28
Okt
2008

Nostalgie für Linienbewusste

Immer um diese Jahreszeit muss ich an Zigerkrapfen denken und werde nostalgisch. Jaja, ich weiss, die Unwissenden unter Euch werden jetzt behaupten, Zigerkrapfen seien ein Fasnachtsgebäck. Aber lasst es Euch gesagt sein: In der innersten Innerschweiz waren Zigerkrapfen einst ein Chilbigebäck, etwas für den Herbst also. Und was aus dem Innersten der Innerschweiz kommt, mag von manchen als rückständig betrachtet werden. Aber es ist auch immer irgendwie ur-richtig. Nicht wahr?


(Quelle: www.rolis-café.ch)

Die Frogg aber weiss, wie man es damals konditoreimässig in der innersten Innerschweiz hielt, denn ihre Grossmutter war dort Bäckersfrau. Und immer um diese Jahreszeit, immer an einem Mittwochnachmittag (schulfrei!) liess sie uns kommen, Mutter Frogg und beide Kinder. Denn sie brauchte uns. Oder jedenfalls meine Mutter. Zum Helfen. Es war Zigerchrapfen-Mittwoch. Und Zigerchrapfen machen, das war "e mörderlige Chrampf", wie mein Grossvater es auf gut Solothurnisch ausgedrückt hätte (er war eben kein Innerschweizer, aber das ist eine andere Geschichte).

Das Teigauswallen ging ja noch. Ebenso die Herstellung der Füllung. Aber das Herumtragen der vollen und der leeren Bleche! Und Frittierei in zwei winzigen Friteusen! Das heisse Fett! Das Zuckern und Zimten und Auskühlen lassen. Grossvater trug Bleche von Haus zu Haus und fror bald gar nicht mehr und musste immer öfter weg, eine rauchen. Vor allem, wenns ans Putzen ging! Spätestens dann stritten sich Grossmutter und Mutter auch mal. Und wir Frogg-Kinder probierten derweil die rohe Füllung, den rohen Teig und dann die fertigen Krapfen und zwar bis uns schier die Bäuche platzten. Ein Festtag!

Ja, eben! Das waren noch goldene Zeiten! Zeiten, als dicksein bedeutete, dass man in den letzten Jahren keinen Hunger gelitten hatte. Alles vorbei! Welcher linienbewusste Stadtmensch isst heute noch Zigerkrapfen?! Jedenfalls nicht die Frogg.

Aber als sie heute bei Coop vorbeikam, hat die Lust auf Zigerkrapfen sie doch auf dem falschen Fuss erwischt. Ohne genau zu wissen, was da genau los war, nahm sie eine Packung Ricotta aus dem Kühlregal. Zu Hause entschied sie dann, es sei jetzt Zeit für ein Dessert. Und Ricotta sei doch eigentlich ganz normaler Frischkäse. Sie erfand Zigerkrapfen für Linienbewusste:

1/2 Becher Ricotta
ordentlich Zucker
ordentlich Zimt
ein paar Tropfen Milch
Rosinen falls gewünscht

alles gut umrühren und fertig! Dazu eine schöne Tasse Tee trinken.

Und beim Essen überfluteten mich die Erinnerungen an Grossmutter und Grossvater Walholz.

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acqua - 28. Okt, 20:36

Nichts für ungut,

aber das Rezept überzeugt mich nicht wirklich. Krapfen ohne Teig? Das kann nicht sein.
In meiner Ecke der innersten Innerschweiz gibt es übrigens zwei Sorten Krapfen: ofen- und ankengebackene. Die ofengebackenen sind immerhin fettärmer als die ankengebackenen. Ausserdem werden bei uns die Krapfen traditionellerweise mit "Kösi" (Birnenmus, ähnlich wie für Birnenweggen) gefüllt.

diefrogg - 29. Okt, 10:45

Gottseidank...

mäkelst Du nur am Rezept, liebe Acqua! Ich hatte schon gefürchtet, wir müssten einen Gelehrtenstreit unter Innerschweiz-Kennern über den richtigen Zeitpunkt für den Genuss von Ziger- und anderen Krapfen austragen. Was den fehlende Teig betrifft, hast Du natürlich recht! Irgendwie entspricht dieses Rezept einer etwas zweifelhaften Vorstellung von Genuss. Wobei... es ist wirklich nicht schlecht, ganz ehrlich. Vielleicht könnte man mit einem kleinen Schuss Kirsch und etwas Schlagrahm so etwas wie eine echte Creme daraus machen. Dann klänge das alles nicht mehr so asketisch.
nanou - 29. Okt, 20:15

