Deutsche und Schweizer: der Unterschied
Einen zentralen Unterschied zwischen Schweizern und Deutschen begriff ich, als wir im Sommer in Sachsen waren. Er betrifft die Sprache. Bei ihrem Gebrauch schöpfen die Deutschen ihre Kraft aus der Einheitlichkeit. Hochdeutsch ist eine grosse Kultursprache. Sie bietet einen sicheren, tiefen Halt in den Strömungen der Vielfalt. Sie ist der Fixstern im sprachlichen Kosmos der Deutschen.
Das kann auch merkwürdige Auswirkungen haben. Meine deutsche Freundin Helga ist nur etwa 30 Kilometer von der französischen Grenze entfernt in einem durchaus bildungsnahen Haus aufgewachsen. Einmal hat sie mir erzählt: "Ich habe erst mit zehn Jahren begriffen: Meine Güte, es gibt Menschen, die wirklich eine andere Sprache als Deutsch sprechen!"
Für mich war das total anders: Ich bin in der Deutschschweiz aufgewachsen. Das Wissen, dass die Leute anderswo anders sprechen, habe ich mit der Muttermilch aufgesogen. Meine Eltern waren mässig gebildete Deutschschweizer. Aber sie hatten ihre Zeit "im Welschen" absolviert, und sie konnten Französisch und waren stolz darauf. Und ein paar Takte Italienisch und wenig Englisch.
Mit 16 sassen meine Schweizer Freundin und ich in Italien am Strand und übersetzten in einer Gruppe Teenager-Touristen zwischen Deutsch, Italienisch, Englisch und Französisch hin und her. Natürlich radebrechten wir. Aber das war egal. Es funktionierte.
Das ist für uns Schweizer die Realität: Es gibt keinen sicheren Halt. Es gibt nur die Vielfalt. Das Netz, an dem wir uns durch sie hindurchhangeln, bauen wir uns selber. Es ist unterschiedlich korrekt gebaut und unterschiedlich tragfähig. Aber etwas anderes gibt es nicht. Hochdeutsch ist ein Knoten in diesem Netz - ein wichtiger, weil Hochdeutsch in der Deutschschweiz Schrift- und Amtssprache ist. Und weil Fremdsprachige vernünftigerweise Hochdeutsch vor Züri- oder Walliserdeutsch lernen. Aber es ist ein Knoten. Nicht mehr und nicht weniger.
Wohl deshalb wird um unsere Dialekte ein solcher Kult gemacht: Wenn wir überhaupt eine sprachliche Heimat haben, dann sind es unsere Dialekte. Aber gerade die Dialekte sind ja gelebte Vielfalt. Wir schöpfen unsere Kraft aus der Vielfalt, nicht aus der Einheitlichkeit.
Das soll kein Urteil sein. Ich sage nicht, dass die Schweizer oder die Deutschen besser sind. Es ist lediglich eine Feststellung.
Und jetzt rede ich nur von uns Deutschschweizern. Eine ganz neue Dimension sprachlicher Vielfalt erlebten wir auf unserer Reise in die Schweizer Südtäler - aber dazu später mehr.
Das kann auch merkwürdige Auswirkungen haben. Meine deutsche Freundin Helga ist nur etwa 30 Kilometer von der französischen Grenze entfernt in einem durchaus bildungsnahen Haus aufgewachsen. Einmal hat sie mir erzählt: "Ich habe erst mit zehn Jahren begriffen: Meine Güte, es gibt Menschen, die wirklich eine andere Sprache als Deutsch sprechen!"
Für mich war das total anders: Ich bin in der Deutschschweiz aufgewachsen. Das Wissen, dass die Leute anderswo anders sprechen, habe ich mit der Muttermilch aufgesogen. Meine Eltern waren mässig gebildete Deutschschweizer. Aber sie hatten ihre Zeit "im Welschen" absolviert, und sie konnten Französisch und waren stolz darauf. Und ein paar Takte Italienisch und wenig Englisch.
Mit 16 sassen meine Schweizer Freundin und ich in Italien am Strand und übersetzten in einer Gruppe Teenager-Touristen zwischen Deutsch, Italienisch, Englisch und Französisch hin und her. Natürlich radebrechten wir. Aber das war egal. Es funktionierte.
Das ist für uns Schweizer die Realität: Es gibt keinen sicheren Halt. Es gibt nur die Vielfalt. Das Netz, an dem wir uns durch sie hindurchhangeln, bauen wir uns selber. Es ist unterschiedlich korrekt gebaut und unterschiedlich tragfähig. Aber etwas anderes gibt es nicht. Hochdeutsch ist ein Knoten in diesem Netz - ein wichtiger, weil Hochdeutsch in der Deutschschweiz Schrift- und Amtssprache ist. Und weil Fremdsprachige vernünftigerweise Hochdeutsch vor Züri- oder Walliserdeutsch lernen. Aber es ist ein Knoten. Nicht mehr und nicht weniger.
Wohl deshalb wird um unsere Dialekte ein solcher Kult gemacht: Wenn wir überhaupt eine sprachliche Heimat haben, dann sind es unsere Dialekte. Aber gerade die Dialekte sind ja gelebte Vielfalt. Wir schöpfen unsere Kraft aus der Vielfalt, nicht aus der Einheitlichkeit.
Das soll kein Urteil sein. Ich sage nicht, dass die Schweizer oder die Deutschen besser sind. Es ist lediglich eine Feststellung.
Und jetzt rede ich nur von uns Deutschschweizern. Eine ganz neue Dimension sprachlicher Vielfalt erlebten wir auf unserer Reise in die Schweizer Südtäler - aber dazu später mehr.
diefrogg - 20. Okt, 10:59
26 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Kulturflaneur - 20. Okt, 15:30
Aber...
...in Deutschland und Österreich gibt's doch auch Dialekte!?!
iGing - 20. Okt, 16:12
Ja, Dialekte gibt es bei uns, und zwar reichlich. Die Unterschiede von Dorf zu Dorf machen einen eindeutig identifizierbar, keiner kann seine Herkunft verleugnen. Auch das gesprochene Hochdeutsch lässt im Allgemeinen noch Rückschlüsse zumindest auf die Herkunftsgegend zu. Aber dafür haben wir nur eine Amtssprache ... ob das nun gut ist?
