Alles verloren
Ich will Euch hier nicht länger mit der Finanzkrise langweilen. Aber das hier muss ich noch erzählen: Jetzt, wo immer wieder mal von verlorenen Vermögen die Rede ist, fällt mir oft Frau Oberst ein. Olga, jene Russin mit der stets aufrechten, ja staatstragenden Haltung. Olga, die ich in den 1999 in Tarussa getroffen habe und sehr bewunderte. Olga, die ich einmal dabei beobachtet habe, wie sie biodynamische Hanfbauern aus Deutschland in ihrer schönen Heimat streng und in fast akzentfreiem Hochdeutsch zur Rede stellte.
Olga war Kommunistin, Soldatin und Deutschlehrerin an der Universität in Tadschikistan. Sie verdiente ordentlich und sparte genügend Geld für ein kleines Haus. Doch dann kam Glasnost. Die Sowjetunion zerfiel, Frau Oberst musste mitsamt ihrer Familie aus Tadschikistan fliehen. Sie hatten Glück: Ihr Mann war Mathematiker und fand einen Job in einer Raumstation in der russischen Provinz. Dennoch lebte die Familie zunächst von der Hand in den Mund, in einer zugigen Blockwohnung.
Es wäre an der Zeit gewesen, den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Doch das ging nicht. 1998 musste die russische Regierung den Rubel massiv abwerten. "Ich hatte Geld für ein kleines Haus. Doch als ich es schliesslich kaufen wollte, konnte ich mir damit gerade noch ein paar Schuhe leisten", sagte Olga damals und zeichnete mit ihren Armen eine Schuhschachtel in die Luft. Sie sagte es ruhig und gelassen und ohne zu klagen.
Ich bewundere Olga heute vielleicht noch mehr als damals.
Olga war Kommunistin, Soldatin und Deutschlehrerin an der Universität in Tadschikistan. Sie verdiente ordentlich und sparte genügend Geld für ein kleines Haus. Doch dann kam Glasnost. Die Sowjetunion zerfiel, Frau Oberst musste mitsamt ihrer Familie aus Tadschikistan fliehen. Sie hatten Glück: Ihr Mann war Mathematiker und fand einen Job in einer Raumstation in der russischen Provinz. Dennoch lebte die Familie zunächst von der Hand in den Mund, in einer zugigen Blockwohnung.
Es wäre an der Zeit gewesen, den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Doch das ging nicht. 1998 musste die russische Regierung den Rubel massiv abwerten. "Ich hatte Geld für ein kleines Haus. Doch als ich es schliesslich kaufen wollte, konnte ich mir damit gerade noch ein paar Schuhe leisten", sagte Olga damals und zeichnete mit ihren Armen eine Schuhschachtel in die Luft. Sie sagte es ruhig und gelassen und ohne zu klagen.
Ich bewundere Olga heute vielleicht noch mehr als damals.
diefrogg - 26. Okt, 12:13
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steppenhund - 26. Okt, 14:46
Einer der Gründe, warum ich nicht mit Geld umgehen kann, liegt in der Geschichte meines Großvaters. Dieser hatte bereits als 16-Jähriger mit seiner Malerei seine Eltern und Geschwister unterstützt und sogar erhalten. Vor dem ersten Weltkrieg war er Millionär, wie immer man das damals rechnen mag.
Über Kriegsanleihenverluste und sonstige Kriegswirren hatte er 1918 alles verloren. Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges hatte er als Compagnon einer Möbelfirma wieder ansehnliches Vermögen erworben, welches im zweiten Weltkrieg verschwand. Seinem Partner, einem emigrierten Juden, konnte er noch einige Vermögenswerte retten. Doch er selbst wollte in Wien bleiben. Seine Stellung zum Nationalsozialismus habe ich als kleines Kind noch nicht hinterfragt. Ich glaube aber, dass er zumindest anfänglich die Zustände gar nicht so schlecht fand.
Nach dem Krieg bekam er einen Job als Verwalter in einem Ledigenheim (Schlafgelegenheit für ledige, obdachlose Männer), den er bis ins hohe Alter behielt. Ich glaube, er war achtzig, als er dann aufhörte.
Die Idee des Sparens ist mir nie als sinnvoll erschienen. Auf Kredit leben ist selbstverständlich teurer. Aber wenigstens ist mein Hauskredit kein Fremdwährungskredit mit irgendwelchen gekoppelten Spekulationen. Diesbezüglich fühle ich mich heute etwas sicherer als viele andere.
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Leute wie Olga kenne ich einige. Was das besondere daran ist, dass die meisten von ihnen sehr glücklich wirken.
Über Kriegsanleihenverluste und sonstige Kriegswirren hatte er 1918 alles verloren. Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges hatte er als Compagnon einer Möbelfirma wieder ansehnliches Vermögen erworben, welches im zweiten Weltkrieg verschwand. Seinem Partner, einem emigrierten Juden, konnte er noch einige Vermögenswerte retten. Doch er selbst wollte in Wien bleiben. Seine Stellung zum Nationalsozialismus habe ich als kleines Kind noch nicht hinterfragt. Ich glaube aber, dass er zumindest anfänglich die Zustände gar nicht so schlecht fand.
Nach dem Krieg bekam er einen Job als Verwalter in einem Ledigenheim (Schlafgelegenheit für ledige, obdachlose Männer), den er bis ins hohe Alter behielt. Ich glaube, er war achtzig, als er dann aufhörte.
Die Idee des Sparens ist mir nie als sinnvoll erschienen. Auf Kredit leben ist selbstverständlich teurer. Aber wenigstens ist mein Hauskredit kein Fremdwährungskredit mit irgendwelchen gekoppelten Spekulationen. Diesbezüglich fühle ich mich heute etwas sicherer als viele andere.
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Leute wie Olga kenne ich einige. Was das besondere daran ist, dass die meisten von ihnen sehr glücklich wirken.
diefrogg - 26. Okt, 15:20
Also ich habe...
ja stets eher nach dem Motto gelebt: "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not." Ich weiss nicht, ob das in unserer Familie erblich oder sozial bedingt ist, aber Sparsamkeit ist bei uns gang und gäbe. Und es würde mich einigermassen empören, wenn diese Casino-Kapitalisten in New York es fertigbringen würden, meine Ersparnisse zu verjubeln. Inzwischen bemühe ich mich sehr, es vorher auszugeben. Was unter anderem zu einer merklichen Verschönerung unserer Wohnung geführt hat.
Übrigens schien mir Frau Oberst nicht besonders glücklich. Gelassen vielleicht. Unaufgeregt. Aber nicht glücklich.
Übrigens schien mir Frau Oberst nicht besonders glücklich. Gelassen vielleicht. Unaufgeregt. Aber nicht glücklich.
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