3
Mai
2008

Pilaw-Reis(e)

Bei meinem geschätzten Kollegen syro0 habe ich kürzlich die so genannte Unterhaltungsliteratur gelobt - für ihren hohen Gebrauchswert. Wollte ich jetzt mein Gesicht gegenüber Liebhabern hochstehender Literatur wie Herrn syro0 wahren, müsste ich ein Hohelied auf Orhan Pamuks Rot ist mein Name anstimmen. Denn dieser Roman erfüllt, nur schon was die Konstruktion betrifft, höchste Ansprüche (seufz!). Ich will mein Gesicht aber gar nicht wahren und werde das Buch hier nicht deswegen loben. Nein. Ich werde es loben, weil es mir mit seinem hohen Gebrauchswert einen Dienst erwiesen hat.

Es war vor ein paar Tagen, als sich die Stachanowa bei mir zum Mittagessen angemeldet hatte. Es war schon zehn Uhr, ich war eben aufgestanden, las noch ein bisschen und grübelte gleichzeitig darüber nach, was ich kochen sollte. Die Stachanowa ist ein schwieriger Gast:
1) Sie mag keine Käsegerichte. Und das, wo Käse im Hause Frogg das eigentliche Grundnahrungsmittel ist!
2) Sie ist eine hart arbeitende Dienstleistungssklavin, und die Frogg weiss aus Erfahrung: Da muss es etwas Kräftiges, darf es aber nichts allzu Schweres sein.
3) Die Frogg hat ein durch strenge Diätvorschriften und eine generelle Kochfaulheit stark eingeschränktes Repertoire.
4) Ich habe die Stachanowa im Verdacht, dass sie eine heikle Esserin ist und nebst Käse allerhand andere Spezialitäten aus der Frogg'schen Cuisine nicht mögen würde: zum Beispiel Linsen oder Kichererbsen.

Deshalb wollte ich gerade verzweifeln, als mir aus Pamuks Buch das Wort Pilaw in die Augen stach. "Ja!" rief die Frogg, "Ja, Pilaw soll es werden!" Ich wusste nur, dass Pilaw aus Reis und Fleisch besteht und ein Eintopf ist. Aber all das klang gut. Sehr gut. Ich suchte im Internet ein Rezept und fand dieses:

Türkischer Pilaw
Zutaten:
6 Pouletbrustfilets, halbiert
1 Zwiebel
2 rote Peperoni
4 EL Olivenöl
250 g Reis (Langkornreis)
100 g Rosinen
500 ml Gemüse- oder Hühnerbouillon
0,2 g Safran
Salz
Pfeffer
Kreuzkümmel, gemahlen
Ingwer, gemahlen oder etwas Ingwer, frisch gehackt

Zubereitung
Pouletbrustfilets waschen, trocken tupfen und in Stücke schneiden. Zwiebel schälen und würfeln. Peperoni putzen, waschen und würfeln. Olivenöl in einer hohen Pfanne erhitzen und die Fleischstücke darin anbraten. Zwiebel- und Peperoniwürfel zugeben und mitbraten. Reis und Rosinen zugeben und mit Hühner- oder Gemüsebouillon angiessen. Mit Safran, etwas Ingwerpulver oder etwas frischem, fein gehacktem Ingwer, Salz, Pfeffer und etwas gemahlenem Kreuzkümmel würzen. Etwa 20 - 30 Minuten bei schwacher Hitze köcheln lassen, bis der Reis weich ist. Gegen Ende kontrollieren, ob noch etwas Bouillon nachgefüllt werden muss. Am Ende der Garzeit sollte allerdings die ganze Flüssigkeit vom Reis aufgesogen sein.
(Quelle: www.chefkoch.de, von mir in ein auch in der Schweiz verständliches Deutsch übersetzt)

Ich ging einkaufen, kochte und dachte zufrieden: "Da hat mir der Pamuk aber schön aus der Bredouille geholfen!" Nur: Als der Pilav so in der Pfanne vor sich hinköchelte (noch ohne Safran), sagte ich zum bereits anwesenden Mitesser, Herrn T.: "Eigentlich sieht das genau so aus wie das so genannte serbische Reisfleisch, das uns Mutter Frogg in den siebziger und achtziger Jahren vorzusetzen pflegte. Und es schmeckt auch ähnlich."

"Ja, liebe Frogg, da hast Du uns ein richtiges helvetisches Fünfzigerjahregericht gekocht!" grinste er. Ich schwieg. Ich habe gelernt zu schweigen, wenn ich gekränkt bin. Ich rührte in der Pfanne und grübelte still über die Verwandtschaft von serbischem Reisfleisch und türkischem Pilav nach. "Eigentlich keine Überraschung", sagte die Frogg schliesslich altklug zu sich selber, "Schliesslich hat Serbien einmal zum osmanischen Reich, also der Türkei, gehört. Warum sollte man dort nicht kochen wie in der Türkei?"