Im Übrigen konnte man auch in den 50er/60er Jahren - ca. 60 km von der französischen Grenze, 5 km von der nächsten französischen Kaserne und 25 km vom Headquarter der US-Army entfernt - ganz gut eine "Fremdsprachenbewusstheit" entwickeln:
Meine Schwester und ich "unterhielten" uns als Kinder auf Englisch, indem wir den Klang des Amerikanischen imitierten (ohne auch nur einer einzigen Silbe eine Bedeutung zuordnen zu können).
Im Übrigen konnte man auch in den 50er/60er Jahren - ca. 60 km von der französischen Grenze, 5 km von der nächsten französischen Kaserne und 25 km vom Headquarter der US-Army entfernt - ganz gut eine "Fremdsprachenbewusstheit" entwickeln:
Meine Schwester und ich "unterhielten" uns als Kinder auf Englisch, indem wir den Klang des Amerikanischen imitierten (ohne auch nur einer einzigen Silbe eine Bedeutung zuordnen zu können).
arboretum - 22. Okt, 13:23
Ehrlich gesagt, habe ich mich über Ihre Freundin Helga sehr gewundert und mich gefragt, was das für eine gottverlassene Gegend war, in der sie aufwuchs, wo es keine Migranten und Migrantenkinder in der Schule oder Nachbarschaft, keine ausländischen Radiossender und auch keinerlei Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben haben soll und in die sich auch nie Touristen verirrten. Und dass Helga bei ihren Eltern nie ein Buch in einer anderen Sprache sah, wundert mich auch. Ich halte daher ihre Schilderung für eine Ausnahme, nicht die Regel.
Kinder, die eine andere Muttersprache hatten, traf man früher auch schon in Kindergarten oder Grundschule - in der ich übrigens ab der 3. Klasse Englischunterricht hatte, also mit acht Jahren. Meine ältere Schwester hatte erst ab der 5. Klasse Englischunterricht, das war die Regel, meine jüngere Schwester bekam in der 5. Klasse Französisch als erste Fremdsprache.
Ich bin aufgewachsen mit allerlei Geschichten von Amerikanern nach dem Krieg. Wenn meine Mutter uns "Max und Moritz" vorlas, erzählte sie uns auch, wie damals ihre amerikanischen Babysitter-Kinder immer mehr Geschichten von "Mäx und Morits" hören wollte, die sie ihnen als Teenager auf Englisch nacherzählte ("tell us more, tell us more"). Amerikanische GIs und ihre Autos mit den grünen Nummernschildern waren überall zu sehen, im Radio lief AFN. Und welches Kind, das gerade lesen gelernt hatte, kam nicht irgendwann einmal nach Hause und fragte, was "F*ck" heißt, das es irgendwo als Graffito gesehen hatte? (Beliebte Antwort der Eltern: Das ist Englisch, ich weiß auch nicht, was das heißt.)
@ IGing: Genau, dieses "Englisch reden" kenne ich auch.
Kinder, die eine andere Muttersprache hatten, traf man früher auch schon in Kindergarten oder Grundschule - in der ich übrigens ab der 3. Klasse Englischunterricht hatte, also mit acht Jahren. Meine ältere Schwester hatte erst ab der 5. Klasse Englischunterricht, das war die Regel, meine jüngere Schwester bekam in der 5. Klasse Französisch als erste Fremdsprache.
Ich bin aufgewachsen mit allerlei Geschichten von Amerikanern nach dem Krieg. Wenn meine Mutter uns "Max und Moritz" vorlas, erzählte sie uns auch, wie damals ihre amerikanischen Babysitter-Kinder immer mehr Geschichten von "Mäx und Morits" hören wollte, die sie ihnen als Teenager auf Englisch nacherzählte ("tell us more, tell us more"). Amerikanische GIs und ihre Autos mit den grünen Nummernschildern waren überall zu sehen, im Radio lief AFN. Und welches Kind, das gerade lesen gelernt hatte, kam nicht irgendwann einmal nach Hause und fragte, was "F*ck" heißt, das es irgendwo als Graffito gesehen hatte? (Beliebte Antwort der Eltern: Das ist Englisch, ich weiß auch nicht, was das heißt.)
@ IGing: Genau, dieses "Englisch reden" kenne ich auch.
diefrogg - 22. Okt, 18:43
Ich vermute,...
dass ich sie das damals auch gefragt habe, weiss aber ihre Antwort nicht mehr. Allerdings ist Helga einer der klügsten Menschen, die ich kenne. Wahrscheinlich hat sie sehr wohl mitbekommen, dass manche Leute andere Sprachen sprachen und sich auch ihre kindlichen Gedanken darüber gemacht. Ich vermute, dass sie fremde Sprachen einfach nur als eine Art Selbstdarstellung, eine Konvention der jeweils anderen aufgefasst hat.
So im Sinne von: "Die würden eigentlich schon Deutsch sprechen - weil sie aber Amerikaner sind, müssen sie das auch zeigen und sprechen deshalb Amerikanisch."
Deshalb habe ich dieses Beispiel auch gebracht: Weil es eine Art Beheimatung in der eigenen Hochsprache zeigt, eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit ihr, die ich so nie gekannt habe. Verstehen Sie, was ich meine? Ich finde das per se überhaupt nicht negativ. Im Gegenteil: Das hat etwas Kraftvolles, Selbstbewusstes, was wir nicht haben. Im Gegenteil: Ich finde uns (mich eingeschlossen) in Sprachfragen immer etwas nervös und sprunghaft.
Ich habe Jahrgang 1965, und wir hatten ein Mädchen aus einer italienischen Familie im Kindergarten. Später kam dann ein Bub aus Portugal dazu. Er giess Crispin. Das war Anfang der 70er Jahre, als meine Eltern über die so genannte Überfremdungsinitiative abstimmen gehen mussten. Meine Eltern erklärten mir damals, dass das eine ganz blöde Sache sei. Weil, wenn da viele Leute ja stimmen würden, dann müsste Crispin vielleicht zurück nach Hause - und dort hätte sein Papa wahrscheinlich keine Arbeit und so.
Hier mehr dazu.
So im Sinne von: "Die würden eigentlich schon Deutsch sprechen - weil sie aber Amerikaner sind, müssen sie das auch zeigen und sprechen deshalb Amerikanisch."
Deshalb habe ich dieses Beispiel auch gebracht: Weil es eine Art Beheimatung in der eigenen Hochsprache zeigt, eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit ihr, die ich so nie gekannt habe. Verstehen Sie, was ich meine? Ich finde das per se überhaupt nicht negativ. Im Gegenteil: Das hat etwas Kraftvolles, Selbstbewusstes, was wir nicht haben. Im Gegenteil: Ich finde uns (mich eingeschlossen) in Sprachfragen immer etwas nervös und sprunghaft.