Innere oder äußere Schweiz hin oder her - Krapfen ohne Teig ... nee nee, dacht' ich mir ... und dann las ich Ihre Kommentare ... und brauchte nur noch meinen Vorspann dazu zu geben (und ich lebe außerhalb jenes Landes.)
Ich hab übrigens noch NIE einen leckeren Krapfen in einem Laden gekauft, die sind alle faaad. Selbstgemachte sind bestimmt um Längen besser...
diefrogg - 29. Okt, 20:44

Also, jetzt muss...

ich schon anfangen, meine Zimt-Ricotta-Creme nach Grossmutters Art zu verteidigen! So viel Kreativität sollte doch erlaubt sein in einer modernen Küche! Abgesehen davon: Die Krapfen meiner Grosseltern waren überhaupt nicht fad (also, wenn an Zigerkrapfen je etwas fad war, dann nur der Teig! Aber den brauchen wir ja eben gar nicht)! Die Konditoreiware meiner Grosseltern war noch weitgehend handgemacht (mit zwei winzigen Friteusen für den Hausgebrauch!) und sie schmeckten wunderbar! hier gibts übrigens etwas im Prinzip Ähnliches! Da steht auch Kochrezepte drauf, dann könnt Ihrs ernst nehmen. Bitte sehr!

nanou - 29. Okt, 22:02

Wie? Was? Verteidigen? Von MIR aus eben NICHT! Ich schrieb von Erfahrungswerten bei gekauften Krapfen. Allerdings nie in der Inneren Schweiz, das gebe ich gerne zu. Verstehen Sie?

Ansonsten will ich's mal so sagen: (War das Hannah A., an die ich grade denken musste...? grübel...)

Ein Krapfen ist ein Krapfen ist ein Krapfen.

Eine Creme ist eine Creme ist eine Creme.

Guten Appetit! :-)
epper - 31. Okt, 23:49

Kross

Nicht eher Gertrude Stein?
Das Thema macht Appetit - gute Zigerkrapfen findet man doch in vielen Bäckereien. Der Teig muss knusprig sein. (Wie sagt man im Norden? Kross!!!) Also kross der Teig und die Füllung mürbe; gute Säure ist wichtig, die Rosinen weich im Biss und der Zimtzucker muss an den Lippen kleben. Das Fett darf man nicht spüren, aber genug davon muss es haben. Braucht es. Schluss mit Diskussionen. Njam!
Aber:
Ich muss, bei allem Respekt und Hut-ab vor neuen Ideen, Ihnen doch Etikettenschwindel vorwerfen Frau Madame La Frogg. Wählen Sie doch wieder mal das Original! Und beichten Sie nicht nach Vollzug des Genusses!
diefrogg - 1. Nov, 13:27

Hach, Herr Epper!

Da läuft sogar mir das Wasser im Mund zusammen! Das mit Gertrude Stein müssen Sie mir allerdings erklären. Und was das Beichten betrifft: interessante These, das so genannte Linienbewusstsein auf einen katholischen Hang zur Askese zurück zu führen. Wirft nur eine Frage auf: Warum fasten und joggen denn die Zürcher wie die Wahnsinnigen?
acqua - 1. Nov, 13:30

Beichten ist nicht gleich Askese. Beichten tut man statt Askese. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
diefrogg - 1. Nov, 14:36

Acqua!!

Dein Scharfsinn ist einmal mehr unbezahlbar! Du hast natürlich recht! Was auch erklärt, warum die Zürcher traditionellerweise besser sind in der Askese: Sie dürfen nicht beichten gehen. Stell Dir vor: Jeder Zigerkrapfen landet im Himmel auf einem Sündenregister, so einer Papierrolle, die sich beliebig verlängern lässt! Da haben wir es besser: Bei uns dagegen gibts theoretisch die Delete-Taste für Zigerkrapfen! Ich werde glaubs dann doch beichen gehen, Herr Epper!
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