12
Apr
2008

Schicksalshafte Begegnung

Neulich wollte ich gediegen shoppen und fuhr deshalb nach Bern. Klar, in Zürich hätte ich auch gekonnt. Aber ich wählte Bern, weil eine innere Stimme zur Frogg sagte: "In Bern wirst Du jemanden treffen, der Dir etwas bedeutet." Das ist nicht abwegig, ich habe früher in Bern gewohnt. Und dennoch staunte ich selber, mit welcher Gewissheit ich mich genau aus diesem Grund für Bern entschied. Ich pfeife nämlich sonst auf Vorahnungen und derlei esoterisches Zeug.

Item. Ich fuhr nach Bern und shoppte und traf niemanden.

Dann suchte ich meine Lieblingsbar auf. Sie war aber so voll, so dass ich ins Kornhauscafé wechselte. Dort bestellte ich Tee und las ein bisschen. Ich trank Tee und und las noch ein bisschen. Dann zahlte ich und las noch ein bisschen. Dann stand ich auf und zog meinen Mantel an. Zwei Männer mit zwei kleinen Kindern kamen herein. Der eine fragte, ob er einen Stuhl von meinem Tisch haben könne. Ich sagte: "Ja, klar" und zog meinen Schal an und plötzlich stand der andere vor mir und sagte: "Moni! Du bist doch Moni!"

Es war Zeno.

Zeno, mit dem ich in Bern ein paar Jahre lang eine Wohnung geteilt hatte. Mit dem ich halbe Nächte durchdiskutiert hatte. Zeno, der mich gelehrt hat, wie man Meinungsverschiedenheiten ohne persönliche Ressentiments austrägt. Zeno, in den die Frogg sogar ein bisschen verliebt war (wobei mir lieber ist, wenn er es nicht weiss). Zeno, der später irgendein prestigeträchtiges Nachdiplomstudium in Wien in Angriff nahm und dann in den luftigen Höhen der Berner Beamtenhierarchie verschwand.

Es war, als hätte das Schicksal Frau Frogg ins Kornhaus-Café getrieben, auf dass sie dort Zeno treffe.

Wir redeten nur kurz, denn Zeno war im Stress. Die Kinder waren nämlich seine, und er war ja mit seinem Kollegen dort. Aber es gelang uns doch noch, uns kurz in eine Meinungsverschiedenheit zu verheddern. Sie wurde weniger verständnisvoll ausgetragen als anno dazumal. Herr Zeno hat gelernt, bundesbernische Beamtengeringschätzung zu markieren.

Überhaupt: Als die Frogg später über das Treffen nachdachte, war sie unzufrieden. Sie fühlte sich provinziell, kleinbürgerlich und unangenehm an alte Zeiten erinnert. In der Erinnerung sah sie sich als hässliches Entlein. Als eines, das nicht mal zum schönen Schwan wurde, sondern einfach zur lahmen Ente.

Dabei habe ich immer geglaubt, so ein schicksalshaftes Treffen müsse einen glücklich machen. Oder wenigstens etwas Positives bedeuten. Aber an diesem schicksalshaften Treffen kann ich wenig Positives sehen. Also: Was soll ich davon halten?

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steppenhund - 12. Apr, 18:51

Gnädige Frau

Ich bin traurig. Überrascht, vielleicht ein bisschen enttäuscht, schockiert als Wort hätte den falschen Beigeschmack. Sie verwenden das Wort "shopping"? Und dazu noch in selbsttätigkeitsbeschreibender Form. Vieles hätte ich mir vorstellen können, aber nicht, dass Sie zu den "shoppenden" Frauen zu zählen sind.
Wie gerne hätte ich Sie getröstet, dass aus Ihren Texten weder Provinzialität noch Kleinbürgerlichkeit herauszulesen ist. Ihre letzte Frage kann ich daher nur so beantworten: "Sind Sie sicher, dass Ihnen Shoppen wirklich Spass machen soll? (Mit oder ohne Zeno)"

diefrogg - 12. Apr, 19:33

Oh, das tut...

mir leid, Herr Steppenhund! Sie, gerade Sie, enttäusche ich wirklich ungern! Aber ich muss Sie bitten, mir doch ein Laster zu verzeihen, und sei es nur das des gelegentlichen Shoppens: dieses vergnüglichen, ziellosen Herumstreifens (hauptsächlich in Buch- gelegentlich in Kleider- oder Schuhläden), das bei der Frogg nur allzu selten zu einem Kaufentscheid führt (sie ist ein bisschen geizig). Im Grunde geht es nur um die Freude an der Fülle der Warenwelt! Diese Tätigkeit mit "einkaufen" zu bezeichnen, wäre nicht nur banal, sondern geradezu falsch, denn "einkaufen" hat für die Frogg sehr viel mit Zielbewusstsein zu tun. In diesem Sinne trösten mich Ihre Worte trotz allem, Herr Steppenhund!

steppenhund - 12. Apr, 21:34

natürlich sofort verziehen,

wenn da auch Bücher im Spiel sind. Und überhaupt;)
walküre - 12. Apr, 22:26

Spontan

fällt mir an diesem Text etwas auf:
"Sie fühlte sich provinziell, kleinbürgerlich und unangenehm an alte Zeiten erinnert."