Ich habe Jahrgang 1965, und wir hatten ein Mädchen aus einer italienischen Familie im Kindergarten. Später kam dann ein Bub aus Portugal dazu. Er giess Crispin. Das war Anfang der 70er Jahre, als meine Eltern über die so genannte Überfremdungsinitiative abstimmen gehen mussten. Meine Eltern erklärten mir damals, dass das eine ganz blöde Sache sei. Weil, wenn da viele Leute ja stimmen würden, dann müsste Crispin vielleicht zurück nach Hause - und dort hätte sein Papa wahrscheinlich keine Arbeit und so.
Hier mehr dazu.
arboretum - 23. Okt, 22:47
Als ich sieben Jahre alt war, zogen wir von Rheinland-Pfalz wieder nach Hessen. Bis dahin hatte ich lupenreines Hochdeutsch gesprochen, mein Vater legte Wert darauf. Noch vor dem Ende der Sommerferien lernte ich das Mädchen kennen, das dann für viele Jahre meine beste Freundin sein sollte. Deren Großmutter sprach waschechtes Hessisch, was dazu führte, dass ich immer zwei bis drei Mal "Wie bitte?" fragen musste - vergeblich. Ich habe Jahre gebraucht, bis ich sie verstand. Auch in der Schule musste ich mir einige Sprüche wegen des Hochdeutsch anhören. Mich hat das als Kind schon verunsichert. Diese "Selbstverständlichkeit der Hochsprache" galt halt nicht überall.
Inzwischen hört man, in welchem Bundesland ich wohne - nicht, weil ich den Dialekt spreche, sondern weiß ich häufiger "Sch*iße" sage. Als meine ältere Schwester mit Anfang 20 nach München zog, musste sie feststellen, dass man dort darauf ziemlich irritiert reagiert. Sie hat es sich bewusst abgewöhnt (und inzwischen die bayerische Satzmelodie - aber nicht den Dialekt - und bayerische Grußformeln angenommen).
Inzwischen hört man, in welchem Bundesland ich wohne - nicht, weil ich den Dialekt spreche, sondern weiß ich häufiger "Sch*iße" sage. Als meine ältere Schwester mit Anfang 20 nach München zog, musste sie feststellen, dass man dort darauf ziemlich irritiert reagiert. Sie hat es sich bewusst abgewöhnt (und inzwischen die bayerische Satzmelodie - aber nicht den Dialekt - und bayerische Grußformeln angenommen).
arboretum - 23. Okt, 22:52
Auf der Buchmesse neulich schaute ich mir am "mare"-Stand schöne Bücher an, dicht neben mir stand Nikolaus Gelpke. Bevor ich ihm sagen konnte, dass er schöne Bücher macht, sprach ihn ein älterer Herr an. Er stellte sich Gelpke kurz vor und erwähnte, dass sie schon einmal miteinander zu tun gehabt hätten. Gelpke erinnerte sich: "Stimmt, ich war einmal bei Ihnen." Die beiden wechselten zwei, drei Sätze, bis Gelpke sagte: "Wir können doch auch Schwyzerdütsch miteinander reden" und umschaltete.
diefrogg - 24. Okt, 20:12
Zu Ihrem ersten...
Kommentar: Natürlich, ich weiss, dass es unter deutschen Dialekten riesige Unterschiede gibt. Das ist ja auch in der Schweiz so. Ich habe heute noch Mühe, gewisse Walliser zu verstehen.
Dass Ihr Vater Wert darauf legte, dass Sie lupenreines Hochdeutsch sprechen, bestätigt eigentlich meine These: Kein Vater in der Schweiz würde seine Kinder dazu anhalten, Hochdeutsch zu sprechen.
Auf der anderen Seite beginne ich auf Grund mehrerer Kommentare hier zu verstehen, dass es wahrscheinlich keine Sprachsituation gibt, die völlig simpel ist. Auch nicht in Deutschland. Und wo Stärke und Selbstbewusstsein zu Zwang und Verachtung werden, ist sowieso etwas nicht in Ordnung.
Zu Ihrem zweiten Kommentar: Das ist eine schöne Anekdote - weil sie eben zeigt, wie Schweizer funktionieren (ich nehme jetzt mal an, dass Gelpke tatsächlich ein Schweizer ist, wie Wikipedia schreibt). EinE SchweizerIn wird - wie Gelpke - in der Regel die Sprache seines Gegenübers sprechen, falls sie oder er dazu in der Lage ist. Einige von uns sprechen sogar mit ihren Kollegen im Büro in Emmenbrücke oder Untersiggental Hochdeutsch, obwohl die meisten von denen mit der Zeit Schweizerdeutsch verstehen.
Nicht eingeschlossen in dieses höfliche Entegegenkommen werden Migranten aus dem Süden. Auf die wird sogar ziemlich viel Druck ausgeübt, damit sie Deutsch lernen und "sich anpassen".
Dass Ihr Vater Wert darauf legte, dass Sie lupenreines Hochdeutsch sprechen, bestätigt eigentlich meine These: Kein Vater in der Schweiz würde seine Kinder dazu anhalten, Hochdeutsch zu sprechen.
Auf der anderen Seite beginne ich auf Grund mehrerer Kommentare hier zu verstehen, dass es wahrscheinlich keine Sprachsituation gibt, die völlig simpel ist. Auch nicht in Deutschland. Und wo Stärke und Selbstbewusstsein zu Zwang und Verachtung werden, ist sowieso etwas nicht in Ordnung.
Zu Ihrem zweiten Kommentar: Das ist eine schöne Anekdote - weil sie eben zeigt, wie Schweizer funktionieren (ich nehme jetzt mal an, dass Gelpke tatsächlich ein Schweizer ist, wie Wikipedia schreibt). EinE SchweizerIn wird - wie Gelpke - in der Regel die Sprache seines Gegenübers sprechen, falls sie oder er dazu in der Lage ist. Einige von uns sprechen sogar mit ihren Kollegen im Büro in Emmenbrücke oder Untersiggental Hochdeutsch, obwohl die meisten von denen mit der Zeit Schweizerdeutsch verstehen.
Nicht eingeschlossen in dieses höfliche Entegegenkommen werden Migranten aus dem Süden. Auf die wird sogar ziemlich viel Druck ausgeübt, damit sie Deutsch lernen und "sich anpassen".
arboretum - 24. Okt, 20:20
Dass Sie wissen, dass es in Deutschland diverse Dialekte gibt, weiß ich, das war auch nicht mein Punkt. Sondern dass diese "Selbstverständlichkeit der Hochsprache" eben auch nicht unbedingt der Normalfall in Deutschland ist und sehr viel mit Schichtzugehörigkeit zu tun hat.
