sinne von "Krankenhaus" ist wiederum auch bei uns in Österreich ein gängiger umgangssprachlicher Begriff. Jetzt staunen Sie, nicht wahr ? :-)

diefrogg - 29. Nov, 21:58

Aaaah! Sieh einer an!

Ein Wort, das vor keinen Gernzen Halt macht! Eigentlich hätte ich das wissen müssen, wo ich doch "Komm' süsser Tod" von Wolf Haas gelesen habe. Ich hab's halt so gemacht, weil wir bei der Zeitung das Wort "Krankenhaus" in deutschen Agenturmeldungen stets durch "Spital" ersetzen. Weil: "Krankenhaus" klingt so hochdeutsch.

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