Weshalb gehen Sie genau hier zu sich selber auf Abstand ? In der dritten Person schreiben Sie öfters über sich selber, keine Frage, das gehört zu Ihrem Stil - aber hier steht noch etwas zwischen den Zeilen, wie mir scheint. Und: Wäre es möglich, dass Sie ursprünglich gerne beruflich mehr wollten, als Sie jetzt haben ?

steppenhund - 13. Apr, 01:05

@walküre

Ich hatte aus früheren Texten herausgelesen, dass es nicht vielleicht so sehr das "mehr" als etwas "anderes" war, wie das Leben angelegt werden wollte. Und aus anderen Texten lese ich heraus, dass der Zug noch lange nicht abgefahren ist. Ist er eigentlich nie, solange Reflektion im Spiel ist.
Ich hoffe, der Kommentar wird nicht als Übergriff gewertet. Natürlich warte ich ebenso gespannt auf die Antwort der Angesprochenen.
walküre - 13. Apr, 12:36

Ich

sehe, dass meine Formulierung "mehr" in diesem Kontext missverständlich ist, denn in meiner persönlichen Diktion bezieht sich dieser Ausdruck nicht so sehr auf das, was die Umwelt an materiellem Erfolg und an der Staffel auf der Karriereleiter abzulesen vermag, sondern auf "mehr für sich selbst" im Sinne einer erfüllenderen Tätigkeit und/oder Lebenssituation.

Und ich stimme 100%ig, dass zu dem Leben kein Stillstand droht, solange man nachdenkt und aus den Ergebnissen Konsequenzen zieht.
canela.wordpress - 13. Apr, 12:29

das schöne und positive ist (was du gar nicht gesehen hast):

dein satz: "Herr Xeno hat gelernt, bundesbernische Beamtengeringschätzung zu markieren." sagt für mich ziemlich viel aus und ist eigentlich des pudels kern.

zeno ist - pardon meine saloppe ausdrucksweise - ein trottel! wahrscheinlich war er schon immer einer. ein trottel, der gut diskutieren konnte. nur du hast es nicht gemerkt. oder, was auch sein könnte, er hat sich zu einem trottel entwickelt. zuviel kopfbildung schadet manchmal der herzensbildung.

ente bleibt ente, das ist gut so. aber ein dackel, der mit erhobener schnauze herumstolziert und sich dabei noch pfauenfedern ins füdle steckt, ist kein pfau!

katiza - 13. Apr, 15:10

Lesen Sie nach, Frau Frogg,

wie Ihr LeserInnen sie hier gleich auf- und fast schon zärtlich umfangen. Ihnen versichern, dass der beamtete Herr Zeno, in den sie einst ein wenig verliebt waren, keinen Grund bietet, dass Sie sich provinziell, kleinbürgerlich und unangenehm an alte Zeiten erinnert fühlen.

Und dann sehen Sie vielleicht doch noch etwas Positives an diesem schicksalhaften Treffen - mir zumindest gibt es die Chance zu kalauern: Ente gut, alles gut. Und Sie sind eine Superente - Herrn Zeno will ich gar nicht kennenlernen. Quak, ich habe gesprochen...

diefrogg - 13. Apr, 18:45

Also, es ist wirklich so...

Madame Katiza! Das Positive an dieser Geschichte ist, dass ich wieder mal merke, was ich an Euch habe, meine lieben Leser! Danke herzlichst für Eure Rückmeldungen! Zu Madame Walküre: Ich spreche tatsächlich gerne in der dritten Person über mich selber. Wie das von Fall zu Fall zu interpretieren sei, ist dem Leser freigestellt! Was die Ambitionen der Frogg betrifft, so darf ich sagen: Sie gehört zu den Leuten, die nie so sicher wissen, welches Ziel sie haben, dieses aber mit sehr viel Ehrgeiz verfolgen.

walküre - 13. Apr, 18:59

Der

abschließende Satz erinnert mich an Helmut Qualtinger, einen begnadeten österreichischen Tragikkomödianten, der in dem Text "Da Wüde auf seina Maschin" [Der Wilde auf seinem Motorrad] den Satz prägte: "I waas zwoa net, wo i hinwü, oba dafüa bin i schnölla durt ..." [Ich weiß zwar nicht, wohin ich will, dafür bin ich aber schneller dort] :-)
Karl-Heinz33 - 14. Apr, 01:34

Begegnung

Man weiß eben nie bei einer derartigen Begegnung, ob sie ein positives Gefühl oder einen etwas bittersüßen Geschmack hinterlässt. Die Chance alte Bekannte zufällig anzutreffen, besteht meist nur dann, wenn man sich länger in einer Gegend aufhält und nicht wenn man in einen anderen Kontinent zieht.

Du solltest jedoch keineswegs ein Minderwertigkeitsgefühl in Dir aufkommen lassen, nur weil Dein alter Freund gesellschaftlich in einer anderen Welt lebt, was wirklich nicht bedeutet, dass Du dadurch "abgewertet" worden bist.
Übrigens bin ich mit derartige Begegnungen unbedingt vertraut, wenn ich in größeren Abständen mal wieder nach Deutschland komme.

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