Gelpke ist meines Wissens tatsächlich Schweizer. Das Schwyzerdütsch der beiden Gesprächspartner hörte sich für meine Ohren auch sehr echt an. Wenn Deutsche das nachzumachen versuchen, bekommen sie das doch nicht so hin.
Gelpke ist meines Wissens tatsächlich Schweizer. Das Schwyzerdütsch der beiden Gesprächspartner hörte sich für meine Ohren auch sehr echt an. Wenn Deutsche das nachzumachen versuchen, bekommen sie das doch nicht so hin.
diefrogg - 25. Okt, 17:49
Point taken...
über die Selbstverständlichkeit, meine ich.
Und, ja: Man hört es in der Regel, wenn Deutsche Schweizerdeutsch sprechen. Genau deshalb lernen heute viele Deutsche in der Schweiz es nicht. "Würde ja eh nur blöd klingen, wenn ich es versuchen würde", sagen sie dann.
Es gibt aber noch eine Generation Deutscher, die es gelernt hat (sie stirbt allerdings allmählich aus): Ich hatte eine Bekannte, die in den dreissiger Jahren aus Deutschland in die Schweiz flüchtete. Wenn man aufmerksam war, konnte man hören, dass sie Deutsche war. Aber sie konnte erstaunlich gut Schweizerdeutsch - der Anspassungsdruck war damals gross.
Und, ja: Man hört es in der Regel, wenn Deutsche Schweizerdeutsch sprechen. Genau deshalb lernen heute viele Deutsche in der Schweiz es nicht. "Würde ja eh nur blöd klingen, wenn ich es versuchen würde", sagen sie dann.
Es gibt aber noch eine Generation Deutscher, die es gelernt hat (sie stirbt allerdings allmählich aus): Ich hatte eine Bekannte, die in den dreissiger Jahren aus Deutschland in die Schweiz flüchtete. Wenn man aufmerksam war, konnte man hören, dass sie Deutsche war. Aber sie konnte erstaunlich gut Schweizerdeutsch - der Anspassungsdruck war damals gross.
diefrogg - 20. Okt, 19:23
@iGing:
Das mit den amerikanischen Lauten ist aber wirklich hinreissend! Köstlich! So haben wir beim Spielen Hochdeutsch geübt wie wir es am Fernsehen lernten: "Wia sind auf dem Füdli runtagerutscht!" ("Wir sind auf dem Hinterteil runtergerutscht").
@iGing und den kulturflaneur: Ich habe nie in Abrede gestellt, dass es in Deutschland Dialekte gibt. Wir waren ja in Sachsen - da hätte ich schon sehr taub sein müssen, das nicht zu bemerken ;)
Ich habe einfach festgestellt, dass die Deutschen eine andere Beziehung zu ihrer Hochsprache haben als wir. Das kann ich sprachwissenschaftlich und gefühlsmässig erläutern.
Zuerst wissenschaftlich: Deutsches Hochdeutsch nannte man in den neunziger Jahren, als ich Sprachwissenschaften studierte, einen Soziolekt. Das hiess: Es ist eine Sprachvariante, die Hochsprache ist und von sozial höher stehenden Menschen auch in informellen Situationen gesprochen wird. Meine Freundin Helga etwa spricht mit ihrer Mutter zu Hause Pfälzisch, mit ihren ehemaligen Komilitoninnen aber Hochdeutsch. Dazwischen gibt es ein breites so genanntes Kontinuum von Zwischenformen.
Das Hochdeutsch, das wir in der Schweiz sprechen, ist in diesem Sinne kein Soziolekt. Es ist eine Schrift- und Standardsprache. Wir verwenden sie ausschliesslich und nicht sehr gern in formellen Situationen. Auch Deutschschweizer Ärzte, Anwälte und Bundesräte werden miteinander nie Hochdeutsch sprechen, so lange kein Deutscher oder sonstwie Fremdsprachiger im Raum ist.
Der gefühlte Unterschied: In Deutschland fühlt sich das Hochdeutsche irgendwie heimatlich an. Es ist die Sprache von Luther, Goethe, Kafka und Bertolt Brecht - aber es ist auch die Sprache von vielen, die sie sprechen. Die Folge ist auch ein gewisser Sprachpurismus: Hier wird eher ein deutsches Wort gesucht für etwas, wofür wir ohne zu überlegen ein Fremdwort verwenden (Ich könnte sicher beweisen, dass man in Deutschland öfter "Auskunft" gibt, wenn man hierzulande "Information" zur Verfügung stellt.
In der Schweiz ist das Hochdeutsche ein ungeliebter Cousin unserer Dialekte. Es fühlt sich nicht an wie "unseres". Auch wenn wir die Regeln, die für "unsere" Hochsprache gelten, sehr genau beachten (wir klingen wie Emil. Und das muss so sein, denn wir wollen nicht klingen wie ein Deutscher). Wir brauchen die Standardsprache, aber nur, wenns nötig ist.
Hier noch der Link zum Begriff Soziolekt. Natürlich hat sich die ganze Begrifflichkeit seither verschoben. Aber es scheint mir immer noch am einfachsten, die Sache so zu erklären.
@iGing und den kulturflaneur: Ich habe nie in Abrede gestellt, dass es in Deutschland Dialekte gibt. Wir waren ja in Sachsen - da hätte ich schon sehr taub sein müssen, das nicht zu bemerken ;)
Ich habe einfach festgestellt, dass die Deutschen eine andere Beziehung zu ihrer Hochsprache haben als wir. Das kann ich sprachwissenschaftlich und gefühlsmässig erläutern.
Zuerst wissenschaftlich: Deutsches Hochdeutsch nannte man in den neunziger Jahren, als ich Sprachwissenschaften studierte, einen Soziolekt. Das hiess: Es ist eine Sprachvariante, die Hochsprache ist und von sozial höher stehenden Menschen auch in informellen Situationen gesprochen wird. Meine Freundin Helga etwa spricht mit ihrer Mutter zu Hause Pfälzisch, mit ihren ehemaligen Komilitoninnen aber Hochdeutsch. Dazwischen gibt es ein breites so genanntes Kontinuum von Zwischenformen.