Nach dem Mittagessen wollte ich es dann genauer wissen und googelte wieder mal. Dabei stellte ich fest: Der Teufel steckt im Detail. Serbisches Reis ist nicht gelb, sondern rot. Eingefärbt mit Tomaten und Paprika (nicht Peperoni!!!).

"Roter Reis... hmmm... Balkan... hmmm", grübelte die Frogg, und dann fiel mir ein, was mir daran so zu denken gab: Neulich habe ich einen Kosovarenbuben nach seinen Lieblingsspeisen gefragt. Nebst Pommes erwähnte er Rotes Reis: "Weisst Du, Reis, das mit so Sachen rot gemacht ist... mit Tomaten und so...", sagt er. Sollte serbisches Reis mittlerweile gar nicht mehr serbisches Reis sein, sondern kosovarisches Reis? Oder ist das sowieso im Reiskern alles ein- und dasselbe? Schweizerisch serbisches Reis, Pilav nach deutschem Rezept, kosovarisches Reis?

Jedenfalls ass die Stachanowa meinen Pilav ohne Klage und nachher musste die Frogg eine Weile googeln, um alle ihre Reisfragen zu klären. Mit Pamuk geriet ich deswegen ein wenig ins Hintertreffen. Aber ich werde bald mehr davon erzählen (und von Pamuk).

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steppenhund - 3. Mai, 15:54

Eigentlich sind nur die Rosinen charakteristisch. Pfefferoni oder Paprika wurden im Haus meiner Großmutter noch alternativ verwendet. Und das Ganze hieß Reisfleisch. Ohne serbisch, ohne türkisch. Wenn überhaupt, dann bämmisch. Safran war zu teuer, ob es Kreuzkümmel gab, kann ich nicht mehr rekonstruieren.
In Wiener Gasthäusern, eigentlich eher in den Beisln, steht Reisfleisch noch manchmal am Menü. Meistens mit dem Zusatz "serbisches" Reisfleisch.

diefrogg - 4. Mai, 11:47

Bämmisch?

Heisst das böhmisch? Da haben Sie meinem kulinarischen Exkurs aber viel Würze zugefügt und mir viel zu googeln gegeben, geschätzter Herr Steppenhund. Dabei habe ich eben festgestellt, dass ich dem Unterschied zwischen Peperoni und Paprika einen ganzen Eintrag werde widmen müssen!
steppenhund - 4. Mai, 15:53

Jawohl, das heißt böhmisch - auf randelbämmisch ausgesprochen:)
Ich schaue dem angekündigten Eintrag mit großem Interesse entgegen.
acqua - 3. Mai, 18:59

Ha! Das habe ich jetzt gerade nachgekocht stell dir vor. Allerdings leicht abgewandelt entsprechend meiner Vorlieben und der Zutaten die ich zu Hause hatte. Und ich kann bestätigen: Der Gebrauchswert von Orhan Pamuk ist tatsächlich sehr hoch.

diefrogg - 4. Mai, 11:50

Ich bin froh, dass...

es Dir geschmeckt hat! Ich könnte das Zeug kiloweise essen! Wobei ich errötend gestehen muss, dass ich den Safran zu kaufen vergessen hatte und mich deshalb auf den Ingwer als Würze beschränken musste. Aber in der Kochschule hatten wir ja diesen Spruch: "Safran macht den Kuchen gelb". Für den fand ich eigentlich nur zwei Lesarten. Entweder bedeutete er, dass Safran zwar farbig ist, aber nach nichts schmeckt. Oder, dass Kochlehrerinnen furchtbar dumm sind: Weil sie glauben, Schülerinnen ohne gravierende Augenprobleme Dinge erkklären zu müssen, die diese auch selber sehen können.
steppenhund - 4. Mai, 15:55

Also Safran hat einen ganz charakteristischen Geschmack, den man sich auch nicht versagen sollte, wenn man ihn im Haus hat. Ich bekam Safran beim letzten Weihnachtsfest geschenkt, was vielleicht einen Hinweis darauf gibt, was man meinen Kochkünsten zutraut:)
diefrogg - 5. Mai, 10:03

@Steppenhund: Die...

Osmanen standen zwar 1683 vor Wien. Sie scheinen aber nicht über Böhmen gekommen zu sein... Das legt also meine These erst einmal flach. Wahrscheinlich ist es halt einfach so mit guten Sachen: Wenn sie schmecken und nicht zu schwierig zu kochen sind, werden sie überall gekocht und gegessen. Natürlich glaube ich Dir gern, dass Safran gar nicht so schlecht ist, wenn man ihn richtig aufzubewahren weiss...

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