Das Hochdeutsch, das wir in der Schweiz sprechen, ist in diesem Sinne kein Soziolekt. Es ist eine Schrift- und Standardsprache. Wir verwenden sie ausschliesslich und nicht sehr gern in formellen Situationen. Auch Deutschschweizer Ärzte, Anwälte und Bundesräte werden miteinander nie Hochdeutsch sprechen, so lange kein Deutscher oder sonstwie Fremdsprachiger im Raum ist.
Der gefühlte Unterschied: In Deutschland fühlt sich das Hochdeutsche irgendwie heimatlich an. Es ist die Sprache von Luther, Goethe, Kafka und Bertolt Brecht - aber es ist auch die Sprache von vielen, die sie sprechen. Die Folge ist auch ein gewisser Sprachpurismus: Hier wird eher ein deutsches Wort gesucht für etwas, wofür wir ohne zu überlegen ein Fremdwort verwenden (Ich könnte sicher beweisen, dass man in Deutschland öfter "Auskunft" gibt, wenn man hierzulande "Information" zur Verfügung stellt.
In der Schweiz ist das Hochdeutsche ein ungeliebter Cousin unserer Dialekte. Es fühlt sich nicht an wie "unseres". Auch wenn wir die Regeln, die für "unsere" Hochsprache gelten, sehr genau beachten (wir klingen wie Emil. Und das muss so sein, denn wir wollen nicht klingen wie ein Deutscher). Wir brauchen die Standardsprache, aber nur, wenns nötig ist.
Hier noch der Link zum Begriff Soziolekt. Natürlich hat sich die ganze Begrifflichkeit seither verschoben. Aber es scheint mir immer noch am einfachsten, die Sache so zu erklären.
acqua - 21. Okt, 21:10
Ah! Danke für diese wissenschaftliche Erklärung. Danach habe ich schon lange gesucht.
diefrogg - 22. Okt, 18:51
Na, prüf das besser...
alles nochmals nach! ;) Wahrscheinlich erklärt man das heute alles ganz anders. Ist immerhin 20 Jahre her, seit ich mit dieser Sache abgeschlossen habe!
steppenhund - 20. Okt, 21:39
Ich habe das Posting mit einer gewissen Wehmut gelesen. Die Schweizer habe ich beneidet, weil ich als Kind geglaubt habe, dass jeder Schweizer Deutsch, Französisch und Italienisch von Kind auf an sprechen kann.
Ich mag auch jene Ehepaare, die zwei Muttersprachen haben und ihre Kinder zweisprachig aufwachsen lassen. Manchmal sogar dreisprachig, wenn die Eltern in ein anderes Land emigrigiert sind.
Wir haben eine Ausländerthematik, bei der die Beherrschung der deutschen Sprache einen gewissen Hemmschuh bildet. Erstens scheint Deutsch wirklich schwer zu sein, zweitens bemühen sich manche Ausländer gar nicht um sprachliche Integration.
-
Ansonsten geht es gar nicht um Deutsche. Wir Österreicher haben bestimmte Soziolekte, die sehr stark die kulturelle und standesmäßige Herkunft verraten. Und wenn wir auch zugeben müssen, dass das schönste Hochdeutsch in Hannover gesprochen wird, so möchte ich doch betonen, dass DIE deutschsprachige Bühne par excellence das Burgtheater in Wien ist.
Und noch vor 100 Jahren galt das Prager Deutsch als die schünste Ausprägung der deutschen Sprache.
Sic transit gloria vocis linguae Germanicae.
Ich mag auch jene Ehepaare, die zwei Muttersprachen haben und ihre Kinder zweisprachig aufwachsen lassen. Manchmal sogar dreisprachig, wenn die Eltern in ein anderes Land emigrigiert sind.
Wir haben eine Ausländerthematik, bei der die Beherrschung der deutschen Sprache einen gewissen Hemmschuh bildet. Erstens scheint Deutsch wirklich schwer zu sein, zweitens bemühen sich manche Ausländer gar nicht um sprachliche Integration.
-
Ansonsten geht es gar nicht um Deutsche. Wir Österreicher haben bestimmte Soziolekte, die sehr stark die kulturelle und standesmäßige Herkunft verraten. Und wenn wir auch zugeben müssen, dass das schönste Hochdeutsch in Hannover gesprochen wird, so möchte ich doch betonen, dass DIE deutschsprachige Bühne par excellence das Burgtheater in Wien ist.
Und noch vor 100 Jahren galt das Prager Deutsch als die schünste Ausprägung der deutschen Sprache.
Sic transit gloria vocis linguae Germanicae.
diefrogg - 21. Okt, 13:01
Ja, das glaube ich Ihnen...,
gerne, dass die p.t. Damen und Herren Österreicher den Soziolekt zur Bekanntgabe eines höheren Status zur Perfektion kultivieren ;) Sonst kenne ich leider die Situation in Österreich nur sehr schlecht.
Was die Sprachkenntnisse der Schweizer betrifft, kann man meine Situation wohl nicht verallgemeinern. Wir hatten zu Hause eine sehr positive Einstellung zu Fremdsprachen. Ich brachte mir Englisch mit zwölf mit Hilfe von Platten von Elvis und den Beatles bei. Französisch lernte ich gründlich in der Schule und war dazu zweimal in der Romandie, um es als gesprochene Sprache zu lernen, und Italienisch hatte ich ein Jahr lang am Gymnasium - wobei Französisch und Italienisch bei mir mehr als verrostet sind. Italienisch kann ich nur noch, wenn ich genügend getrunken habe (oder wenn mir niemand zuhört, den ich kenne).
Generell hat Englisch hierzulande sehr viel mehr Bedeutung gewonnen. In letzter Zeit hatte ich gelegentlich mit Westschweizer Kollegen zu tun. Da behalf man sich der Einfachheit halber schon mal mit Englisch, statt Französisch bzw. Hochdeutsch zu radebrechen.
Um die deutsche Sprache würde ich mir nicht allzu grosse Sorgen machen. Ebenfalls während meines Studiums habe ich gelernt: Sprachen werden nur dann unbedeutender, wenn ihren Sprechern die wirtschaftliche und/oder politische Stärke abhanden kommt. Beides ist wohl weder bei Österreich noch bei Deutschland zurzeit der Fall.
Was die Sprachkenntnisse der Schweizer betrifft, kann man meine Situation wohl nicht verallgemeinern. Wir hatten zu Hause eine sehr positive Einstellung zu Fremdsprachen. Ich brachte mir Englisch mit zwölf mit Hilfe von Platten von Elvis und den Beatles bei. Französisch lernte ich gründlich in der Schule und war dazu zweimal in der Romandie, um es als gesprochene Sprache zu lernen, und Italienisch hatte ich ein Jahr lang am Gymnasium - wobei Französisch und Italienisch bei mir mehr als verrostet sind. Italienisch kann ich nur noch, wenn ich genügend getrunken habe (oder wenn mir niemand zuhört, den ich kenne).
Generell hat Englisch hierzulande sehr viel mehr Bedeutung gewonnen. In letzter Zeit hatte ich gelegentlich mit Westschweizer Kollegen zu tun. Da behalf man sich der Einfachheit halber schon mal mit Englisch, statt Französisch bzw. Hochdeutsch zu radebrechen.
Um die deutsche Sprache würde ich mir nicht allzu grosse Sorgen machen. Ebenfalls während meines Studiums habe ich gelernt: Sprachen werden nur dann unbedeutender, wenn ihren Sprechern die wirtschaftliche und/oder politische Stärke abhanden kommt. Beides ist wohl weder bei Österreich noch bei Deutschland zurzeit der Fall.
bonanzaMARGOT - 21. Okt, 15:44
länder bzw. nationen unterscheiden sich nicht nur über die sprache.
die sprache ist lediglich ein ausdruck so mancher unterschiedlichkeit, welche lokal bedingt ist.
als deutscher empfinde ich die schweizer als relativ deutsch-feindlich und eingebildet auf ihr schweizer dasein. etwas ähnliches erlebte ich in österreich. das mag daran liegen, dass kleinere nachbarn immer den größeren nachbarn als größeren bruder ansehen, von dem sie sich emanzipieren müssen. vor allem dann, wenn man dieselbe sprache (und kultur) teilt - zumindest im grunde.
dialekte gehören notwendigerweise zur vielfalt der regionalen besonderheiten. da gibt es intra- wie interkulturell halt die ein oder anderen unterschiede. ein hamburger ist dem bayer unter umständen fremder als ein schweizer dem schwaben.
in meinen augen ist das alles mehr oder weniger wurscht.
man trifft die menschen, die einen "verstehen" oder eben nicht.
in der schweiz traf ich sie schon. und meine liebste schweizerin ist türkin.
die sprache ist lediglich ein ausdruck so mancher unterschiedlichkeit, welche lokal bedingt ist.
als deutscher empfinde ich die schweizer als relativ deutsch-feindlich und eingebildet auf ihr schweizer dasein. etwas ähnliches erlebte ich in österreich. das mag daran liegen, dass kleinere nachbarn immer den größeren nachbarn als größeren bruder ansehen, von dem sie sich emanzipieren müssen. vor allem dann, wenn man dieselbe sprache (und kultur) teilt - zumindest im grunde.
dialekte gehören notwendigerweise zur vielfalt der regionalen besonderheiten. da gibt es intra- wie interkulturell halt die ein oder anderen unterschiede. ein hamburger ist dem bayer unter umständen fremder als ein schweizer dem schwaben.
in meinen augen ist das alles mehr oder weniger wurscht.
man trifft die menschen, die einen "verstehen" oder eben nicht.
in der schweiz traf ich sie schon. und meine liebste schweizerin ist türkin.
diefrogg - 21. Okt, 19:55
Naja, ...
"emanzipieren" ist vielleicht ein etwas starkes Wort. Wer sich emanzipiert ist ja zuvor diskriminiert worden. Und ich glaube nicht, dass uns die Deutschen in den letzten paar Jahrhunderten diskriminiert haben. Wir haben ja schon eine Weile einen unabhängigen Staat.
Aber es stimmt: Es gibt in der Schweiz da und dort eine mehr als latente Deutschenfeindlichkeit - und die finde ich völlig daneben. Auch wenn ich in zwei Einzelfällen (ich habe Dutzende Deutsche in der Schweiz kennengelernt) selber tatsächlich leicht irritierende kulturelle Unterschiede festgestellt habe (Nordlichter halt...).
Dass Schweizer (und Österreicher!) eingebildet seien, empfinde ich aber auch als unfaire Verallgemeinerung.
Aber es stimmt: Es gibt in der Schweiz da und dort eine mehr als latente Deutschenfeindlichkeit - und die finde ich völlig daneben. Auch wenn ich in zwei Einzelfällen (ich habe Dutzende Deutsche in der Schweiz kennengelernt) selber tatsächlich leicht irritierende kulturelle Unterschiede festgestellt habe (Nordlichter halt...).
Dass Schweizer (und Österreicher!) eingebildet seien, empfinde ich aber auch als unfaire Verallgemeinerung.
Schlappohr - 21. Okt, 16:20
Emil
Ja, zuweilen klingen wir wirklich nach "Emil". Aber ein Bayer wird auch immer bayrisch klingen, ein Schwob schwäbisch, so sehr die sich bemühen, Hochdeutsch zu sprechen. Und Hochdeutsch ist für die meisten Alemannen nun mal eine Fremdsprache.
Das ist noch nicht mal schlimm. Schlimm finde ich Politiker in unserem Parlament, wo ja durchwegs nur Hochdeutsch, Französisch, Italienisch und ja sogar Rätoromanisch gesprochen werden darf, Politiker also die sich nichtmal ein bitzeli die Mühe machen, an ihrer Hochdeutschen Sprache und der Rhetorik zu feilen. Nein, sie möchten dann betont noch so klingen, als wären sie der volksnahe Knecht, der eben vom Käsen die Alp runterkommt. Meist klingt das aber auch von gestandenen Ständeräten (huch!) nur noch peinlich. Oft hört es sich an, als würde ein Primarschüler sein Schulaufsätzli vorlesen. Mir rollt es dabei regelmässig die Zehennägel auf, wenn ich unsere Volchsvertreter im Parlament so höre schwafeln und radebrechen.
Das ist noch nicht mal schlimm. Schlimm finde ich Politiker in unserem Parlament, wo ja durchwegs nur Hochdeutsch, Französisch, Italienisch und ja sogar Rätoromanisch gesprochen werden darf, Politiker also die sich nichtmal ein bitzeli die Mühe machen, an ihrer Hochdeutschen Sprache und der Rhetorik zu feilen. Nein, sie möchten dann betont noch so klingen, als wären sie der volksnahe Knecht, der eben vom Käsen die Alp runterkommt. Meist klingt das aber auch von gestandenen Ständeräten (huch!) nur noch peinlich. Oft hört es sich an, als würde ein Primarschüler sein Schulaufsätzli vorlesen. Mir rollt es dabei regelmässig die Zehennägel auf, wenn ich unsere Volchsvertreter im Parlament so höre schwafeln und radebrechen.
bonanzaMARGOT - 21. Okt, 18:10
tja, das schweizer profil könnte sich an seinen wunderschönen bergen ein beispiel nehmen. dasselbe gilt für die österreicher.
die sprache ist nur ein instrument, - das leider auch manchmal dazu benutzt wird, andere auszugrenzen. per dialekt oder fremdsprache.
mir tun diese menschen einfach nur leid.
die sprache ist nur ein instrument, - das leider auch manchmal dazu benutzt wird, andere auszugrenzen. per dialekt oder fremdsprache.
mir tun diese menschen einfach nur leid.
diefrogg - 21. Okt, 20:52
@schlappohr:
Ja, ich weiss, was Du meinst. Ich nenne dieses pseudobäurische Getue von Politikern auch "g'Choder". Sie wollen uns damit tatsächlich sagen, dass sie dem Bauernstand nahe stehen. Das ist ok für mich, und nichts gegen Landwirte und ihre Anliegen - aber ich weiss dann gleich, dass ich nicht zum Wählersegment solcher Politiker gehöre.
Bei manchen finde ich es dann dennoch schade, dass ihnen nicht eine Stimme Abzug geben kann ;) Mit einem energischen schwarzen Strich auf der Liste oder so...
@BONANZAmargot: Merkwürdige Antwort. Meinen Sie jetzt die Schweizer allgemein? Falls ja: Siehe oben. Oder Schweizer Politiker, mit rauer Sprache?
Bei manchen finde ich es dann dennoch schade, dass ihnen nicht eine Stimme Abzug geben kann ;) Mit einem energischen schwarzen Strich auf der Liste oder so...
@BONANZAmargot: Merkwürdige Antwort. Meinen Sie jetzt die Schweizer allgemein? Falls ja: Siehe oben. Oder Schweizer Politiker, mit rauer Sprache?
Jossele - 22. Okt, 10:16
Wie Karl Kraus einst trefflich bemerkte, "Der Unterschied zwischen Deutschen und Österreichern ist die gemeinsame Sprache".
Sonst aber teilen wir mit unseren Deutschen Nachbarn die Zentriertheit auf die egene Sprache, woran vermutlich auch eine sehr national orientierte Zeit im letzten Jahrhundert Ursache sein mag.
Meine Schwiegermutter, Burgenlandkroatin, hat ihre Sprache nicht an ihre Kinder weitergegeben weil Kroatisch weitgehend als "minderwertig" angesehen wurde.
Mein Schwiegervater, aus dem heutigen Tschechien, sprach nur Deutsch, weil das eben die "bessere" Sprache war.
Sonst aber teilen wir mit unseren Deutschen Nachbarn die Zentriertheit auf die egene Sprache, woran vermutlich auch eine sehr national orientierte Zeit im letzten Jahrhundert Ursache sein mag.
Meine Schwiegermutter, Burgenlandkroatin, hat ihre Sprache nicht an ihre Kinder weitergegeben weil Kroatisch weitgehend als "minderwertig" angesehen wurde.
Mein Schwiegervater, aus dem heutigen Tschechien, sprach nur Deutsch, weil das eben die "bessere" Sprache war.
diefrogg - 22. Okt, 19:07
Schon verrückt,
wie manche Leute sich dann verbiegen, um ihren Kindern "ein besseres Leben" leichter zu machen... traurig ist das. Und heute weiss man, dass Kinder aus Migrantenfamilien sprachlich insgesamt besser zurechtkommen, wenn sie ein fundiertes Verständnis für ihre Muttersprache haben. Und dann geht ja ein ganzer Kosmos von Facetten und Nuancen verloren, wenn so eine Sprache nicht gesprochen wird.
Was das Nationale betrifft, sprechen Sie einen sehr wichtigen Punkt an, über den ich oft nachgedacht habe bei dieser Diskussion. Ich habe mich gefragt, ob man das nationale Getöse von dieser Diskussion trennen kann. Die vorläufige Antwort ist: Ich weiss es nicht, und das ist mir ein bisschen unheimlich. Und trotzdem mag ich es, bei meinen deutschen Freunden vor den Büchergestellen zu stehen und dieses Gefühl von etwas sehr Mächtigem zu haben: "Verrückt - das ist alles denen ihre Sprache...".
Und überhaupt: Vielsprachigkeit macht ein Land ja nicht immun vor sämtlichen Verirrungen des Nationalismus, dafür sei die Schweiz als Beispiel genannt (siehe auch das Thema "Überfremdungsinitiative" in einem Thread weiter oben.
Was das Nationale betrifft, sprechen Sie einen sehr wichtigen Punkt an, über den ich oft nachgedacht habe bei dieser Diskussion. Ich habe mich gefragt, ob man das nationale Getöse von dieser Diskussion trennen kann. Die vorläufige Antwort ist: Ich weiss es nicht, und das ist mir ein bisschen unheimlich. Und trotzdem mag ich es, bei meinen deutschen Freunden vor den Büchergestellen zu stehen und dieses Gefühl von etwas sehr Mächtigem zu haben: "Verrückt - das ist alles denen ihre Sprache...".
Und überhaupt: Vielsprachigkeit macht ein Land ja nicht immun vor sämtlichen Verirrungen des Nationalismus, dafür sei die Schweiz als Beispiel genannt (siehe auch das Thema "Überfremdungsinitiative" in einem Thread weiter oben.
steppenhund - 22. Okt, 21:21
Ich habe ja nicht generell etwas gegen die Deutschen, nicht einmal gegen ihre Aussprache. Aber inhaltlich zeichnen sich die meisten Deutschen, die ich beruflich kenne, - und auch einige hier im Blog - durch eine ausgesprochene Taktlosigkeit aus. Und die meinen sie nicht einmal persönlich. Aber selbst wenn sie versuchen, höflich zu erscheinen, ist es eine Höflichkeit, die nur als Maske dient. In Wirklichkeit kann man mit etwas Feingefühl dahinter folgende Aussage hören: Du bist mir zwar genauso egal wie irgendein anderes Arschloch, aber es ist wohl besser, wenn ich mich höflich gebe. Wer weiß, vielleicht brauche ich noch etwas von dir. Es gibt auch ausgesprochene Gegenbeispiele, aber ich höre das wirklich am Tonfall der Sprache. Bei den Wienern lässt sich das auch häufig heraushören, bei den restlichen Österreichern fehlt diese entsprechend herablassende Note.
diefrogg - 23. Okt, 12:13
Kann das auch an...
Ihrem Arbeitsumfeld liegen, Herr Steppenhund? Ich erlebe da jedenfalls nicht so, und ich habe doch schon mit vielen Deutschen zusammengearbeitet.
Hingegen stelle ich einen kulturellen Unterschied fest, der mich immer wieder verblüfft: In der Schweiz ist das Understatement die Regel. Man stellt sich nicht in der Vordergrund und wehrt sich bei Zumutungen erst schüchtern, wenn einem der Kragen schon fast erwürgt.
Eine Freundin hat mir das mal an einem Beispiel erklärt: "Wenn Du von einem Schweizer Beamten etwas willst, dann gehst Du hin und fragst ihn höflich, ob es ihm vielleicht möglich wäre, das bis morgen hinzukriegen." Der Konjunktiv ist in solchen Situationen von enormer Bedeutung. "Wenn Du von einem Deutschen Beamten etwas willst, dann stellst Du Dich grossspurig vor ihn hin, prahlst mit Deinen Doktortiteln und donnerst ihn an, Du wolltest dies oder jenes jetzt aber nullkommaplötzlich."
Hingegen stelle ich einen kulturellen Unterschied fest, der mich immer wieder verblüfft: In der Schweiz ist das Understatement die Regel. Man stellt sich nicht in der Vordergrund und wehrt sich bei Zumutungen erst schüchtern, wenn einem der Kragen schon fast erwürgt.
Eine Freundin hat mir das mal an einem Beispiel erklärt: "Wenn Du von einem Schweizer Beamten etwas willst, dann gehst Du hin und fragst ihn höflich, ob es ihm vielleicht möglich wäre, das bis morgen hinzukriegen." Der Konjunktiv ist in solchen Situationen von enormer Bedeutung. "Wenn Du von einem Deutschen Beamten etwas willst, dann stellst Du Dich grossspurig vor ihn hin, prahlst mit Deinen Doktortiteln und donnerst ihn an, Du wolltest dies oder jenes jetzt aber nullkommaplötzlich."
iGing - 23. Okt, 20:07
Leider muss ich Ihnen in einem Punkt Recht geben: Es ist in Deutschland mehr und mehr eine Art etablierter Unhöflichkeit zu beobachten; wer diesem Profil nicht entspricht, hat weniger Aussicht, gehört zu werden.
Andererseits ist dieses Verhalten aber auch situationsbedingt, und da sehe ich manche Höflichkeitsformen (z.B. von Österreichern) durchaus als übertrieben an: In einem Rätselspiel im Internet halte ich es für durchaus angemessen, meinen Lösungsvorschlag ohne Gruß und Abschiedswort in die Diskussion zu werfen; wie überhaupt sachbezogene Antworten auf der Argumentations- und Erkenntnisebene rangieren und weniger das kommunikative Anliegen befriedigen (sollen).
Da möchte man als Deutsche(r) den Nachbarn gerne mal zurufen: Nehmen Sie doch nicht immer alles so persönlich!
Andererseits ist dieses Verhalten aber auch situationsbedingt, und da sehe ich manche Höflichkeitsformen (z.B. von Österreichern) durchaus als übertrieben an: In einem Rätselspiel im Internet halte ich es für durchaus angemessen, meinen Lösungsvorschlag ohne Gruß und Abschiedswort in die Diskussion zu werfen; wie überhaupt sachbezogene Antworten auf der Argumentations- und Erkenntnisebene rangieren und weniger das kommunikative Anliegen befriedigen (sollen).
Da möchte man als Deutsche(r) den Nachbarn gerne mal zurufen: Nehmen Sie doch nicht immer alles so persönlich!
iGing - 23. Okt, 20:19
Zitat: "Die würden eigentlich schon Deutsch sprechen - weil sie aber Amerikaner sind, müssen sie das auch zeigen und sprechen deshalb Amerikanisch."
Das erinnert mich wieder mal an meine eigene Kindheit: Meine Mutter erklärte mir, dass Franzosen mit "manger" "essen" meinen. Ich fragte: "Ja, und warum sagen sie dann nicht gleich 'essen'?" und fragte mich, wie kompliziert das Leben der Franzosen sein müsse, wenn sie bei jedem Wort, das sie sagen wollen, erst ein anderes denken müssen. ;-))
Das erinnert mich wieder mal an meine eigene Kindheit: Meine Mutter erklärte mir, dass Franzosen mit "manger" "essen" meinen. Ich fragte: "Ja, und warum sagen sie dann nicht gleich 'essen'?" und fragte mich, wie kompliziert das Leben der Franzosen sein müsse, wenn sie bei jedem Wort, das sie sagen wollen, erst ein anderes denken müssen. ;-))
diefrogg - 23. Okt, 21:18
@ iGing: Mit Ihrem...
ersten Kommentar haben Sie ja durchaus recht. Ich habe die Strategie, in der Schweiz etwas zu bekommen, ja leicht verharmlost. Natürlich würde man freundlich grüssen, den Beamten mit einer kleinen Schmeichelei seiner hohen Stellung versichern, dann mit allerhand "hätte" und "wäre" um schnelle Behandlung der Angelegenheit bitten.
Als ich meine Freundin mal in Deutschland besuchte, liess ich mich unterwegs ziemlich terrorisieren von den Kindern einem Mitpassagierin im Zug. Ich hatte nicht die Nerven, mich zu wehren. In Deutschland erlebte ich dann, wie zwei Männer unter Zurschaustellung beträchtlicher Autorität einen vergleichbaren Konflikt ausbellten. Später sagte ich zu meiner Freundin: "Ihr Deutschen gebt Euch aber ganz schön Mühe, einen Konflikt eskalieren zu lassen." Da sagte sie: "Und ihr Schweizer gebt Euch ja so viel Mühe, ihn nicht eskalieren zu lassen." Sie hatte recht.
Als ich meine Freundin mal in Deutschland besuchte, liess ich mich unterwegs ziemlich terrorisieren von den Kindern einem Mitpassagierin im Zug. Ich hatte nicht die Nerven, mich zu wehren. In Deutschland erlebte ich dann, wie zwei Männer unter Zurschaustellung beträchtlicher Autorität einen vergleichbaren Konflikt ausbellten. Später sagte ich zu meiner Freundin: "Ihr Deutschen gebt Euch aber ganz schön Mühe, einen Konflikt eskalieren zu lassen." Da sagte sie: "Und ihr Schweizer gebt Euch ja so viel Mühe, ihn nicht eskalieren zu lassen." Sie hatte recht.
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